Wawas Mupfel als Plastikersatz?
+Millennials werden es vielleicht gerade noch kennen, Zoomer wahrscheinlich eher nicht: Das Urmel ist ein Wesen, geboren aus einem Ei, das Jahrmillionen im ewigen Eis konserviert war. Möglicherweise ist es das Verbindungsglied zwischen Dinosauriern und Säugetieren. Äh, ach so: und es ist die Hauptfigur einer Kinderbuchserie von Max Kruse. Urmels Freund Wawa, der Waran, lebt in einer Riesenmuschel, die Ping, der Pinguin, wegen eines Sprachfehlers »Mupfel« nennt. Und damit sind wir endlich bei der seltsamen Headline angelangt: Muscheln könnten nämlich in Zukunft als Ersatz für synthetische Kunststoffe dienen.
Wer bis heute noch nicht mitbekommen hat, dass Plastik ein gewaltiges Problem für die Umwelt und alle Lebewesen auf diesem Planeten darstellt, hat vermutlich die vergangenen Jahrzehnte unter einem Stein gelebt
, wie es so schön in einem englischen Idiom heißt. Meeresbewohner haben ganze Plastikmüllhalden im Magen und verhungern oder ersticken daran, und die größte Plastikansammlung im Ozean, das Great Pacific Garbage Patch, umfasst anderthalb Millionen Quadratkilometer (mehr als viermal die Fläche Deutschlands) und wiegt irgendwas zwischen 45 000 und 130 000 Tonnen (eine Tonne sind tausend Kilo, Autos wiegen heute zwischen einer und drei Tonnen). Auf der Website der Müllsammel-App sweepAR findet sich diese Schätzung: Statistiken zufolge landet alle 5 Sekunden eine Tonne Plastik in den Gewässern.
Eines der größten Probleme dabei: Plastik besteht in der Regel aus fossilen Grundstoffen (Erdöl) und ist unverwüstlich. Es verrottet extrem langsam (Eine dünne Plastiktüte braucht rund 10 bis 20 Jahre, eine Chipstüte etwa 80 Jahre und PET Flaschen können bis zu 500 Jahre brauchen, bis sie abgebaut sind
, heißt es in dem sweepAR-Artikel) und zerfällt zu mikroskopisch kleinen Teilchen, dem sogenannten Mikroplastik, das mittlerweile auch im Blutkreislauf von uns Menschen zirkuliert, ohne dass wir wirklich wissen, was es dort für Schäden anrichtet; zumindet besteht die Möglichkeit, dass es zu Entzündungen in den Blutgefäßen und damit, in letzter Konsequenz, zu Herzinfarkt führen kann; das hat ein Marburger Forschungsteam herausgefunden.
Allerhöchste Zeit also, der Plastikflut ein Ende zu bereiten. Und da scheint es gute Nachrichten zu geben.
USC Researchers Develop Plastic Substitute from Mineral Found in Seashells
titelte vor einem Monat die USC Viterbi, die School of Engineering an der University of Southern California. Biomedizin-Ingenieure der USC Viterbi haben ein neues biokompatibles Material geschaffen, das sicher für marine Lebensformen ist und Mikroplastik verhindert
, schreiben sie in dem Artikel.
Darin wird auch die Leiterin der Forschungsgruppe, die Mikrobiologin und Medizintechnik-Professorin Eun Ji Chung, zitiert: Ich fing an, darüber nachzudenken, wie auch in unserem Labor alles aus Einwegplastik besteht, weil alles steril sein muss.
Sie erinnerte sich an ihre Studienzeit, während derer sie mit Kalzium-Partikeln biologisch abbaubares Material hergestellt hatte. Ich begann mit dem Gedanken, dass Seemuscheln auch aus Kalzium bestehen. Deswegen sind sie so hart wie Knochen. Also übernahm ich im Grunde, was ich schon gemacht hatte, und reproduzierte es in einer Weise, die es für die Herstellung von Plastik geeigneter machte.
Ihr Team kombinierte dazu das Polymer 1,8-octanediol-co-citrate mit Kalziumkarbonat aus Seemuscheln. Das so erzeugte Material ist wesentlich schneller und biologisch unbedenklich abbaubar und hat trotzdem die Stabilität von herkömmlichem Kunststoff. Das Team testete außerdem unter anderem auch die Wirkungen des neu geschaffenen Materials auf andere Meereslebewesen – mit dem Ergebnis, dass diese durch den Fremdstoff in keiner Weise beeinträchtigt wurden.
In einer ersten, vorsichtigen Einschätzung sieht Chung bereits viele potenzielle Verwendungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel in der Herstellung von Strohhalmen, die stabiler als solche aus Bambus und Papier, aber sicherer und umweltverträglicher als Metallröhrchen sind.
Momentan arbeitet das Labor in einer zweiten Forschungsstufe daran, das Material noch schneller abbaubar zu machen.
Zum Weiterlesen hier noch ein paar Links zu früheren Forschungen an Plastik-Alternativen: