Wir unterbrechen unsere aktuelle Serie »Leben mit Maschinen« für eine längst überfällige Meldung. Nämlich die, dass sich KI konstant und in rasender Geschwindigkeit weiterentwickelt. Weiterlesen
Leben mit Maschinen Ⅳ:
Von »Herr Ober!« zu »R2D2 wünscht guten Appetit!« — Maschinen im Service
Weiter geht’s mit unseren Betrachtungen über die Veränderungen, die unser menschliches Dasein durch die wachsende Zahl von Automaten, Robotern, Computern und Software erfährt. Diesmal im Fokus: Wie sieht die Zukunft von Restaurant- und Cafébesuchen aus? Und wo ist diese Zukunft schon Gegenwart? Weiterlesen
Leben mit Maschinen Ⅲ:
Vom Landarzt zum OP-Roboter — Maschinen in der Medizintechnik
Im dritten Teil unserer Serie über den Einfluss der vielen technischen Entwicklungen auf das menschliche Dasein geht es um die massiven Um- und Durchbrüche in der Heilkunst. Sie betreffen einerseits die Diagnose und Behandlung von Krankheiten, andererseits aber auch den Kontakt zwischen Heilenden und Patient*innen. Weiterlesen
Unsere Lösungen bringen Sie Ihren Zielen näher!
Unser Team
Wir sind ein junges, dynamisches Unternehmen mit zahlreichen Projekterfahrungen im In- und Ausland. Wir freuen uns darauf, Sie bei Ihren Projekten produktiv zu unterstützen.
Allen Simonian, Projektmanagement Carrollin Simonian, SAP Solution Manager Consultant
Ihr Erfolg ist unser Ziel: Dieser Leitsatz prägt unser Denken und Arbeiten in allen Bereichen. Unsere Kunden und Geschäftspartner schätzen den zugewandten, persönlichen Kontakt, der Grundlage all unseren Handelns ist.
Allen Simonian, Projektmanagement
Über uns
Cors Consulting bündelt Kompetenzen im Bereich Projektmanagement, Beratung und Schulung für SAP Solution Manager. Unsere Erfahrungen basieren auf langjährigen nationalen und internationalen Projekten in den unterschiedlichsten Branchen.
Die interdisziplinäre Aufstellung ermöglicht eine effiziente und zielorientierte Lösung für Ihr Unternehmen. Somit ist Cors Consulting Ihr kompetenter Partner in den wichtigsten Geschäftsbereichen. Wichtigste Bestandteile unseres Firmencredos sind Nachhaltigkeit und Integrität.
Als Berater und Begleiter stehen wir Ihnen auch in komplizierten und zeitlich dringenden Situationen kompetent zur Seite.
Das Vertrauen unserer Kunden ist das größte Kompliment für unsere Leistung.
Wie können wir Ihnen helfen?
SAP Solution Manager
Sie benötigen Hilfe, Unterstützung oder Optimierung bei Ihrem SAP Solution Manager? Wir beraten Sie gerne! Mehr lesen
SAP-Schulung
Halten Sie Ihre Mitarbeiter auf dem aktuellen Stand und stärken Sie so Ihr Unternehmen. Mehr lesen
Projektmanagement
Unser Team aus Spezialisten steht Ihnen von der Beratung über die Analyse bis hin zu der Umsetzung und Begleitung Ihrer Projekte mit Rat und Tat zu Seite. Mehr lesen
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Unsere Termin auf einen Blick – für Ihre Planungssicherheit. Mehr lesen
Unternehmensberatung
Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob Sie externe Dienstleistungen in angemessener Qualität erhalten. Kontakt aufnehmen
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· Staatlich anerkannter und zertifizierter Bildungsträger und Institut für Aus- und Weiterbildung
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Unsere Partner:
Wie können wir Ihnen helfen? Wir unterstützen Ihre Prozesse.
SAP Solution Manager
Egal, was bei Ihnen gerade ansteht – eine grundlegende Einführung, ein Update oder Upgrade, Konfiguration oder Customizing –, wir freuen uns, Sie bei Ihrem SAP-Solution-Manager-Projekt unterstützen zu dürfen.
Wie immer bei Cors Consulting gilt natürlich auch ganz besonders in diesem Bereich: Ihre und die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter stehen für uns immer an erster Stelle!
Unsere SAP-Solution-Manager-Themen:
Project & Process Management
Document Management
Change Control Management
central ChaRM Transport Managment (cCTS)
Test Management
IT Service Management
Custom Code Lifecycle Management
Focused Build
Prozess- und Qualitätsmanagement sind lebendige Vorgänge in Ihrem Unternehmen. Konzeptionelle Lösungsansätze helfen Verschwendung zu minimieren; die damit verbundene kontinuierliche Verbesserung erlaubt einen kritischen Blick auf alle laufenden Prozesse – und motiviert, sie zu optimieren.
Auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt: Wir halten Sie up-to-date!
SAP-Schulung
Es heute wichtiger als je zuvor, mit dem rasanten Tempo der Entwicklungen Schritt zu halten. Das heißt auch: die eigenen Mitarbeiter auf dem aktuellen Stand zu halten – und letztlich damit wiederum das eigene Unternehmen zu stärken.
Cors Consulting bietet Ihnen speziell auf Ihr Unternehmen abgestimmte Schulungen für den SAP Solution Manager. Dabei ist es unerheblich, ob Sie sich neu für die Möglichkeiten des SAP Solution Manager entscheiden, ein schon bestehendes System weiter ausbauen wollen – oder ob es darum geht, Ihre Mitarbeiter fester in den SAP-Sattel zu setzen. Unsere Trainer und Experten werden Sie dabei jederzeit gerne unterstützen.
Entscheiden Sie, was für Sie und Ihren ganz speziellen Geschäftsablauf am angenehmsten zu realisieren ist: Wir können die Schulungen vor Ort, in Ihrem Unternehmen durchführen, oder Sie nutzen die Weiterbildung via Webinar. Ganz, wie es beliebt und am besten passt.
Hier auf einen Blick: Unsere Schulungstermine
Workshops
Unsere Schulungstermine
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Demnächst finden Sie hier unsere Schulungstermine.
Professionelle Projektrealisierung. Von der Initialisierung bis zum Abschluss.
Projektmanagement
Projekte sind einmalige End-to-End-Prozesse. Aufgabe des Projektmanagements ist die Strukturierung, Planung, Überwachung und Steuerung einer einmaligen Wertschöpfungsprozesskette.
Unter dem Begriff Projektmanagement fassen wir die folgenden Bereiche zusammen:
Die Zieldefinition ist die wichtigste und zu gleich die komplizierteste Phase in einem Projekt. Mit Ihnen gemeinsam, definieren wir Ihre Projektziele, bereits in der Findungsphase.
Projektumfeld
Ein Projektumfeld ist die Umgebung, in der ein Projekt geplant, durchgeführt und bewertet wird. Jedes Projekt ist in einem vorgegebenen Umfeld fixiert und muss vor Projektstart sorgfältig betrachtet werden. Die ständige Analyse des Projektumfeldes ist unerlässlich um mögliche Chancen und/oder Risiken frühzeitig zu erkennen um entsprechend lenkend eingreifen zu können.
Stakeholder/Stakeholdermanagement
Stakeholder sind Personen oder Personengruppen, die einen berechtigten Anspruch an einem Projekt und dessen Ergebnis haben, daran beteiligt oder betroffen sind oder sich davon subjektiv betroffen fühlen.
Risikoanalyse
Die Risikoanalyse ist ein elementarer Bestandteil im Projektmanagement und sollte permanent und über die gesamte Projektdauer stattfinden. Eine Risikoanalyse unterstützt die Identifizierung vorhandener sowie mögliche in Projektdauer aufkommende Risiken. Anhand derer können Risiken vermieden, verlagert, akzeptiert und sogar begrenzt werden. Die Risikoanalyse ist ein Frühwarnsystem mit den Risken kontrolliert werden können.
Projektorganisation und Kommunikation
Um das Projekt und dayli-business gleichzeitig gewährleisten zu können sollte optimalerweise für die Projektdauer eine -Projektorganisation eingenommen werden. Diese Organisationsform gewährleistet sowohl die Erfüllung des alltäglichen Dienstes als auch des Projekts. Die Vor-/Nachteile der unterschiedlichen Projektorganisation sind je nach Projekt und Unternehmensgröße individuell zu bestimmen.
Kommunikation
Um den Projekterfolg reibungslos und unmissverständlich zu gestalten, ist essentiell von Bedeutung, dass alle beteiligten Parteien (Stakeholder) das gleiche Verständigungsmodul nutzen. Alle Teilnehmer müssen unmissverständlich und genau vom gleichen Bild sprechen, wenn es um das Projektoberziel geht.
Phasenplanung
Für jedes Projekt muss eine Phasenplanung gewählt werden, die den Anforderungen des Projekts entspricht.
Projektstrukturplan
Der Projektstrukturplan (PSP) zeigt die grundlegende Struktur des Projektes auf. In ihm werden Teilaufgaben definiert und in Arbeitspakete unterteilt. Diese Strukturierung liefert eine gute Übersicht über das Projekt in seiner Gesamtheit, über den Projektinhalt und die Erstellung der Arbeitspakete mit eindeutiger Verantwortlichkeit.
Der Projektstrukturplan stellt die Basis aller weiteren Pläne innerhalb eines Projektes dar und wird deshalb auch als „Mutter aller Pläne“ bezeichnet. Der PSP kann nach unterschiedlichen Kriterien gegliedert werden. Jedoch wird der PSP immer in einer hierarchischen Baumstruktur aufgebaut, die aus Wurzelelement, Teilaufgaben und Arbeitspaket besteht. Die kleinste Einheit und nicht mehr teilbare Einheit innerhalb des PSP ist das Arbeitspaket.
Ablaufplanung
Als Ergebnis des Projektstrukturplanung erhält man die einzelnen Arbeitspakete (oder Vorgänge). Es ist jedoch noch nicht bekannt, in welcher Reihenfolge die Vorgänge durchzuführen sind. Dies macht die Ablaufplanung. Dazu muss die logische und zeitliche Abfolge der Projektaktivitäten ermittelt werden. Die Abhängigkeiten der einzelnen Vorgänge müssen festgestellt werden:
Manche Vorgänge müssen zeitlich nacheinander durchgeführt werden, andere können parallel laufen.
Terminplanung
Für die Terminplanung bildet der Projektablaufplan die Grundlage.
Aufgaben:
Ermittlung und Dauer der einzelnen Vorgänge
Ermitteln von Projektterminen, Anfang/Ende von Vorgängen
Ermitteln und berechnen von Pufferzeiten
Ermitteln des Kritischen Pfads
Einsatzmittelplanung
Einsatzmittelplanung/Ressourcenplanung sind:
Personal
Material
Betriebsmittel
Sonstige Leistungen (z. B. externe Dienstleitungen)
Die Einsatzmittelplanung muss den für die Erstellung der Projektleistung notwendigen Bedarf ermitteln, mit den verfügbaren Kapazitäten abstimmen und eventuelle Engpässe feststellen.
Kostenplanung
Aus Bewertung der Einsatzmittel ergeben sich sowohl die Gesamtkosten des Projekts als auch die zeitliche Verteilung der Projektkosten über die Projektlaufzeit.
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Tech-News
Kurzer Einschub:
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Wir unterbrechen unsere aktuelle Serie »Leben mit Maschinen« für eine längst überfällige Meldung. Nämlich die, dass sich KI konstant und in rasender Geschwindigkeit weiterentwickelt.
Hier also die Meldung: Mittlerweile kann ChatGTP sprechen. Vor gut zwei Wochen unterhielt sich Jakob Steinschaden, CEO der News-Website Trending Topics, mit dem Automaten, und der klang, man muss es einfach so sagen, äußerst überzeugend und natürlich; abgesehen vielleicht von einem leichten amerikanischen Akzent im Deutschen, einigen seltsam gesetzten Pausen und hier und da ungewöhnlichen Betonungen.
Dazu passt, dass schon im April dieses Jahres in einem TED Talk Tom Graham, Chef von Metaphysic, und TED-Host Chris Anderson demonstrierten, wie nahezu perfekt inzwischen Deepfakes sogar live funktionieren.
Für »normale Menschen« wird es schon sehr bald völlig unmöglich werden, zwischen »echt« und »künstlich«, zwischen »real« und »Fake« zu unterscheiden.
Leben mit Maschinen Ⅳ: Von »Herr Ober!« zu »R2D2 wünscht guten Appetit!« — Maschinen im Service
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Weiter geht’s mit unseren Betrachtungen über die Veränderungen, die unser menschliches Dasein durch die wachsende Zahl von Automaten, Robotern, Computern und Software erfährt. Diesmal im Fokus: Wie sieht die Zukunft von Restaurant- und Cafébesuchen aus? Und wo ist diese Zukunft schon Gegenwart?
Wer die leicht versnobte, immer akkurate und gepflegte Nonchalance liebt, wie sie vor allem in Wiener Cafés lange Tradition hat, muss sich auf was gefasst machen. Auch wer die gutgelaunte, ärmelhochgekrempelte Freundlichkeit studentischer Mindestlohn-Jobber in Bratkartoffel-Kneipen schätzt, wird ihr wohl bald schon hinterhertrauern. Und selbst jene, die an der professionellen Distanz von erfahrenen Servierer*innen in hochklassigeren Etablissements ihre Freude haben, dürften sich umstellen müssen.
Denn die Branche hat ein Problem.
Das Bayerische Zentrum für Tourismus (BZT) schrieb im Januar: Das Gastgewerbe steht aktuell vor diversen Herausforderungen – eine der größten ist der Arbeits- und Fachkräftemangel. Bereits vor der Corona-Pandemie hatte die Branche mit sinkenden Mitarbeiterzahlen zu kämpfen, allerdings hat die Abwanderung in andere Branchen während der Corona-Lockdowns die Situation verschärft. Besonders stark leidet die Gastronomie, wo ausgebildete Fachkräfte fehlen (…)
In Deutschland gab es im August 2021 laut der Website ktchnrebel.com20 686 offene Stellen in der Gastronomie und 7 678 offene Stellen in der Hotellerie. Und zwei Jahre später – also kürzlich – ergab eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW): Im Bereich der Hotellerie können aktuell 42,8 Prozent der offenen Stellen nicht besetzt werden. Am zweitstärksten betroffen ist der Bereich Gastronomie mit 40,1 Prozent, gefolgt vom Bereich Speisenzubereitung mit 36,6 Prozent.
Des Dilemmas Lösung heißt, zumindest aus Sicht vieler Gastronomen: Serviceroboter.
Die oben schon verlinkte Website ktchnrebel.com schrieb vor zweieinhalb Jahren: Anstatt Ruhezeiten brauchen Roboter nur einige Stunden Ladezeit am Stromnetz, bevor sie wieder einsatzfähig sind. Durch Krankheit, Urlaub oder Kündigung fallen die Maschinen nie aus, höchstens eine Wartung muss miteinberechnet werden. Im Idealfall löst ein Roboter so mehrere menschliche Fachkräfte ab beziehungsweise steigert die Produktivität verschiedener Abläufe, Bots brauchen keine Anlernzeit.
Nun könnte man der Branche natürlich auch raten, attraktivere Löhne zu zahlen, denn neben Pandemien, die ja nicht sooo häufig auftreten, sind prekäre Arbeitsverhältnisse ein zentraler Grund der Abwanderung. Aber Prozesse, die einmal begonnen haben, nehmen meist ihren Lauf, und so hat das asiatische Restaurant Momoda im österreichischen Graz schon seit einer Weile einen Roboter in Betrieb, der die Getränke an den Tisch liefert. Passend zum leicht futuristischen Ambiente mit einem Flugzeugrumpf als Blickfang. Und seit 2022 gehört auch in einem Kölner Sushi-Lokal ein Roboter namens Miaomiao zum Servicepersonal, fährt autonom zu den Tischen, wie heise berichtet.
Und apropos, Asien ist da ohnehin schon weiter. Die Autorin Shoko Bethke berichtete vor einem Monat in der taz von Robotern in japanischen Restaurants. Die sehen auf jeden Fall lustiger aus als das – an den Sechzigerjahre-Charme ausdünstenden Bremshey-Servierwagen »Dinett« erinnernde – Modell aus Graz. Und sie geben sogar Töne von sich. Zielstrebig und mit immer der gleichen Melodie rollt der Roboter unentwegt durch die Gänge, heißt es in dem Text, auf dem Rücken leuchtet die angestrebte Tischnummer. Am Ziel bleibt er stehen, richtet den ›Blick‹ auf den Tisch und bittet die Gäste, ihm die Gerichte abzunehmen und dann den ›Essen-angenommen‹-Knopf zu drücken.
So possierlich das vielleicht erstmal klingen mag – Shoko Bethke schreibt auch: Mit der flächendeckenden Einführung der Roboter in gewöhnlichen Restaurants reduziert sich das menschliche Miteinander beim Auswärtsessen auf ein Minimum. Denn das ist der Preis, den Gastrogäste für die Automatisierung zahlen: Das Persönliche geht flöten.
Immerhin hat man ja noch die anderen, mit denen zusammen man Essen geht, mögen manche argumentieren, und das stimmt ja auch; die meisten Gastronomie-Besuche finden wohl immer noch zu zweit oder mehreren statt. Aber die Roboter machen nicht beim Bedienen halt. Ein paar Praxisbeispiele aus dem oben verlinkten Artikel des BZT: Im Café X in San Francisco bereitet ein Roboterarm Kaffee in einer voll automatisierten Kaffeebar zu. Bei Creator in San Francisco werden Burger voll automatisiert von einem Roboter gebraten und belegt. In Paris eröffnete 2021 mit Pizza Pazzi ein vollautomatisiertes Pizza-Restaurant, in dem ein Roboter die Pizzen belegt, in den Ofen schiebt, schneidet und abholfertig verpackt – alles direkt vor den Augen der Kund*innen (…) Die Liste geht noch eine Weile so weiter.
Aus dem definitiv nicht mehr zeitgemäßen, sexistischen und gar ansatzweise misogynistischen »Futtern wie bei Muttern« könnte also demnächst ein »Mampfen wie beim Menschen« werden, das dann auf Essen hinweist, das noch in Handarbeit gefertigt und auf dem Fuß-Weg an den Tisch gebracht wird.
Na Mahlzeit.
Leben mit Maschinen Ⅲ: Vom Landarzt zum OP-Roboter — Maschinen in der Medizintechnik
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Im dritten Teil unserer Serie über den Einfluss der vielen technischen Entwicklungen auf das menschliche Dasein geht es um die massiven Um- und Durchbrüche in der Heilkunst. Sie betreffen einerseits die Diagnose und Behandlung von Krankheiten, andererseits aber auch den Kontakt zwischen Heilenden und Patient*innen.
Vielleicht kämen sie zu dem Schluss, es geschehe Übersinnliches, denn immerhin ist ja wahr, was Arthur C. Clarke 1973 in seinem dritten Gesetz[englisch] postulierte: Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic, jede ausreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.
Und wenn der Gedanke, dass Opa und Oma nicht mehr von Menschen, sondern von Maschinen versorgt werden, auch einen sehr schalen und traurigen Beigeschmack hat, stimmt doch zweierlei: Es gibt immer weniger Pflegepersonal und immer mehr Senioren. Oder besser gesagt: Es gibt immer weniger Anreize für Menschen, einen Beruf in der Pflege zu ergreifen; das Klatschen vom Balkon aus der Corona-Lockdown-Zeit ruft inzwischen unter Pflegenden nur noch verächtliches Ausschnauben hervor. Sie fänden es wesentlich attraktiver, angemessen bezahlt und
nach vernünftigen Dienstplänen eingeteilt zu werden.
Es geht nämlich, oh Wunder, auch im medizinisch-pflegerischen Bereich immer mehr ums Geld. Die meisten Einrichtungen sind privatisiert und daher gewinnorientierte Betriebe.
Ähnliches spielt sich auch im weiten Feld niedergelassener Arztpraxen ab – ihre Wirtschaftlichkeit steht angesichts immer geringer werdender Krankenkassen-Zahlungen, steigender Energiekosten, steigender Personalkosten, steigender Kosten für Labormaterialien und für Praxisbedarf nicht selten vor dem Kollaps. Anfang Oktober streikten viele Praxen und mahnten auch einen noch relativ neuen Trend an: Zunehmend kauften Finanzinvestoren Praxen auf und trimmen sie dann als Ketten auf Gewinn, heißt es in einem Bericht der Tagesschau.
Und noch eine weitere »Sparmaßnahme« verändert zunehmend das Verhältnis zwischen Praxen, Patient*innen und Ärzt*innen: Immer öfter geht führt Weg zum Termin nicht mehr übers Telefon, sondern über Doctolib. Das Portal verwaltet für rund 80 Millionen Europäer die Daten, darunter 14 Millionen Deutsche. Leider ist keine Online-Software wirklich sicher, und so überrascht es nicht, dass auch Doctolib gehackt wurde, Daten beim US-Konzern Amazon ablegte[englisch], an Facebook und Outbrain weitergegeben hat, gegen Patientengemeimnis und Datenschutz verstößt; und all das sogar mit den Daten von Patienten, die Doctolib gar nicht nutzen – wer zynisch ist, mag sagen: das Übliche halt. Nur eben mit Daten, die grundsätzlich als besonders heikel und schützenswert angesehen werden. Und das zu recht.
Der Verein Digitalcourage hat eine FAQ-Seite eingerichtet, die Betroffenen bei vielen Fragen zu und Problemen mit Doctolib und Ärzt*innen Unterstützung bietet.
Leben mit Maschinen Ⅱ: Vom Callcenter zur KI — Maschinen im Kundenkontakt
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Ein Teilaspekt des Lebens mit Maschinen, unseres aktuellen Serienthemas, ist der Kontakt mit Kunden. Einst, in grauer Vorzeit, waren es tatsächlich mal Firmenmitarbeiter*innen, die ans Telefon gingen, wenn Kund*innen mit ihren Problemen, Fragen oder ihrer Kritik anriefen. Dann entschieden sich zumindest größere Firmen, das sei zu teuer, zu unbequem, zu kundenfreundlich. Sie »outsourcten« das Problem.
Call-Center hieß das Zauberwort (mittlerweile zu Callcenter eingedeutscht), mit dem unangenehme Kundenkontakte aus dem Tagesgeschäft entfernt und ausgelagert wurden. Nun gut, es gibt auch eine positive Definition: Das Ziel eines Callcenters ist eine möglichst hohe Erreichbarkeit zu gewährleisten, Kunden bestmöglich zu beraten und die Kundenzufriedenheit somit zu steigern. Tatsächlich sind die Erfahrungen mit solchen »Customer-Care-Centers« aber zumindest durchwachsen. Egal, ob es sich um sogenannte »Inhouse-Callcenter« handelt, also solche, die von der Firma selbst betrieben werden, oder externe Dienstleister.
Noch vor zehn Jahren schrieb das Manager Magazin: [M]it Telefonauskünften und fernmündlichem Marketing verdient die Call-Center-Branche noch immer Milliarden. Und nach wie vor läuft das Geschäft gut – aber es wandelt sich gerade fundamental. Künstliche Intelligenz hat auch hier Einzug gehalten.
Zunächst einmal werden KI-System mittlerweile eingesetzt, um Kundengespräche auszuwerten. Mensch spricht mit Mensch, aber Maschine hört mit: Eine aktuelle Recherche des Bayerischen Rundfunks hat gezeigt, dass die Computer zur Emotionserkennung genutzt werden. Datenschützer kritisieren das, schreibt der Sender. Zwar wird vorab häufig abgefragt, ob Kund*innen mit der Aufzeichnung des Gesprächs einverstanden sind, allerdings meist vage formuliert zur Prüfung und Verbesserung unserer Servicequalität. Und: Selbst, wenn Kunden der Aufzeichnung widersprechen, werden Emotionen ausgewertet.
Wie in so vielen Bereichen der Digitalen Revolution ist auch hier die Rechtslage noch nicht geklärt; immerhin ist eine Debatte im Gange, der europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski bezeichnet den KI-Einsatz zur Emotionserkennung als äußerst unerwünscht, der Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky als pseudowissenschaftlich, und er sagt: Jeder Mensch hat das Recht auf Innenleben und darauf, seine Emotionen nicht zu teilen.
Unterdessen aber geht die Entwicklung munter voran: In einem Artikel aus dem Jahr 2020[englisch] schrieb das Wirtschaftsmagazin Forbes, dank der massiven Verbreitung von Smartphones seit 2007 und theoretisch unendlich verfügbarer, Cloud-gestützter Rechenleistung seien sowohl die Erwartung an den Kundenservice, als auch die Einsetzbarkeit von KI massiv gewachsen. KI-gestützte Konversationsagenten zum Beispiel werden bis 2022 voraussichtlich 20 % aller Kundenanfragen bearbeiten. Als ein Beispiel nennt der Artikel den Gesundheitsversicherer Humana, der mit Unterstützung von IBM und KI-Experten ein System einsetzt, das grundsätzliche Kundenfragen völlig ohne menschliche Interaktion beantworten kann. IBMs Software für das Verständnis natürlicher Sprache, NLU (natural language understanding), das sieben Sprach- und zwei akustische Modelle verwendet, übersetzt jetzt über 90 % der gesprochenen Sätze, die es von Kunden ›hört‹.
Auf der Ebene des geschriebenen Wortes sind Chatbots längst allgegenwärtig, die selbstlernend Kundenanfragen beantworten, wie das Handelsblatt schon 2019 berichtete; und nachdem »Duplex« vor fünf Jahren die Besucher der Google/IO-Konferenz mit einem Reservierungsanruf bei einem Restaurant[englisch] beeindruckte, werden die Einsatzmöglichkeiten von KI-gestützter synthetischer Sprache stetig erweitert[englisch]. Das Magazin Futurezone hat schon 2018 ein paar Tips veröffentlicht, wie sich Sprach-Roboter enttarnen lassen. Bei der gegenwärtig rasanten Entwicklung ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch diese bald hinfällig sind. Und wir (»Menschen aus Fleisch und Blut«) nicht mehr werden unterscheiden können, ob wir uns gerade mit einer anderen biologischen Einheit unterhalten – oder einer aus Bits und Bytes.
Vielen Menschen wird das vermutlich auch recht egal sein. Mit Maschinen zu sprechen, ist seit Alexa, Siri und Co. ohnehin schon fast selbstverständlich geworden.
Hier sei ausnahmsweise mal ein Filmtipp gestattet: Ebenso unterhaltsam wie bedenkenswert beleuchtet »Her« von Spike Jonze mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle und Scarlett Johansson als Computerstimme das Thema.
Leben mit Maschinen Ⅰ: Von den Webern zu den Autobauern – Maschinen in der Produktion
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In der Einleitung zu unserer neuen Serie hatten wir festgestellt, dass die Nutzung von Steinkeilen als Werkzeug drei bis fast dreieinhalb Millionen Jahre zurückreicht; heute bringen wir im Schnelldurchlauf einige Jahrmillionen hinter uns und landen schließlich im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert.
Der nächste große Schritt in der menschlichen Entwicklung war geprägt von der Entdeckung des Feuers – oder genauer gesagt: von der Fertigkeit, selbst Feuer zu entfachen und zu kontrollieren. Die Wikipedia sagt: Die ältesten gesicherten Feuerstellen, die zweifelsfrei durch Menschen (Homo erectus) angelegt wurden, stammen aus der Wonderwerk-Höhle in Südafrika und sind rund eine Million Jahre alt.
Für die kulturelle Entwicklung der Menschheit sind natürlich auch die Künste wichtig; erste Höhlenmalereien datieren nach gegenwärtigem Stand rund 35.000 Jahre zurück, teils auch mit Anzeichen für kultischen Tänze. Zu den wohl beeindruckendsten und auch ältesten Fundstellen zählt die Höhle von Lascaux.
Ein weiterer zentraler Entwicklungsschritt – auch im Hinblick auf unser eigentliches Thema, die Nutzung von Maschinen – war dann vor rund 7000 Jahren die Entwicklung des Rades. Laut Wikipedia war dabei der indische Subkontinent federführend: Das drehbar befestigte Rad, also ›unendlich‹ drehbar um eine Achse, konnte mit Steinwerkzeugen angefertigt werden. Als Erste wendeten anscheinend im 5. Jahrtausend v. Chr. Töpfer am Indus dieses Prinzip bei der Keramikherstellung als Töpferscheiben an.
Ganz grundsätzlich wird mit diesem Begriff der Übergang von der Agrargesellschaft in die Industriegesellschaft bezeichnet, oder noch stärker vereinfacht, vom Bauern- zum Arbeiterstaat. (Yup, pun intended.)
Begonnen hat dieser vielleicht größte gesellschaftliche Umbruch in der Menschheitsgeschichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; erst im 19. Jahrhundert allerdings nahm die Industrialisierung richtig Fahrt auf, zunächst in England, dann in Westeuropa und den USA, und schließlich gegen Ende des Centenniums auch in Japan, dem restlichen Europa und Asien.
Ohne den Erfinder James Hargreaves wäre vielleicht alles anders gekommen; er entwickelte 1764 die Spinnmaschine »Spinning Jenny«, und nach einer Reihe von Weiterentwicklungen war schließlich, wie die Wikipedia schreibt, das Ergebnis, dass ein Spinner zu Beginn des 19. Jahrhunderts soviel Garn erzeugen konnte wie 200 Arbeiter vor der Erfindung der ›Jenny‹. 1784 legte dann der Londoner Pfarrer Edmond Cartwright mit dem mechanischen Webstuhl nach, der zwar ein halbes Jahrhundert lang erbittert bekämpft wurde, bis hin zum Niederbrennen von Fabriken, sich aber letztlich doch durchsetzte.
Mit dem Ergebnis, dass sich das Leben vieler Menschen massiv änderte. Die Arbeitsbedingungen waren seinerzeit so hart, dass William Blake für die überall neu entstehenden Fabriken den Begriff »dark Satanic mills« prägte. In jener Zeit vor dem Entstehen von Gewerkschaften waren die Arbeiter der Willkür der Fabrikbesitzer nahezu schutzlos ausgeliefert. Effizienz und maximalen Ausnutzung der Produktionskapazitäten waren die einzigen Regeln, [a]ls Druckmittel dienten Strafen, Lohnabzüge gemäß Bußgeldkatalog der Fabrikordnung, bei Kindern auch die körperliche Züchtigung, heißt es in dem oben verlinkten Wikipedia-Artikel. Nicht allzu anders wird es auch in den ab den 1890er-Jahren entstehenden Autofabriken ausgesehen haben.
Nicht zuletzt auch deswegen wurden dann während der Märzrevolution 1848/49 erste Gewerkschaften gegründet, die es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs immerhin schafften, die Arbeitszeit von teils über 16 Stunden am Tag auf 48 Wochenstunden (6 × 8) herunterzuverhandeln. Zwischen den Fünfziger- und Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts wurde dann in Deutschland – unter anderem mit Hilfe des Slogans »Samstags gehört Vati mir« – nach und nach die 40-Stunden-Fünftagewoche eingeführt.
Auch in den nächsten Folgen werden wir sicherlich noch auf das Phänomen zu sprechen kommen, dass die Einführung von Maschinen das Leben vieler Menschen zunächst nicht erleichtert hat – wie es ja immer wieder eines der großen Versprechen der Mechanisierung war –, sondern massiv verschlechtert. Immerhin haben viele Urvölker erheblich weniger gearbeitet als moderne Menschen, und einige tun das noch heute: Die Cuiva in Kolumbien und Venezuela arbeiten 15 bis 20 Stunden pro Woche, schreibt Survival International. Und Paul Lafargue, Schwiegersohn von Karl Marx, forderte schon 1880 in seinem Pamphlet »Das Recht auf Faulheit« die Rückkehr zum Drei-Stunden-Tag, den der britische Ökonom John Maynard Keynes in seinem 1930 erschienenen Aufsatz »Economic Possibilities for our Grandchildren« sogar für ungefähr unsere Gegenwart voraussah …
Neue Serie: Leben mit Maschinen
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Heute hat das verspätete Sommerloch bei den Tech-News ein Ende, und wir starten in den Herbst mit einer neuen Serie. Sie könnte etwas länger werden, denn das Thema ist sehr weit gefasst: Wie hat sich das menschliche Dasein durch den Einsatz von Werkzeugen verändert? Welchen Einfluss haben Maschinen auf unseren Alltag? Zum Einstieg schauen wir doch zunächst mal etwas weiter zurück.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung dürfte es knapp dreieinhalb Millionen Jahre her sein, dass unsere Vorfahren erstmals Steinkeile verwendeten. Das war zugleich auch das allererste Modell des schweizer Taschenmessers, denn so ein Keil funktioniert als Hammer, Beil, Brech-, Stemm- und Schnitzeisen, Messer, Nussknacker und sicherlich noch einiges mehr. Die Einführung dieses Universalwerkzeugs wird als so bedeutend angesehen, dass ein ganzes Erdzeitalter danach benannt wurde: die Steinzeit mit den Abschnitten Paläolithikum (vom griechischen παλαιός [palaios], »alt«, und λίθος [lithos], »Stein«), Mesolithikum (μέσος [mésos], »mittel«), und Neolithikum (νέος [neos], »neu, jung«).
Werkzeuggebrauch ist zwar auch bei Tieren durchaus verbreitet; vor allem Schimpansen, Orang-Utans, Gorillas und einige Affenarten verwenden regelmäßig Gegenstände als Hilfsmittel, aber auch bei Bären, Delfinen, Elefanten, einigen Vogelarten und manch anderen kann dies beobachtet werden. Aber die gezielte Herstellung von Werkzeugen ist hauptsächlich Primaten vorbehalten.
Dass die Werkzeugnutzung – zusammen mit den längeren, opponierbaren Daumen und dem aufrechten Gang – zu den wichtigen Evolutionsvorteilen der Vor- und Frühmenschen zählte, ist wohl unumstritten. Aber der menschliche Fortschritt ist nicht bei solch rudimentären Hilfsmitteln stehengeblieben. Über einige Millionen Jahre haben Menschen ihre Werkzeuge beständig weiterentwickelt und verfeinert, bis schließlich spätestens mit der Industriellen Revolution aus einfachen Geräten komplexe Maschinen wurden.
Hilfreich dabei war sicherlich auch die Entdeckung von Eisen als Grundlage für die Werkzeugherstellung; besser formbar, flexibler, dabei aber nicht weniger haltbar, hat das Material etwa seit 1200 vor Christus einen Siegeszug angetreten, der zu einer weiteren Zeitalterbenennung führte: In Nordeuropa dauerte die Eisenzeit ungefähr von 750 vor Christus bis 1025 nach Christus.
Im ersten Teil dieser Serie werden wir uns mit der Entwicklung von Maschinen in der Produktion beschäftigen – von mechanischen Webstühlen und Dampflokomotiven bis zu Autofabriken.
Wer die frühgeschichtliche Entwicklung noch eingehender betrachten möchte, mag vielleicht diesen Links folgen:
Der Verfasser dieser Zeilen befindet sich zur Zeit im Exil. Im sozialen, informationellen, beruflichen, ja – emotionalen Exil. Und es ist kein selbstgewähltes, wohlgemerkt: Er ist schlicht von der Welt abgeschnitten, weil sein Internet-Provider beschlossen hat, es sei mal wieder an der Zeit, am hellichten Tag Reparaturen durchzuführen. Und was 1999 schon echt sch***e war, ist im fast vollendeten ersten Viertel des neuen Jahrtausends eine mittlere Katastrophe.
Zumindest, das sei einschränkend vorausgeschickt, wenn es um Dinge geht, die sich nicht mobil erledigen lassen. Handy-Nutzern stehen neben Mobilfunknetzen auch noch lokale WiFi-Verbindungen zur Verfügung, und umgekehrt; das Risiko, komplett abgeschnitten zu sein, ist deutlich geringer. Aber es gibt nun mal Anwendungen, die mobil nicht zur Verfügung stehen oder deren mobile Nutzung zumindest stark eingeschränkt ist. (Es gibt sogar Menschen, die kein Mobilgerät besitzen; 2021 waren es rund elf Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14. Und immerhin sechs Prozent aller Deutschen zwischen 16 und 74 Jahren waren noch nie online.)
Das Offline-Sein beschränkt sich heutzutage auch nicht mehr auf das Computernetz; aus Kostengründen haben inzwischen alle Anbieter ihre Telefonverbindung auf VoIP (Voice over IP) umgestellt, was im Klartext heißt: kein Internet, kein Festnetz-Telefon. Auch da wieder: Die meisten telefonieren ohnehin fast ausschließlich über ihre Mobilgeräte, aber Firmen zum Beispiel (und auch kleine gallische Dorfbewohner ohne Handy, siehe oben) sind dann aufgeschmissen. Wer kein Mobiltelefon zur Hand hat, kann beim Ausfall noch nicht mal die Provider-Hotline anrufen und den Fehler melden – da heißt es dann geduldig sein, und vor allem: hoffen.
Fast hätte dieser nächste Abschnitt mit den Worten begonnen: »Wer aufs Internet angewiesen ist, …« – aber mal ehrlich, wer ist das heute nicht? Im Beruf sowieso, da geht ohne VPN-Serverzugriff, ohne MS® Teams oder Zoom (mehr dazu übrigens in unserer vorigen News), ohne WhatsApp-Gruppe, und ja, auch ohne die gute, alte E-Mail, gar nichts. Aber auch im Privatleben können wir kaum noch auf das WWW verzichten. Kurz was in der Wikipedia nachschlagen, sich schnell mal bei SPIEGEL oder taz über die aktuelle Weltlage informieren – das kann man vielleicht noch aufschieben. Schwieriger wird’s bei dringenden Arztterminen (immer mehr Praxen gehen dazu über, das Telefon nur noch als Anrufbeantworter mit Verweis auf die Online-Terminplanung von Doctolib zu betreiben), bei eiligen Bankgeschäften (längst sind die Papier-Überweisungsbelege abgeschafft, was ja für die Umwelt auch eine Erleichterung bedeutet¹), selbst bei privaten Absprachen (»Ich schaff’s nicht rechtzeitig zum Bahnhof!«)
Ganz abgesehen von den schweren Entzugserscheinungen, die sich schnell einstellen, wenn die sozialen Netzwerke plötzlich nicht mehr erreichbar sind …
Kurz: Wir alle sind aufs Internet angewiesen, ohne online geht kaum noch was. Zurück also zu unserer Überschrift: Was tun, wenn der Router streikt?
