»Ich muss noch eben die Batterie füttern!«
+In der Schweiz wird gerade etwas entwickelt, das unseren Umgang mit Energie potenziell stark verändern könnte. Ganz vereinfacht ausgedrückt, könnte man sagen: Pilze machen Strom. Klingt interessant? Ist es auch!
Es gibt die Redewendung »den Teufel mit dem Beelzebub austreiben«, was soviel bedeutet wie: etwas Übles mit etwas anderem verhindern, das selbst auch übel ist. Die Energieversorgung moderner Staaten steht vor einem solchen Dilemma. Denn der dringend notwendige Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Öl, Gas und Kohle bedeutet einen stark erhöhten Bedarf an elektrischer Energie. Die wiederum muss gespeichert werden, und zwar in Batterien. Die wiederum sind leider auch problematisch: Für die Herstellung braucht es seltene Erden und andere endliche Rohstoffe, deren Gewinnung oft umweltschädlich und gesundheitsbelastend ist. Und auch ihre Entsorgung nach abgelaufener Lebensdauer verursacht Umweltbelastungen.
Wie wäre es, wenn man Batterien aus nachwachsenden, organischen Rohstoffen herstellen könnte? Die sich nach Gebrauch kompostieren lassen?
Die gute Nachricht lautet: Genau daran forschen Entwickler in der Schweiz. Gerade vorgestern berichtete die Tagesschau und schrieb auf ihrer Website: Eine Bio-Batterie aus Pilzen – ungiftig, biologisch abbaubar und aus dem 3D-Drucker.
Gemeint sind allerdings nicht die guten, alten Champignons, wie sie gern ins Gulasch oder auf die Pizza geschnitten werden. Sondern, einerseits, Hefepilze in einer Nährlösung, die den Minuspol (die Anode) bilden. Und, andererseits, ein Weißfäulepilz mit dem fast schon poetischen Namen »Samtige Tramete«, aus dem der Pluspol (die Kathode) besteht. Pilze sind erstaunliche und weithin unterschätze Lebewesen, näher mit Tieren als mit Pflanzen verwandt
, wie der Schweizer eidgenössische Bundesrat in einem Artikel über diese neue Forschungsrichtung schreibt.
Schon im Januar hat der Schweizer Radiosender SRF 1 über diese Forschung berichtet und dafür auch einen der beteiligten Wissenschaftler interviewt. Gustav Nyström ist seit Juni 2019 Leiter der Abteilung »Cellulose & Wood Materials« an der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, kurz Empa. Er forscht dort an unterschiedlichen unkonventionellen Materialien, zum Beispiel Batterien aus Papier und Sensoren aus Nanozellulose. Aktuell scheint aber der Einsatz von Pilzen besonders vielversprechend.
Im SRF-1-Interview erklärt er die Funktionsweise seiner Batterien: Die Bio-Pilzbatterie basiert darauf, dass die Pilze beim Fressen Energie umwandeln. Wir füttern die Pilze mit einer Hefenährlösung, wodurch beim Verdauungsprozess Elektronen freigesetzt werden. Die freigesetzten Elektronen können Spannung aufbauen und Strom erzeugen.
Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Die Pilzbatterie ist eine lebendige Batterie, die fast ausschliesslich aus organischem Material basiert. Das macht sie besonders umweltfreundlich.
Alle, die jetzt vor ihrem inneren Auge ein pilzbetriebenes Kraftwerk sehen, dass den Strombedarf von Hamburg, Frankfurt oder München deckt, muss der Forscher allerdings enttäuschen: Pilzbatterien sind kein Ersatz für Standard-Batterien, wie sie beispielsweise für Handys oder Elektroautos verwendet werden. Für Geräte mit grossem Energieverbrauch sind Pilzbatterien nicht geeignet. Dafür ist der Energiegewinn zu klein.
Trotzdem ist die Forschung sinnvoll und eröffnet neue Perspektiven, denn: Auch kleine elektronische Geräte sind in unserem Alltag weit verbreitet. […] Batterien einfacherer Systeme werden […] leider nicht immer konsequent entsorgt und landen teilweise im normalen Abfall oder sogar in der Natur. Bei herkömmlichen Batterien ist das ziemlich schädlich für die Umwelt.
Sprich: Alles, was nur eine geringe Leistungsaufnahme erfordert, kann in Zukunft mit solchen bio-organischen Stromerzeugern ausgestattet werden. Nyström nennt als Beispiele kleine Sensor-Systeme in der Landwirtschaft
oder auch in der Umweltforschung, und Anwendungen in der Biomedizin
. Sicherlich gibt es da noch einiges mehr, und Nyströms Kollegin, die Mikrobiologin Carolina Reyes, nennt in der Schweizer Technischen Rundschau, die sich in einem längeren Artikel ausführlicher mit der zugrundeliegenden Technik beschäftigt, noch einen weiteren großen Vorteil ihrer Entwicklung: Man kann die Pilzbatterien in einem getrockneten Zustand aufbewahren und am Einsatzort einfach durch die Zugabe von Wasser und Nährstoffen aktivieren.
Fast wie Magie.
Auch wenn der Einsatzbereich vergleichsweise eingeschränkt ist: Ein bisschen klingt die neue Technologie wie die Suche der Alchemisten nach einer Methode, unedle Metalle in Gold zu verwandeln. Und das sogar biologisch abbaubar.