Stromspeicher aus Ruß und Beton
+Die Merz-CDU will zwar Atomkraftwerke wieder in Betrieb nehmen, die schon längst stillgelegt wurden, aber selbst die Betreiber sagen: Das ist der falsche Weg. Richtig und unausweichlich ist, dass sich die weltweite Energieerzeugung immer mehr auf Erneuerbare verlagert. Sonne und Wind sind hier die unangefochtenen Spitzenreiter, und das wird wohl auch so bleiben – aber im Bereich der nachhaltigen Stromerzeugung und -speicherung tun sich immer wieder neue, spannende Dinge. Vor anderthalb Wochen hatten wir hier über stromerzeugende Pilze berichtet, heute geht’s um Speicher aus mit Ruß versetztem Beton.
Vorweg sei gesagt: Ja, Beton ist ein Umweltsünder. Denn bei der Herstellung von einer Tonne Zement werden rund 700 Kilo CO₂ freigesetzt, erklärt das Wissenschaftsmagazin Spektrum in einem Artikel zum Thema. Sechs Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen bläst die Zementindustrie in die Luft.
6 % klingt erstmal gar nicht so viel, aber wenn man sich klar macht, dass der internationale Flugverkehr am Treibhausgas-Ausstoß der EU 2022 nur etwas mehr als 3 % Anteil hatte, sieht die Sache schon etwas anders aus.
Trotzdem ist auf absehbare Zeit keine Alternative in Sicht, denn Beton bildet, so schreibt es Spektrum im oben verlinkten Artikel, die Grundlage der Welt des 21. Jahrhunderts.
Es werden auch in Zukunft Häuser, Brücken, Staudämme und vieles andere gebaut, und der Werkstoff aus Zement, Wasser, Sand und Kies wird auch in Zukunft dafür gebraucht werden.
Nur – er kann dann bald wenigstens auch etwas Positives zu seiner Umweltbilanz hinzufügen. Und das auf bestechend einfache Weise.
Franz-Josef Ulm forscht am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im amerikanischen Cambridge seit ein paar Jahren an Kondensatoren (also schnell ladbaren Energiespeichern) aus Beton; schon im November 2023 hatte das ZDF darüber berichtet.
Für Ulm ist die große Verbreitung des Materials eine der Inspirationen für seine Forschung; er nennt Beton das wahrscheinlich demokratischste Material
der Welt. Und er erklärt auch im ZDF-Interview, wie die Kombination aus Beton und Ruß einen Stromspeicher ergeben kann: Zement ist hydrophil, liebt Wasser. […] Ruß im Gegensatz hasst Wasser […] wenn man Ruß ins Wasser gibt, klumpt er sich zusammen und wird von Kräften aus dem Wasser gehalten.
Beim Anmischen von Beton bilden sich zahllose Hohlräume, in die sich der sozusagen »wasserflüchtige« Ruß absetzt und so ein Netz bildet, das an Adern oder Bronchien erinnert.
Nicht die gesamten Wände von, zum Beispiel, einem Hausneubau werden so bearbeitet, sondern die Forscher stellen kleine Scheiben des Materials her. Je zwei davon bilden einen Kondensator; in die Mitte kommt – kein Witz! – Zeitungspapier als Trenn-Membran. Die eine Lage Rußbeton wird positiv, die andere negativ geladen, und: voilà. Ein kleiner Kondensator, der aussieht wie ein Oreo-Keks, ist fertig.
Und jetzt kommt wieder die Hauswand ins Spiel: Diese Super-Kondensatoren lassen sich nämlich beliebig stapeln. Und zum Beispiel als Stützen oder Säulen in Wänden verbauen.
Franz-Josef Ulms Neffe Simeon ist von der Idee ebenso begeistert wie sein Onkel. Er hat für seine Masterarbeit im Studiengang Bauingenieurwesen an der Uni Coburg vor gut zwei Monaten einen solchen Superkondensator gebaut, über den das Architekturblatt berichtete. Kondensatoren haben gegenüber Akkus und Batterien ziemlich viele Vorteile: geringe Kosten, keine bedenklichen Chemikalien, fast unbegrenzte Lebensdauer und sehr kurze Ladezeiten. Das Handy könnte so in Sekunden laden. Ein E-Auto in Minuten
, heißt es in dem Artikel.
Vor drei Wochen hat auch der Bayerische Rundfunk das Thema aufgegriffen und Simeon Ulm zitiert: Das ist sicher der erste Beton-Superkondensator Deutschlands!
Allerdings braucht es zur Serienreife noch einige Zeit. Momentan bringen die Platten eine 10 Watt-Lampe 25 Minuten zum Leuchten
, heißt es in dem Beitrag. Und: In frühestens fünf bis zehn Jahren könnte eine erste stromspeichernde Betonplatte in einem Haus zum Einsatz kommen, sagt Professor Markus Weber
, Ulms Coburger »Master-Vater«. Er hat die Arbeit des Studenten betreut und will sich auch in Zukunft mit dem Thema beschäftigen, zusammen mit seinem Team, weiteren Forschenden der Hochschule Coburg und dem »Onkel aus Amerika« und dessen MIT.