Einerseits gibt es die Möglichkeit, mit einem UMTS-Stick (auch Surfstick genannt) den Computer zum stationären Handy zu machen. Per USB wird der Rechner dann mit dem mobilen Internet verbunden – vorausgesetzt allerdings, dass der Stick auch über Guthaben verfügt. Außerdem bieten einige Anbieter in bestimmten Tarifen Router an, die sich zusätzlich zum DSL- oder Kabelanschluss drahtlos mit dem 3-, 4- oder 5G-Netz verbinden können; das ist oftmals nicht ganz billig, aber immerhin auch eine Option, vor allem bei beruflich genutzten Anschlüssen.
Und schließlich: Wer Glück hat, findet vielleicht in der Liste von WiFi-Verbindungen auch eine von Freifunk.net zur Verfügung gestellte. Das Projekt hat es sich zum Ziel gesetzt, Internet für alle zu ermöglichen; Freiwillige betreiben die offenen WLAN-Router, allerdings ist ein wenig Vorsicht geboten – denn ein offenes Wireless LAN ist natürlich auch offen für Angriffe. Ob man darüber ins Online-Bankkonto gehen sollte, wäre zumindest gründlich zu überlegen.
¹ Wenn man allerdings die Umweltbelastung durch Internet, Server, Laptop- oder Computerbetrieb etc. mit einberechnet, wird das schon wieder deutlich un-eindeutiger.
Was ist sicherer: Closed- oder Open-Source-Software?
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Die Debatte flammt regelmäßig immer wieder auf, seit es quelloffene Programme gibt. Und kommerzielle Anbieter, die ihren Sourcecode geheim halten, versuchen immer wieder, Argumente für ihre Vorgehensweise zu finden; was ein bisschen einleuchtet, denn schließlich wollen sie damit nach Möglichkeit sehr viel Geld verdienen. Aber kürzlich hat die FOSS-Idee (was für Free and Open Source Software steht) erheblichen Auftrieb erhalten.
Bitte beachten Sie: Der folgende Text kann deutliche Spuren von Ironie und eventuell auch Sarkasmus enthalten. Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie eine*n IT-Beauftragte*n Ihres Vertrauens.
Erinnern Sie sich noch, damals, als dieses Virus um die Welt ging – was sich ja zum Glück erledigt hat –, da erlebten plötzlich Programme ihren globalen Siegeszug, von denen die meisten zuvor noch nicht gehört hatten. Zoom gehörte dazu, das es Kollegen, Familienmitgliedern und Freunden erlaubte, im Lockdown weiterhin audiovisuellen Kontakt zu halten, sich beim Sprechen auch zu sehen.
Das Magazin All Things Security schrieb, und zwar nicht etwa damals im Jahre 2020, sondern vor zweieinhalb Monaten: »Hören Sie auf, Zoom zu benutzen«[englisch]. Interessanterweise gar nicht so sehr wegen möglicherweise existierenden Sicherheitslücken, sondern – weil die Firma ihre Kunden belogen hat, indem sie behauptete, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu verwenden, was so einfach nicht stimmte[englisch]. Damit habe sie, so der Artikel, Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit verloren.
Das ist einer der entscheidenden Knackpunkte in der Debatte um die Sicherheit von Open- versus Closed-Source-Software: Nutzer können nicht selbst überprüfen, ob das Programm wirklich tut, was die Herstellerfirma behauptet. Bei FOSS ist das anders: Der Quelltext ist für jede*n öffentlich einsehbar, und vor allem bei sicherheitsrelevanten Programmen werden auch tatsächlich Audits durchgeführt, wie zum Beispiel bei dem Datei- und Festplatten-Verschlüsselungstool VeraCrypt.
Natürlich führen auch kommerzielle Anbieter Sicherheitsüberprüfungen durch, allerdings meist intern und nicht unter den Augen der Öffentlichkeit. Deswegen kommt jüngst eine Studie zu dem Schluss: Proprietäre Software kann nicht sicherer sein als Open-Source. Der heise-Artikel zu dem Thema zitiert den Studienautor, den Bonner Informatiker Marc Ohm, mit den Worten: Open-Source-Projekte werden in der Regel von mehreren Entwicklern betreut und gepflegt, und: Da zudem jeder Nutzer Verbesserungen einreichen kann, erhält die Software regelmäßige Updates und vor allem Sicherheitspatches. Anders dagegen bei geschlossenem Quelltext: Die Sicherheit von proprietärer Software hängt allein vom Hersteller ab. Anwender müssen warten, bis ein entsprechender Patch zur Verfügung gestellt wird.
Immerhin lässt sich beobachten, dass zunehmend auch kommerzielle Softwareentwickler den Open-Source-Gedanken verfolgen; Vishnu Pankajakshan Panicker, Entwickler bei Boeing, fragte kürzlich eindringlich: SAP & Open Source: Are we prepared enough?[englisch]. Er schreibt: SAP hat die potenziellen Vorteile von Open-Source-Software erkannt und verschiedene Schritte unternommen, um Open-Source in seine Cloud-Angebote einzubinden.
Ach, und wer jetzt gern auf Zoom verzichten möchte – es gibt zahlreiche Videocall-Alternativen, von denen Jitsi Meet mit am vielversprechendsten scheint. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gibt auf seiner Website allianz-fuer-cybersicherheit.de in einem umfangreichen PDF ausführliche Hinweise, wie sich Jitsi sicher einsetzen und betreiben lässt. Denn ja – wer will, kann es sogar auf dem eigenen Server installieren. FOSS eben.
¹auditieren: etwas als externer Prüfer auf die Erfüllung bestimmter [Qualitäts]standards hin bewerten und anschließend zertifizieren (Duden)
Streik um die Existenz
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Der »News Cycle«, also die Halbwertzeit einer Meldung, ist derartig kurz, dass viele schon wieder fast vergessen haben dürften, dass die US-amerikanischen Film- und TV-Gewerkschaften SAG-AFTRA und WGA sich im Streik befinden. Besonders daran, und deswegen wollen wir heute gern noch einmal kurz daran erinnern, ist, dass es nicht allein um mehr Geld geht, sondern um die Lebensgrundlage vieler Beschäftigter in der Filmindustrie – die wie viele andere auch von KI bedroht sind.
Der britische Guardian zitiert[englisch] einen der Verhandler auf Gewerkschaftsseite, Zeke Alton, mit den Worten: Sie zwingen uns, um unsere nackte Existenz zu verhandeln und zu feilschen. Es geht ums Überleben, denn nicht nur Drehbuchautoren könnten schon bald durch ChatGPT-ähnliche Anwendungen komplett überflüssig werden. Auch Schauspieler sind durch generative KI ersetzbar. Schon heute werden Monstren und Superschurken oft im Computer erzeugt; längst gibt es virtuelle Popstars wie Polar (mit fast zwei Millionen Followern auf TikTok) oder Hatsune Miku[englisch]. Einen lesenswerten Artikel zu dem Thema hat Bernard Marr für das Magazin Forbes verfasst[englisch].
Für die Pop-, TV- und Filmindustrie ist das natürlich ein gefundenes Fressen: Virtuelle Darsteller werden nie krank, fordern keine höheren Vergütungen und sind ständig verfügbar. Vor diesem Hintergrund hat eine Stellenanzeige von Netflix eine Welle der Empörung aufbranden lassen, die in ihrer ursprünglichen Version (inzwischen wurde der Text geändert) laut SPIEGEL folgende Formulierung enthielt: Maschinelles Lernen/künstliche Intelligenz steckt hinter Innovationen in allen Geschäftsbereichen, angefangen beim Kauf und der Produktion großartiger Inhalte (…)
Schon jetzt werden Schauspieler*innen mithilfe von KI künstlich verjüngt, wie Harrison Ford im jüngsten »Indiana Jones« oder Carrie Fisher in »Star Wars: Rogue One«. Und in der (zwar fiktionalen, aber äußerst realistischen) »Black-Mirror«-Folge »Joan is awful« sieht sich die Protagonistin abends eine Zusammenfassung ihres Tages an – gespielt von Salma Hayek.
Die Sorge ist also berechtigt. Und die Einschätzung, dass der Streik in Hollywood den Kampf gegen KI revolutionieren wird, wie es The Wire in einem Artikel schreibt[englisch], dürfte absolut zutreffend sein. Darin wird Lilly Wachowski zitiert, eine der beiden Schöpferinnen von »The Matrix«: Ich bin absolut überzeugt, dass der Kampf, in dem sich unsere Industrie gerade befindet, ein Mikrokosmos einer viel größeren und kritischen Krise ist.
Heißt Raider jetzt Twi-X?
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1991 wurde ein Schokoriegel umbenannt; die Älteren werden sich noch an den Slogan erinnern, den die Marketing-Abteilung des Zucker-Giganten Mars sich damals ausgedacht hat. Da sich ansonsten nichts an der Kalorienbombe geändert hatte, wurde er schnell zum Synonym für oberflächliche Veränderungen ohne inhaltliche Neuerungen. Seither sagt man gern Raider heißt jetzt Twix, wenn wieder einmal nur kosmetische Nuancen angegangen wurden. Aber – gilt das auch für das Rebranding von Twitter zu X?
Offiziell ist Elon Musk ja schon länger nicht mehr der CEO von Twitter. Den Posten hat jetzt Linda Yaccarino inne, und die twitterte (oder, wie es neuerdings heißen soll, »xitterte«) kürzlich noch mal die großen Pläne[englisch]. Was das chinesische WeChat schon lange ist, nämlich eine Audio-, Video- und Messaging-Plattform mit Abo-, Bestell-, Termin-, Reservier-, Kauf-, Banking- und Bezahlfunktion, inklusive einer Office-Variante und einem App-Store, KI-gestützt und grenzenlos in der Überwachung seiner Kund*innen – das will X auch gern werden. Eine Plattform für alles[englisch].
Leider (naja, zumindest für den Multimilliardär) gibt es ein paar kleine Probleme, denn erstens steht der Buchstabe im Internet für allerlei Schmuddelkram (weswegen der Staat Indonesien Musks Domain x.com, die bereits auf Twitter weiterleitet, gesperrt hat[englisch]). Und zweitens haben sowohl Microsoft, als auch Musks Lieblingsgegner Meta den Buchstaben X für Social-Media- und Kommunikationszwecke markenrechtlich geschützt[englisch]. Microsoft hat den Schutz erst vor knapp zwei Wochen erneuert.
Musk besitzt die Domain allerdings schon eine Weile und hat den Mutterkonzern von Twitter mittlerweile in The X Corporation umbenannt, wie DER SPIEGEL berichtet, in Anlehnung an die Firma X.com, die er 1999 gegründet hatte und aus der später der Zahlungsdienstleister PayPal hervorgegangen war. Seine Raumfahrtfirma heißt SpaceX, und mit x.ai will er OpenAI Konkurrenz machen.
SPIEGEL-Autor Sascha Lobo hat den Verdacht, dass uns Musk, sozusagen, ein X für ein I vormachen möchte; er schreibt: Aus Marketing- und Weltgeltungssicht hat Steve Jobs Apple zu einer Firma rund um einen ikonischen Buchstaben gemacht: i. iMac. iPod. iPhone. iPad. (…) Was für Jobs das i, soll für Musk das x werden.
Wenn er damit Erfolg haben sollte, wird der Buchstabe in Zukunft nicht mehr nur für Internet-Porno stehen, sondern auch für Rechtsextreme und Kinderschänder; zuletzt hat Musk nämlich den gesperrten Account von Pop-Produzent Kanye West wieder freigeschaltet[englisch] – der hatte immer wieder mit antisemitischen Aussagen, Hitler-Lob und Hakenkreuz verstört, bis schließlich sein Vertriebspartner Adidas die Zusammenarbeit aufkündigte (keine Sorge, die Firma hat mit dem Abverkauf der Ye-Restbestände rekordverdächtige Umsätze erzielt) – und auch das Konto von Dominick McGee wieder geöffnet, einem rechten Troll und Verschwörungsideologen, dem der Account gesperrt worden war, nachdem er zwei Screenshots aus einem Video gepostet hatte, in dem die sexuelle Misshandlung eines Kleinkindes zu sehen war, wie DER SPIEGEL schreibt.
Um also die Eingangsfrage jetzt endlich zu beantworten: Sollte es Elon Musk gelingen, trotz aller existierenden und möglicherweise weiterer Probleme die Marke X als Twitter-Nachfolger zu etablieren, dann ist das weit mehr als nur die Umbenennung von Raider in Twix. Es wäre vielmehr, wie Sascha Lobo im oben verlinkten Artikel schreibt, ein weiterer Schachzug in der Mission des reichste[n] Mann[es] der Welt mit der machtvollsten Nachrichtenplattform der Welt gegen das woke mind virus, also Wokeness, die er für eine Art ansteckender Gehirnwäsche hält. Und schlimmer noch, die wichtigsten Werte, die mit Wokeness assoziiert werden, sind Antirassismus und Feminismus (…) man kann ohne jede Übertreibung sagen, dass Black Lives Matter und MeToo ohne Twitter niemals so wirkmächtig geworden wären, vielleicht nicht einmal existieren würden.
Leider hat Lobo mit seiner Einschätzung sehr wahrscheinlich sehr recht; schon lange gilt, dass Technologie sehr wohl politisch benutzt werden kann und auch wird.
Is Threads a Threat?
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Von Nicht-Muttersprachlern gern verwechselt, heißt das englische »threat« übersetzt »Bedrohung«; »thread« ist wörtlich übersetzt ein Faden, aber schon lange wird der Begriff bei Twitter und anderen Social-Media-Anwendungen auch für mehrere aneinandergereihte Postings verwendet – die wegen der Begrenzung auf zunächst 140, dann 280 Zeichen schnell Verbreitung fanden, um längere Gedanken aufschreiben zu können. Und gerade ist der Begriff in aller Munde, weil Mark Zuckerbergs Meta-Megakonzern am 5. Juli seine neue Anwendung namens Threads als direkten Twitter-Konkurrenten gestartet hat.
Aber jetzt erstmal ein kleiner Blick in die jüngere Tech-Geschichte. Eingefleischte Meta-Fans werden sich wahrscheinlich erinnern: Im Oktober 2019 stellte der Facebook- und Instagram-Konzern schon einmal eine Anwendung mit dem Namen Threads vor[englisch], deren Schwerpunkt mobiles Messaging war, bei dem die Handy-Kamera im Vordergrund stand. Als Snapchat-Konkurrenz konzipiert, hatte Threads damals nur wenig Erfolg; Ende 2021 wurde das Thema begraben[englisch]. Die Neuauflage, die im Grunde aussieht wie ein Klon von Twitter, hat dieses Problem nicht: Schon nach ein paar Stunden verkündete Mark Zuckerberg zehn Millionen Nutzer, und nach nur fünf Tagen waren es bereits 100 Millionen. Damit stellte Threads einen neuen Rekord auf und wächst schneller als ChatGPT, wie DER SPIEGEL berichtete.
Das liegt unter anderem sicherlich an zwei Dingen: Elon Musk fährt, erstens, Twitter immer weiter gegen die Wand – und wer, zweitens, schon ein Instagram-Konto hat, kann die Kontodaten mit einem Klick in Threads übernehmen. Kein langwieriger Aufbau einer Freundesliste, kein Neu-Lernen von Funktionen – wer Twitter zumindest flüchtig kennt und ein Instagram-Konto hat, kann direkt einsteigen.
Naja – es sei denn, sie*r ist Europäer*in. Da scheint noch zu viel unklar zu sein, was die Datenschutz-Richtlinien angeht; dazu gleich noch mehr. Ein paar Tage lang funktionierte der Zugriff für deutsche Threads-Nutzer*innen trotzdem, über die Anmeldung im App Store mit einem US-Account (mit dem iPhone) oder eine zusätzlich installierte .apk-Datei (auf Android-Phones) – aber mittlerweile scheint Meta die Deutschen mit mehr Nachdruck auszusperren.
Das ist aber vielleicht auch ganz gut, denn was Threads so alles an Daten abgreift, könnte ebenfalls rekorverdächtig sein. Ein*e Nutzer*in der Open-Source-Reddit-Alternative Lemmy hat einen Screenshot der »App Privacy« gepostet[englisch]; mit Privatsphäre hat das nichts mehr zu tun. Mehrere Warnlichter sollten gleichzeitig blinken, wenn neben »Health & Fitness« auch »Financial Info«, »User Content« und die beiden doch eher allgemein gefassten Kategorien »Sensitive Info« und »Other Data« aufgelistet werden; letzteres kann letzlich alles beeinhalten. Zwar versicherte Metas Datenschutzchef Rob Sherman vor wenigen Tagen, dass der neue Dienst die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erfülle, schrieb DER SPIEGEL gestern. Im vergangenen Jahr hatte Brüssel aber zudem den Digital Markets Act (DMA) auf den Weg gebracht, der strenge Vorgaben für sehr große Internetplattformen macht. Wie zum Beispiel Metas Instagram-Threads-Duo.
Um also auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ja, Threads ist eine Bedrohung – für Twitter einerseits, das offensichtlich einen deutlichen Rückgang erlebt, wie CNBC am Montag meldete[englisch], und für den Datenschutz seiner Nutzer andererseits.
Allerdings ist das ganze noch sehr neu; gestern schrieb NBC News[englisch], dass schon am Dienstag und Mittwoch die Zahl der aktiven Nutzer*innen, also derjenigen, die nicht nur ein Konto haben, sondern die App auch tatsächlich benutzen, um 20 % zurückgegangen sei, und die Zeit, die sie darauf verbrachten, sank von 20 auf zehn Minuten.
Wiederum andererseits ist für Threads aber auch noch viel Luft nach oben: Die 100 Millionen sind weniger als zehn Prozent der Gesamtzahl von Instagram-Nutzern und damit potentiellen »Threadern«: 1,35 Milliarden[englisch] sind das nämlich. Ein Sechstel der gesamten Weltbevölkerung.
Invidi-wie?!
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Für viele war eine Meldung, die in den letzten wenigen Wochen durchs Netz geisterte, immer mal wieder hier und da auftauchte, vermutlich eine, die stark nach böhmischen Dörfern klang: Die Rechtsabteilung von YouTube hat Invidious eine Mail geschrieben und die weitere Nutzung ihrer API verboten. Was das im einzelnen bedeutet, wollen wir uns heute mal genauer ansehen.
Invidious[englisch] ist laut der englischsprachigen Wikipedia (frei übersetzt) »ein freies und open-source-basiertes Frontend für YouTube (…) Es ist als leichtgewichtige und die Privatsphäre respektierende Alternative zur offiziellen YouTube-Website gedacht.«
Der Grund für die Existenz von Invidious liegt auf der Hand: Wer die Website des Video-Anbieters besucht, wird – um es salopp zu sagen – ausspioniert. YouTube gehört zum Alphabet-Konzern, ist ein Tochter- oder Schwester-Unternehmen (wer blickt schon noch so genau durch bei den Tech-Giganten) von Google, und die ursprünglich 1998 als Suchmaschine gestartete Firma wiederum steht seitdem immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik; als unermüdlicher Speicherer und Weiterverkäufer von Kundendaten – Stichwort »Datenkrake« –, oder auch wegen der Manipulation von Suchergebnissen, dem Setzen von »ewigen«, persönlich identifizierbaren Cookies, Benutzer-Tracking und vielem mehr.
Seit YouTube am 9. Oktober 2006 von Google aufgekauft wurde, wird diese Kritik auch gegen die Video-Plattform geäußert. Und 2018 wurde dann, als Reaktion auf dieses auch »Datensammelei« genannte Vorgehen von YouTube und Google, Invidious veröffentlicht. Die Software – die öffentlich verfügbar ist und die Menschen mit ausreichend technischem Geschick auf ihrem eigenen Server installieren können – gibt YouTube-Videos wider, blockiert aber Googles Cookies und Tracking und verhindert das Ausspielen von Werbung. Vor allem der zweite Punkt ist natürlich den YouTube-Betreibern ein Dorn im Auge, denn Werbung ist bekanntlich die Hauptfinanzierungsmethode des Konzerns.
Am 8. Juni postete ein Invidious-Projektmanager den Screenshot einer E-Mail[englisch], in der YouTubes Rechtsabteilung die Entwickler aufforderte, die Entwicklung und Veröffentlichung des Projekts einzustellen; sie gab Invidious sieben Tage Zeit, der Aufforderung nachzukommen. So etwas nennt sich auf Englisch »cease and desist letter« und kann nach Ablauf der Frist eine Klage nach sich ziehen. Da aber YouTubes E-Mail sich auf die Verwendung der API (Programmierschnittstelle) bezog, die Invidious laut ihren Entwicklern gar nicht verwendet, wurde das Schreiben ignoriert. Zu dem Zeitpunkt berichtete auch DER SPIEGEL darüber.
Im nächsten Schritt hat nun offensichtlich der Konzern begonnen, einzelne Invidious-Server zu blockieren[englisch], die dann eine Fehlermeldung ausgeben. Allerdings ist das Verfahren nicht allzu erfolgversprechend, da Invidious nicht von einem zentralen Server aus operiert, sondern – siehe oben – auf zahlreichen unabhängigen Servern installiert ist. Momentan scheint es ein Wettrennen zu geben; sobald ein Server blockiert wird, wird ein neuer installiert.
Ein weiteres Argument von YouTube ist allerdings weniger uneindeutig als die Frage der API-Nutzung: Einige der Invidious-Instanzen erlauben auch den Download von YouTube-Videos; da viele von diesen urheberrechtlich geschützt sind, ist solch ein Download häufig nicht legal. Dass dieser Aspekt juristisch mit Nachdruck verfolgt wird, zeigt unter anderem auch ein Verfahren, in dem die drei Major-Musikfirmen Sony Entertainment, Universal Music und Warner Music Group gegen den deutschen Web-Hoster Uberspace klagten, weil der die Website des YouTube-Download-Tools youtube-dl hostet – oder besser gesagt, gehostet hat, denn am 31. März verkündete das Landgericht Hamburg sein Urteil: Der Provider darf die Website nicht länger anbieten, wie heise online berichtete. Allerdings heißt es in dem Artikel auch: Es dürfte sich aber um einen Pyrrhussieg handeln, da Youtube-DL einfach auf einen anderen, in fernen Ländern liegenden Server umziehen könnte und das GitHub-Entwicklerverzeichnis weiter verfügbar ist. Das gilt umso mehr, als es neben Invidious und youtube-dl noch eine ganze Reihe weiterer, ähnlicher Projekte gibt.
Und der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass YouTube selbst es mit dem Urheberrecht gar nicht so genau nimmt: Im Jahre 2011, da gehörte der Video-Streamer längst zum Google-Konzern, blockierte die Firma lange Zeit eine Einigung über urheberrechtliche Vergütungen; schlicht gesagt, hatten die Amerikaner keine große Lust, der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA angemessene Tantiemen zu zahlen, wie ein damaliger Artikel auf heise online belegt. Die Hamburger Anwaltskanzlei Rasch schrieb 2015, Jahre später, in einem Beitrag über das damals umstrittene Portal Popcorn Time: YouTube beispielsweise war seit jeher kaum etwas anderes als ein Downloadportal. Und auch noch vor zwei Jahren bemühte sich Google/YouTube darum, von der sogenannten »Plattformhaftung« für (urheberrechtlich geschützte) Inhalte, die von Nutzern hochgeladen wurden (»User Uploaded Content«), befreit zu bleiben, wie der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) seinerzeit ausführte.
Da ist es doch wohl durchaus angebracht, von einer Doppelmoral des IT-Riesen im kalifornischen Mountain View zu sprechen. Und zu vermuten, dass es – wie so oft – hauptsächlich um eines geht: um Geld. Genauer: die durch Projekte wie Invidious entgangenen Werbeeinnahmen und die indirekt ebenfalls bare Münze bedeutenden Nutzerdaten.
UNO-Generalsekretär: KI braucht Regulierung
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Er bemühte einen Begriff aus dem Star-Trek-Universum: Mit Warp Speed entwickelten sich neue Technologien, und ebenso die Bedrohungen, die damit einhergehen, sagte António Guterres gestern bei der UN-Pressekonferenz.
Alarm bells over the latest form of artificial intelligence – generative AI – are deafening, die Alarmglocken anlässlich der jüngsten Form von KI seien ohrenbetäubend, fuhr er in seiner Rede[englisch] fort, womit er all jene Algorithmen meinte, die mittels einer Text-Eingabe – dem sogenannten »Prompt« – Bilder, Musik, Videos, Texte und vieles mehr erzeugen können. Die Warnungen seien am lautesten von denen, die sie geschaffen haben. Diese Wissenschaftler und Experten haben die Welt aufgefordert zu handeln und KI zu einer existenziellen Bedrohung für die Menschheit erklärt, im selben Maß wie das Risiko eines Atomkriegs. (Wir hatten berichtet.)
Interessant ist auch der nächste Absatz, der nicht auf eine abstrakte Bedrohung in der Zukunft verweist, sondern auflistet, welche Folgen der Umgang mit Computern, insbesondere in den Sozialen Medien, heute schon konkret hat:
Die Verbreitung von Hass und Lügen in der digitalen Sphäre richtet weltweit großen Schaden an – jetzt.
Sie befeuert Konflikte, Tod und Zerstörung – jetzt.
Sie bedroht die Demokratie und die Menschenrechte – jetzt.
Sie untergräbt das Gesundheitswesen und die Klimaschutzmaßnahmen – jetzt.
Um all diese komplexen Probleme anzugehen, wollen die UN auf mehreren Ebenen vorgehen; Guterres dazu: Der von uns vorgeschlagene Globale Digitale Pakt, die Neue Agenda für den Frieden und die Vereinbarung über die globale Steuerung der KI werden multilaterale Lösungen auf der Grundlage der Menschenrechte bieten.
Speziell für den Umgang mit Falschinformationen, Hass und anderen missbräuchlichen Anwendungen von Sozialen Medien schlägt er die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Informationsintegrität auf digitalen Plattformen vor.
Bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung all dieser Vorschläge und Ideen mit ähnlicher »Warp Speed« vonstatten geht wie die technologische Entwicklung.
KI gut? KI böse?! KI beides!
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Einerseits vollbringt sie Wunder, wie sie weiland Heiligen und Propheten vorbehalten war, andererseits droht sie die Menschheit auszurotten – mittlerweile bewegt sich die Einschätzung von Künstlicher Intelligenz zwischen solchen Extremen.
Anfang des vergangenen Jahres hatten wir über »The Link« berichtet, ein Projekt von Elon Musks Firma Neuralink, die Brain-Machine-Interfaces entwickelt, also Schnittstellen zwischen dem menschlichen Gehirn und Computersystemen. Die Richtung dabei ist vom Gehirn ins Gerät; in einem Experiment konnten Makaken ohne Joystick das Computer-Tischtennisspiel Pong spielen. Ganz aktuell geht’s sogar schon in beide Richtungen: vom Gehirn ins Gerät und von dort aus wieder in den Körper, genauer: zum Muskel. Ein vierzigjähriger Mann, dessen Rückenmark bei einem schweren Fahrradunfall verletzt wurde und der seitdem gelähmt ist, kann dank Künstlicher Intelligenz wieder gehen.
Mithilfe von Algorithmen, die auf adaptiven KI-Methoden basieren, können Bewegungsimpulse in Echtzeit aus Hirnmessungen dekodiert werden, zitiert ein aktueller Artikel aus Neuroscience News[englisch] einen der beteiligten Forscher*innen. Im Klartext: Ein elektronisches Implantat im Gehirn und ein weiteres am Rückenmark kommunizieren kabellos miteinander, wobei das Implantat am Rücken die Impulse aus dem Gehirn in Muskel-Aktivierungen übersetzt. Bemerkenswerterweise, so heißt es in dem Artikel, erlebte der Patient signifikante Verbesserung von Sinneswahrnehmungen und motorischen Fähigkeiten, selbst wenn das Interface ausgeschaltet war. Das Team hofft, die Anwendung der Technologie auf die Wiederherstellung von Arm- und Handfunktionen auszuweiten und Schlaganfallpatienten zu unterstützen.
Soweit, so gut – und nun zum »bösen« Teil: Mehrere hundert Wissenschaftler*innen und Tech-Spezialist*innen warnen in einem gemeinsamen Statement[englisch] vor der Auslöschung der Menschheit, verursacht von Künstlicher Intelligenz. Das Statement besteht aus nur einem Satz, den wir hier übersetzen wollen: Das Risiko des Aussterbens infolge von KI zu verringern, sollte neben anderen Risiken von gesellschaftlichem Ausmaß, wie Pandemien und Atomkrieg, eine globale Priorität sein. Überraschend daran ist zweierlei¹: erstens die Drastik natürlich – und andererseits der Kreis der Unterzeichner*innen. Unter ihnen sind nämlich erstaunlich viele führende Köpfe der IT-Branche, die sich selbst mit der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz beschäftigen und teilweise durchaus auch ein finanzielles Interesse daran haben.
Hier ein paar Namen: Demis Hassabis (CEO, Google DeepMind), Sam Altman (CEO, OpenAI), Dario Amodei (CEO, Anthropic), Ilya Sutskever (Mitgründer und Chief Scientist, OpenAI), Kevin Scott (CTO, Microsoft), Eric Horvitz (Chief Scientific Officer, Microsoft), zahlreiche weitere Google-Mitarbeiter, etliche Professoren, Taiwans Digitalministerin Audrey Tang, die Electro-Musikerin Grimes und nicht zuletzt, als Erstunterzeichner, die mit dem Turing Award ausgezeichneten KI-Forscher Geoffrey Hinton und Yoshua Bengio.
Sie alle sagen im Grunde nichts anderes als: Die KI-Branche und ihre Entwicklungen müssen genauestens beobachtet, kontrolliert und reguliert werden. Ein bisschen zynisch sei die Frage gestattet, warum sich nicht eben diese Menschen, die sozusagen »an der Quelle« sitzen, auf funktionierende Methoden der Selbstbeschränkung einigen können. Es klingt, mit Verlaub, ein wenig heuchlerisch zu konstatieren: Was wir hier machen, ist brandgefährlich, aber jetzt haben wir’s euch gesagt und machen damit einfach weiter wie bisher.
Ähnlich wirkte auch schon die Erklärung einer teilweise identisch besetzten Gruppe von Promintenten (einschließlich Elon Musk) und KI-Expert*innen aus dem März, in der sie eine sechsmonatige Traningspause für neue KI-Systeme forderten[englisch]. Oder wie die Warnung[englisch] von »KI-Godfather« Geoffrey Hinton (siehe oben), der Anfang Mai bei Google kündigte und direkt im Anschluss sagte:
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Art von [Künstlicher] Intelligenz, die wir entwickeln, sich sehr von der Intelligenz unterscheidet, die wir [selbst] besitzen. Wir sind biologische Systeme, jenes sind digitale Systeme. Und der große Unterschied besteht darin, dass es bei digitalen Systemen viele Kopien desselben Gewichtungssatzes, desselben Modells der Welt gibt. Und all diese Kopien können getrennt voneinander lernen, aber ihr Wissen sofort weitergeben. Es ist also so, als hätte man 10 000 Menschen, und wenn eine Person etwas lernt, wissen es automatisch alle. Und so können diese Chatbots so viel mehr wissen als ein einzelner Mensch.
¹ Vielleicht drittens auch noch überraschend, dass die Klimakatastrophe hier nicht mit genannt wird, die für viele an oberster Stelle der Liste potentieller Gründe fürs Aussterben steht.
Solarenergie: Luft nach oben
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Einen Schritt vor, zwei zurück – so könnte man die Vorgehensweise der deutschen Politik in Sachen »Erneuerbare« beschreiben. Unabhängig von politischer Großwetterlage wird allerdings weiter geforscht. Mit spannenden Ergebnissen!
Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurden mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zwar Förderprogramme für Solarenergie aufgelegt, 2010 aber viele wieder gekürzt. 2021 ist der Anteil konventioneller Energieträger laut Statistischem Bundesamt deutlich gestiegen (Kohle war in dem Jahr der wichtigste Energielieferant), und der Ausbau der Windkraft geht seit 2017 stetig zurück, wie die Tagesschau berichtet. Momentan gibt es einen neuen Schub, da das EEG in seiner neuen Fassung seit Januar 2023 gültig ist, wie die verbraucherzentrale erklärt.
Da kommen neue Forschungsergebnisse gerade recht: Die Technische Universität der südholländischen Stadt Delft meldet[englisch], dass Wissenschaftler einer chinesischen Tech-Firma die Effizienz von Solarzellen um über 25 % gesteigert haben. Und zwar, das ist besonders beeindruckend, unter Verwendung derselben Materialien, aus denen auch 95 % aller momentan im Einsatz befindlichen Zellen hergestellt werden. Das Modelling, das diese Effizienzsteigerung ermöglicht hat, kam aus Delft.
Und vielleicht sogar noch beeindruckender ist die Meldung aus The Brighter Side of News[englisch], dass neuartige Solarzellen bis zu 1000-fach erhöhte Effizienz haben könnten. Das neue Material ist nahezu unsichtbar und kann daher auch auf Fenstern, Windschutzscheiben oder – wie der Artikel schreibt – menschlicher Haut aufgebracht werden.
Der Artikel zitiert einen der Autoren der Studie, Toshiaki Kato von der nordjapanischen Tohoku University, mit den Worten: Die Art, wie wir die Solarzellen geformt haben, resultierte in einer Energieumwandlungs-Effizienz 1000 mal höher als die von Geräten, die die üblichen ITO-Elektroden verwenden. In technische Details zu gehen, würde hier zu weit führen, aber die Vorstellung von elektrischen Fahrzeugen, deren Fenster die Energie erzeugen, die sie benötigen, ist natürlich ausgesprochen überzeugend …
Apple in Erklärungsnot
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Eine Firma, die Geräte verkauft, die ein Leben lang halten und, wenn sie denn doch mal kaputt gehen, leicht zu reparieren sind – solch eine Firma hat keinen ausgeprägten Geschäftssinn. So sieht es zumindest der kapitalistisch ausgerichtete Markt. Schließlich ist dessen Maxime die vom ewigen Wachstum. Also bauen Hersteller lieber Dinge, die nach ein, zwei Jahren kaputtgehen. Der Apple-Konzern steht deswegen jetzt im Visier der französischen Behörden.
In unserer Serie »Zu kaputtbar« hatten wir im vergangenen Jahr schon einmal die sogenannte »geplante Obsoleszenz« unter die Lupe genommen. Wir zitierten damals das Magazin CHIP mit einem Artikel aus dem Oktober 2017: Die geplante Obsoleszenz ist eine Produktstrategie, die bewusst Schwachstellen in ein Produkt einbaut. (…) Nachweisbar ist die geplante Obsoleszenz leider nicht. Die Konzepte sind ausgeklügelt und so gestrickt, dass eine Abgrenzung zum normalen Verschleiß nicht möglich ist.
Wie das Magazin DER SPIEGEL nun kürzlich berichtete, hat die Pariser Staatsanwaltschaft schon im vergangenen Dezember Ermittlungen gegen Apple wegen irreführender Geschäftspraktiken und geplanter Obsoleszenz eingeleitet. Konkret wirft die französische Verbraucherschutzorganisation Hop dem Multi-Milliarden-Konzern vor, die iPhone-Reparatur durch nicht autorisierte Werkstätten einzuschränken. Und zwar, indem er Seriennummern von iPhones mit den Seriennummern der darin enthaltenen Einzelteile verknüpft. DER SPIEGEL zitiert Hop: Damit erhalte Apple die Möglichkeit, iPhone-Reparaturen durch nicht autorisierte Werkstätten einzuschränken – oder Smartphones, die nicht mit Originalersatzteilen repariert wurden, aus der Ferne zu beschädigen.
Die Verbraucherschutzorganisation will erreichen, dass Apple den Käufern das Recht auf Reparatur der Geräte garantieren muss. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn immerhin hat das EU-Parlament schon im Spätherbst 2020 beschlossen: Im Interesse der Nachhaltigkeit müssen Produkte reparierbar sein, damit sie so lange wie möglich auf dem Markt bleiben können. (Quelle: ORF.) Wir werden sehen, wie ernst es die Politik mit dieser Forderung tatsächlich meint; immerhin ist das eingeleitete Verfahren der französischen Staatsanwaltschaft ein Schritt in die richtige Richtung.
Artificial Intelligence Act
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Eigentlich wäre es richtiger, vom dritten Akt zu sprechen – denn der »AI Act« stammt ursprünglich vom 21. April 2021, und er war die Konsequenz aus zwei Papieren der EU-Kommission von 2018, die an das EU-Parlament adressiert waren. Jetzt aber ist der »Artificial Intelligence Act« endlich von den EU-Abgeordneten abgenickt worden.
Am 25. April 2018 veröffentlichte die Kommission ihre Mitteilung an das Parlament mit dem Titel »Künstliche Intelligenz für Europa«, in der auch die Gewährleistung eines geeigneten ethischen und rechtlichen Rahmens angemahnt wurde. Am 7. Dezember ’18 legte die EU-Kommission dann mit einer weiteren Mitteilung nach, betitelt »Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz«. Beide Papiere behandeln umfangreich die Konzepte für künftige Nutzung von KI, Infrastruktur, Ausbildungsförderung, Hardware-Entwicklung und vieles mehr; auch im zweiten Dokument wird die Aufstellung von Ethik-Leitlinien mit globaler Perspektive und Schaffung eines innovationsfreundlichen Rechtsrahmens thematisiert.
Am 21.4.2021, vor etwas mehr als zwei Jahren also, wurde dann ein – Achtung, Behördensprech! – »Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz (Gesetz über Künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union« vorgelegt. Und diesem Vorschlag haben Abgeordnete des EU-Parlaments im Binnenmarkt- und Innenausschuss gestern grundsätzlich zugestimmt, so dass er nun in die nächste Verfahrensstufe weitergeleitet werden kann, wie DER SPIEGEL schreibt.
Die Wikipedia fasst die Verordnung so zusammen: KI-Technologien werden demnach in verschiedene Kategorien zwischen kein Risiko und hohes Risiko sortiert und daran verschiedene Compliance- und Informationspflichten gekoppelt. Technologien mit einem nicht akzeptablen Risiko wie Social Scoring oder Teile von biometrischer Videoüberwachung und subtiler Verhaltensbeeinflussung sollen komplett verboten werden.
Auch das Rechts-Magazin National Law Review schreibt[englisch], zwar sei der endgültige Gesetzestext noch Gegenstand intensiver Verhandlungen zwischen EU-Kommission, -Rat und -Parlament, aber: Es ist jedoch klar, dass von Organisationen erwartet wird, dass sie erklären können, wie ihr Einsatz von KI funktioniert, und dass sie beim Erstellen angemessener Aufzeichnungen über Datensätze, Entscheidungen, Strategien und Protokolle im Zusammenhang mit dem Output von KI Transparenz zeigen.
Es gibt allerdings nicht wenige, denen die gestern bestätigte Verordnung längst nicht weit genug geht. Schon 2021 hatte Dr. Benedikt Kohn, Technologie-Experte der Anwaltskanzlei Taylor Wessing, geschrieben, dass in dem Entwurf nur ein Minimalkonsens an Regulierung umgesetzt wurde. Bürgerrechtler*innen etwa bemängelten, dass eine automatische Erkennung sensibler Merkmale wie Geschlecht, Sexualität und Herkunft untersagt werden und das Verbot der Fernerkennung, das derzeit nur Echtzeit-Fernerkennungssysteme erfasse und zahlreiche Ausnahmen vorsehe, deutlich verschärft werden müsse.
In sofern ist also das grüne Licht für den Entwurf ein richtiger und wichtiger Schritt, aber er hat womöglich schon zu lange gebraucht und ist allem Anschein nach nicht groß und entschlossen genug.
Ist das echt — oder KI?
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Seit im vergangenen Jahr das »AI Race« begann, seit also KI-Anwendungen für alle zugänglich gemacht wurden und zugleich ein Rennen der Anbieter um den »heißesten Scheiß« begann, wurde damit auch eine vermutlich unaufhaltsame Veränderung der Wirklichkeit losgetreten. Aktuell gibt es neue Beispiele.
Seit zehn Jahren hört man nichts mehr vom Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher, der damals durch einen Ski-Unfall schwer verletzt wurde. Da ist natürlich eine Schlagzeile wie Michael Schumacher, das erste Interview eine mittlere Sensation. So titelte die jüngste Ausgabe der Yellow-Press-Zeitschrift »Die Aktuelle« – aber das sogenannte »Interview« ist tatsächlich ein KI-generierter Text. Schumachers Familie will gegen das Wochenmagazin rechtliche Schritte einleiten, berichtet der SPIEGEL.
Seit knapp einer Woche geistert ein neuer Song durchs Internet, eine Kollaboration von Rapper Drake und Sänger The Weeknd – die allerdings gar keine ist, sondern mithilfe einer KI entstand. Keiner der beiden hat auch nur eine Silbe zu dem Track beigetragen, aber mittlerweile ist die Stimmen nachahmende KI schon so weit, dass Fans der beiden Stars die Single feiern, als wäre es ein Original. Die Universal Music Group (UMG), die beide Künstler unter Vertrag hat, forderte Social-Media- und Streamingplattformen auf, den Titel zu löschen, was diese auch taten – aber bekanntlich vergisst das Netz nicht. Und so haben inzwischen zahlreiche weitere Nutzer den Song erneut hochgeladen. Auch jetzt noch wird man mit einer YouTube- oder TikTok-Suche nach »heart on my sleeve« schnell fündig.
Nicht zu unrecht betitelte SPIEGEL-Autor Patrick Beuth seinen Newsletter zu dem Thema mit der Frage: Sind Musiker nur noch Stimmenlieferanten? So wie visuelle Künstler zu Lieferanten von Trainingsmaterial für KI-Grafikanwendungen werden, oder besser gesagt: längst geworden sind (wir hatten das Thema hier kürzlich schon mal. Und wer keine Schwierigkeiten hat, amerikanischen Slang zu verstehen, mag sich vielleicht das Reaction-Video der Darkskin Saviors ansehen, die sehr unterhaltsam die Zerrissenheit wiedergeben, die vermutlich gerade viele Menschen bewegt: It’s cool, but it’s not right, bro!
Unterm Strich verstärkt sich der Eindruck zunehmend, dass KI in – momentan noch – unüberschaubar viele Bereiche eingreifen und unsere Wahrnehmung verändern wird. Man könnte sagen: Nie war es leichter, Fake zu erzeugen. Nicht nur mittels Texten und Bildern, sondern auch Musik und sogar Videos werden uns immer mehr Inhalte vorgesetzt werden, die nicht in der Realität verankert sind, sondern frei erfunden. In sofern steht unsere gesamte Orientierung in der Welt auf dem Spiel, denn bislang waren wir es für Jahrtausende gewohnt, dem, was wir sehen und hören können, zu glauben. Diese Zeiten sind vorbei.
Hier noch ein weiterführender Link: Tristan Harris und Aza Raskin vom Center for Humane Technology erörtern in einem einstündigen (englischsprachigen) Vortrag die Gefahren, die von der rasanten Entwicklung der KI-Technologie ausgehen. Gleich zu Beginn zitieren sie ein Studienergebnis: 50 % der KI-Forscher glauben, es gebe eine mindestens 10-prozentige Chance, dass Menschen durch unsere Unfähigkeit, KI zu kontrollieren, aussterben werden.
Stop ChatGPT! (Für 6 Monate.)
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Gute Idee? Oder eher doch nicht so? Oder lieber ganz anders? Nachdem vergangene Woche zahlreiche Wissenschaftler, Firmenchefs und Computerexperten in einem offenen Brief gefordert hatten, das Training von KI-Systemen zu pausieren, ist darüber eine intensive Debatte entbrannt. Hier ein kleiner Überblick.
Der offene Brief, der mit einer Petition einhergeht[englisch], listet als Erstunterzeichner so prominente Figuren wie den Apple-Mitgründer Steve Wozniak, den Schriftsteller und Historiker Yuval Noah Harari, den US-Politiker und Unternehmer Andrew Yang, den SpaceX-, Tesla- und Twitter-Boss Elon Musk auf – und mit Emad Mostaque sogar mindestens einen CEO eines KI-Unternehmens, nämlich Stability AI, deren Text-to-Image-Algorithmus Stable Diffusion zu den aktuellen Schlagzeilen-Lieferanten gehört.
In der Einleitung des Briefes wird ein Satz aus den »AI Principles« zitiert, die 2017 bei der Asilomar Conference on Beneficial AI[englisch] formuliert wurden: Fortgeschrittene KI könnte einen grundlegenden Wandel in der Geschichte des Lebens auf der Erde darstellen und sollte mit entsprechender Sorgfalt und mit angemessenen Mitteln geplant und gehandhabt werden.
Allerdings, so beklagt der offene Brief, finde dieses Maß an Planung und Management (…) nicht statt, obwohl die KI-Labors in den letzten Monaten in einen unkontrollierten Wettlauf um die Entwicklung und den Einsatz immer leistungsfähigerer digitaler Intelligenzen verwickelt waren, die niemand – nicht einmal ihre Erfinder – verstehen, vorhersagen oder zuverlässig kontrollieren kann.
Die alte Angst des Menschen also vor den Kreaturen, die er geschaffen hat und die ihn nun überwältigen und beherrschen – wie sie von der Golem-Erzählung über die »Terminator«-Reihe bis zur Science-Fction-Serie »Battlestar Galactica« (um nur ein paar wenige der zahllosen Beispiele zu nennen) immer wieder hervorbricht?
Oder doch eher ein schäbiges und leicht zu durchschauendes Manöver, das die öffentliche Aufmerksamkeit von den aktuell längst existierenden Problemen mit bereits betriebener Künstlicher Intelligenz ablenken soll? Immerhin lautet die Forderung des offenen Briefes ja nur, das Training von KI-Systemen, die leistungsfähiger sind als GPT-4, also die gerade erst veröffentlichte Version, zu pausieren. Umgekehrt heißt das ja wohl, dass alles, was jetzt bereits läuft, einschließch der Vierer-Programmversion, ruhig weiterlaufen soll und schon irgendwie okay ist.
Ist es aber nicht. Streckenweise lustig und oft relativ harmlos (»relativ«, wohlgemerkt!) sind die Fehler und Unsauberkeiten, die durch den KI-Wettlauf hintenüber fallen und die DER SPIEGEL vorvergangene Woche thematisierte und mit einem Originalsatz von Bing betitelte: Erstellen Bilder ab Wörter mit KI. Wesentlich ernster ist da schon eine Beschwerde, die das Center for AI and Digital Policy (CAIDP) direkt im Anschluss an den offenen Brief bei der Federal Trade Commission (FTC) eingereicht hat; in seiner Begründung schreibt es zum aktuellen GPT-4, es sei einseitig, irreführend und ein Risiko für die öffentliche Sicherheit. Die Tech-News-Website The Verge berichtet[englisch] und schreibt: GPT-4 könnte bösartigen Code und hochgradig maßgeschneiderte Propaganda produzieren, und voreingenommene Trainingsdaten könnten zu eingebrannten Stereotypen oder unfairen rassistischen und geschlechtsspezifischen Präferenzen bei zum Beispiel Job-Einstellungsverfahren führen.
Die italienische Datenschutzbehörde, also im Grunde die Regierung unserer südlichen Nachbarn, hat ein Verfahren gegen OpenAI, die Firma hinter ChatGPT, eingeleitet, berichtet DER SPIEGEL. Sie hat dem Unternehmen verboten, weiter Daten italienischer Nutzer zu erheben, und bemängelt auch fehlenden Jugendschutz. Zwanzig Tage haben die Amerikaner Zeit nachzubessern. Es fehlt die Rechtsgrundlage für eine massenhafte Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten, um die dem Betrieb der Plattform zugrunde liegenden Algorithmen zu trainieren, zitiert das Magazin die Behörde.
Und dann gibt es noch eine wesentlich grundsätzlichere Ansicht: Der offene Brief sei irreführend und ignoriert die wahren Risiken. Das schreibt der Newsletter AI Snake Oil[englisch] der beiden Autoren Sayash Kapoor und Arvind Narayanan. Wir stimmen zu, dass Fehlinformationen, der Einfluss auf Arbeitsbedingungen und die Sicherheit drei der Hauptrisiken von KI sind. Leider präsentiert der Brief in all diesen Fällen aber ein spekulatives zukünftiges Risiko und ignoriert die Version des Problems, die den Menschen bereits schadet. Und, schlimmer noch: Er lenkt von den tatsächlichen Problemen ab und macht es schwerer, sie anzugehen.
Übrigens hat Midjourney inzwischen die kostenlose Nutzung schon eingestellt. Offziell wegen Missbrauchs und vieler Wegwerfkonten, wie DER SPIEGEL berichtet: Vergangenes Wochenende verbreitete sich ein Bild von Papst Franziskus in einer Street-Fashion-Jacke, das zahlreiche Social-Media-Nutzer zunächst für ein echtes Foto hielten. Auch ein viel beachtetes Fake-Bild einer vermeintlichen Festnahme Donald Trumps wurde mithilfe von Midjourney erstellt. Jetzt kostet es mindestens zehn Dollar pro Monat, weiter solche Fake-News zu erstellen – was Menschen mit einem starken Interesse daran, anderen zu schaden oder zum Beispiel Wahlergebnisse zu beeinflussen, allerdings wohl kaum davon abhalten dürfte …
»New« Media, quo vadis?
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In den Nullerjahren nannte man die Abteilungen, die in vielen Firmen in aller Eile hochgezogen wurden und die alle »irgendwas mit Computer« machten, »New Media« (oder, etwas biederer, »Neue Medien«). Wie haben sich diese inzwischen ja nicht mehr wirklich neuen Medien entwickelt? Haben sie das Versprechen von alle Grenzen überwindender Kommunikation und globaler Wissensverbreitung eingelöst?
Die kurze Antwort vorweg: Es sieht nicht so aus. Wer auf mehr Demokratisierung und zunehmende Offenheit gehofft hatte, dürfte momentan eher enttäuscht sein. Jüngstes Beispiel in einer langen Reihe von nicht unbedingt demokratiefördernden Maßnahmen: Gestern setzte der Chef von Twitter, der Multimilliardär und Mars-Auswanderer Elon Musk, diesen Tweet ab: press@twitter.com now auto responds with 💩. Und wenn das auch infantiles Kindergartenniveau ist, so ist es zugleich ein Zeichen: »Die Presse« nervt doch sowieso nur. Zu den ersten Antworten auf den Tweet gehörte denn auch: EXACTLY what they deserve.
Wir erinnern uns: Die in Demokratien übliche und essenzielle Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative wird für gewöhnlich um den Begriff der Massenmedien als »Vierte Gewalt« ergänzt, die eine Kontrollfunktion über die drei Staatsgewalten ausübt, um Machtmissbrauch zu verhindern, wie die Wikipedia schreibt. Nicht zuletzt die »Neuen Medien« – oder genauer gesagt, die sogenannten Sozialen Medien – haben dazu beigetragen, dass die klassischen Massenmedien TV, Radio und Print zunächst Einfluss und mittlerweile auch ihr Renommee verloren haben. In »Querdenker«- und anderen antidemokratischen Kreisen (Pegida, Wut- und Reichsbürger, Hooligans, um nur einige zu nennen) wurde der aus dem 19. Jahrhundert stammende Begriff der »Lügenpresse« wiederbelebt; ähnliche Tendenzen gibt es in vielen anderen Ländern auch.
Inzwischen informieren sich viele Menschen nur noch über Social-Media-Kanäle, vor allem bei Jugendlichen gewinnt dabei TikTok zunehmend an Bedeutung. Die großen Sozialen Medien (Facebook, Instagram, YouTube, Twitter …) sind allerdings vor allem eines: Wirtschaftsunternehmen. Ihr Geschäftsmodell ist es, Menschen möglichst lange auf der eigenen Plattform zu halten, damit sie viel Werbung sehen. Nüchterne, sachliche Berichterstattung ist dafür wesentlich weniger gut geeignet, als es skandalträchtige Sensationsmeldungen sind. Clickbaiting funktioniert über Aufregung, Empörung, Verkürzung; je drastischer ein Post formuliert ist, desto besser. Dass dabei neutraler, sachorientierter Journalismus auf der Strecke bleibt, versteht sich fast von selbst.
Hinzu kommt: In zahlreichen Skandalen, von Microsofts 2016 spektakulär gescheitertem Twitter-Chatbot Tay, der schon nach kürzester Zeit begann, sexistische, rassistische und extremistische Tweets abzusetzen und nach nur sechzehn Stunden abgeschaltet werden musste, über die US-Wahlbeeinflussung durch Cambridge Analytica bis zur momentan wieder verstärkten, massiven russischen Propaganda durch unzählige automatisierte, von der Regierung gesteuerte Bots (die sogenannte »Troll-Armee«) hat sich immer wieder gezeigt, dass viele private wie auch staatliche Akteure Digitaltechnik nutzen, um ihre eigene Agenda zu verfolgen. Die Algorithmen der Sozialen Medien sind ihnen dabei ausgesprochen nützlich, und die Portal-Betreiber wie Meta, Google und auch Twitter tun sich oft schwer damit, selbst offensichtlich falsche oder regelwidrige Posts zu sperren.
Was, wenn man es zynisch betrachten will, vielleicht auch gar kein großes Wunder ist, sind doch Silicon-Valley-Gründer oftmals trotz aller liberalen Eigenwerbung nicht unbedingt die größten Befürworter staatlich-demokratischer Kontrollen: Musk gab 2022 bekannt, er werde in Zukunft die (inzwischen weit rechtsaußen verorteten) Republikaner wählen, bezeichnete die Maßnahmen gegen COVID-19 als faschistisch und nannte die »Woke-Kultur« ein Virus, das versucht, die Zivilisation zu zerstören (Wikipedia). Peter Thiel, deutschstämmiger US-Milliardär, PayPal-Gründer und Mitbegründer der umstrittenen Palantir Technologies, deren Big-Data-Produkte zuletzt im Skandal um Hessen-Data unangenehm auffielen (wir berichteten), hält Freiheit und Demokratie für unvereinbar, befürwortet Monopole, findet, dass Firmen über Staaten stünden und steht dem Frauenwahlrecht kritisch gegenüber (Wikipedia). Und Mark Zuckerberg sprach sich noch 2018 dagegen aus, bei Facebook Holocaust-Leugnungen zu löschen; zwar erklärte er 2020, seine Meinung dazu geändert zu haben, weigerte sich dann aber, den Account des rechtsradikalen Publizisten Steve Bannon zu sperren (Wikipedia).
In diese ideologische Ausrichtung passt ein Kothaufen für die freie Presse leider allzu gut hinein.
Biobots – The Next Big Thing?
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Je weiter – und ja, auch schneller – sich Wissenschaft und Forschung entwickeln, desto deutlicher wird aus Science Fiction Science Fact. Aus den vergangenen wenigen Jahren gibt es dazu eine ganze Reihe von Beispielen, und ein noch junges Forschungsfeld geht da besonders weit.
Voll-roboterisierte Fabriken, selbstfahrende Autos, hyperrealistische 3-D-Simulationen – das ist ja alles fast schon Schnee von gestern. Und nachdem Roboter schon viele Arbeiter-Jobs übernommen haben, droht Künstliche Intelligenz allmählich auch Büro- und sogar kreative Berufe zu ersetzen. Jetzt aber bekommen umgekehrt Maschinen biologische Eigenschaften. Allerdings zunächst mal ganz, ganz kleine Maschinen: Als Biobots bezeichnet man im Allgemeinen Roboter unterschiedlichster Größenordnung, welche zu einem gewissen Teil biologischer Natur sind, schreibt das Fraunhofer Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen (INT) in seinem aktuellen Newsletter. Von allen denkbaren Ansätzen haben jene im Mikromaßstab (also 100 µm bis wenige Zentimeter) einen relativ weit fortgeschrittenen (Entwicklungs-)Status.
Ein Anwendungsbeispiel gab schon vor knapp dreieinhalb Jahren Elizabeth Montalbano für das Ingenieursmagazin Design News: Medizinische Behandlung und Diagnose der nächsten Generation werden wahrscheinlich winzige Roboter einschließen, die das innere des menschlichen Körpers erforschen und dort vorgegebene Aufgaben ausführen können. Und weiter: Forscher an der Universität von Illinois haben weiche, biologische Roboter entwickelt, die sich mithilfe von durch Licht stimuliertem, neuromuskulärem Gewebe selbständig bewegen und über Intelligenz, Erinnerung und Lernfähigkeit verfügen.
Das klingt sehr nach Science Fiction, oder? Intelligente, lernfähige Mini-Maschinen, die unseren Blutstrom durchstreifen auf der Suche nach Krankheitserregern, bösartigen Zellen und anderen ungewollten Störenfrieden – da werden sich sicherlich die Geister scheiden zwischen begeisterten oder staunenden Fortschrittsfreund*innen und besorgten, vielleicht sogar ängstlichen Mahner*innen. Nüchtern und möglichst emotionslos betrachtet, ist der Einsatz dieser neuartigen Technologie allerdings für viele nützliche Anwendungen denkbar. Zum Beispiel verwendet die US-Firma Biobot Analytics – um die Biologin Mariana Matus und die Architektin Newsha Ghaeli – Nanopartikel mit biologischen und mechanisch-automatischen Eigenschaften für epidemiologische Abwasseranalyse, aktuell vor allem für den Nachweis von SARS-CoV-2-Viren.
Der oben schon verlinkte Newsletter des INT nennt weitere Einsatzbereiche für Biobots: Unter anderem könnten sie radioaktive bzw. toxische Kontaminationen in verseuchten Gegenden detektieren oder bei der Reinigung der Meere von Mikroplastik unterstützen. Sofern der Grundaufbau auf menschlichen Zellen beruht, kämen auch Anwendungen im medizinischen Bereich in Frage, da eine höhere Immunverträglichkeit gegeben wäre. So ließen sich Mikroroboter aus körpereigenen Zellen als Transportvehikel nutzen, um gezielt Medikamente abgeben zu können oder um körperinterne Instandhaltungsaufgaben (z. B. Reinigung verkalkter Arterien usw.) beim Menschen durchzuführen.
Kritiker mahnen gelegentlich, dass sich die Menschheit mit der Erfindung solch neuartiger Wesen als Gottheit aufspiele; seit dem Mittelalter zum Beispiel mit der Golem-Legende ein immer wieder aufkommender Kritikpunkt. Und auch das INT ist in seiner Bewertung vorsichtig: Trotz aller sich eröffnenden Möglichkeiten steht jedoch weiterhin die ungeklärte ethische Fragestellung im Raum, ob es sich bei Biobots noch um Roboter bzw. Maschinen oder eine gänzlich neue Form von künstlich geschaffener Existenz handelt.
Ähnlich wie bei Künstlicher Intelligenz, die wir ja kürzlich schon eingehender unter die Lupe genommen haben, ist also auch bei Biobots eine wichtige Frage, wie Gesellschaften auf die neue Technologie reagieren – ob es frühzeitig gesetzliche Regulierungen und sozio-psychologisch-ethische Debatten geben wird oder wir, wie seinerzeit Goethes Zauberlehrling, eines Tages rufen werden: Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!
Smartphones ohne Googles Android oder Apples iOS – geht das?
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Im Sommer 2019 versuchte der (inzwischen verstorbene) britische Tech-Journalist Jack Schofield für The Guardian, eine Leserfrage zu beantworten, nämlich: Gibt es irgendwelche Smartphones, die zu 100 % frei sind von Google- oder Apple-Software und -Hardware? Er antwortete mit mehreren Windows-Empfehlungen und schließlich der Feststellung: Das ist offensichtlich nicht die Lösung, die du suchst. Wie lässt sich die Frage heute beantworten, fast vier Jahre später?
Im selben englischsprachigen Artikel sprach Jack ein wesentliches Problem gleich selbst an: Die meisten Leute – mich eingeschlossen – wollen Google-Dinge auf ihren Telefonen haben. Gmail ist der dominierende E-Mail-Service, YouTube der dominierende Video-Provider, Google Search und Google Maps sind sehr nützlich, und Google Chrome ist der am weitesten verbreitete Webbrowser. Für ein »Google-freies Leben« müssten also fast alle Menschen erst einmal ihre Internet-Gewohnheiten völlig umstellen. Aber dann gäbe es ja immer noch das Problem des Betriebssystems: Android stammt von Google, und iOS von Apple. Und beide interessieren sich brennend für die Benutzerdaten, schon bevor irgendeine App installiert ist.
Die gute Nachricht: Da gibt es Alternativen. Aber wie leicht ist der Wechsel?
Zumindest für iPhones ist die Antwort: Nicht leicht. Alles andere als leicht. Möglich, ja. Einfach? Nope. Mit einem sogenannten iOS-Jailbreak lassen sich zwar immerhin auch Apps installieren, die im offiziellen App-Store nicht zu haben sind. Aber ein ganz anderes Betriebssystem – damit ist die Firma aus Cupertino nicht einverstanden. Offenbar gibt es immerhin seit einiger Zeit eine Initiative namens Project Sandcastle, die es erlaubt, Android auf dem iPhone zu installieren. Aber das Prozedere ist, um es mal englisch auszudrücken, not for the faint of heart.
Für Android sieht die Sache allerdings schon anders aus; ohne Anspruch auf Vollständigkeit haben wir uns einige Ideen mal etwas genauer angesehen. Da wäre zum Beispiel das /e/-Projekt, dessen Claim lautet: Your data is YOUR data! We build desirable, open source, privacy-enabled smartphone operating systems. Es erlaubt den Download eines von allen Google-Verbindungen befreiten Android-Betriebssystems, schlicht /e/OS genannt, und bietet zugleich auch Smartphones mit vorinstalliertem /e/ an. Der YouTube-Kanal The Linux Experiment hat 2020 ein solches ausprobiert; das Video dazu haben wir hier über einen Proxyserver verlinkt, so dass Google nicht spionieren kann: invidious.snopyta.org/watch?v=C9fFiaGv2WA (der Proxy wird von Invidious entwickelt; wer will, kann ihn auf dem eigenen Server installieren).
Inzwischen stellt die /e/ Foundation offensichtlich eigene Smartphones her, die sich Murena nennen. Das /e/OS ist ein Abkömmling des mobilen Linux-Betriebssystems LineageOS, und neben den Murena-Phones, die die /e/ Foundation selbst verkauft, wird in dem obigen Video auch die Option erwähnt, das Fairphone 3 werde auf Wunsch mit /e/ ausgeliefert – das gilt allerdings für das aktuelle Fairphone 4 leider nicht mehr. Da müsste man den Weg gehen, /e/OS herunterzuladen und selbst zu installieren, was wohl die wenigsten wagen.
Ein anderer Anbieter von Google-freien Android-Smartphones ist die deutsche Firma Volla. Ihr Betriebssystem heißt Volla OS; es ist zwar auf Android-Basis entwickelt worden, aber nicht Open Source. Alternativ bietet Volla auch ein vorinstalliertes Ubuntu Touch an, das wiederum von der extrem verbreiteten und sehr stabilen Linux-Distribution Ubuntu abstammt und daher vollständig Open Source ist.
Schließlich (und durchaus im Sinne von »last, but not least«!) sei noch das PinePhone erwähnt, das von Pine64 entwickelt wird, einer FOSS-Entwicklergruppe. Es bietet noch mehr Freiheit als die beiden zuvor beschriebenen, denn es erlaubt die Installation einer ganzen Reihe von Betriebssystemen; ausgeliefert wird es momentan standardmäßig mit dem Manjaro-OS plus Plasma-Desktop, was ebenso solide wie moderne und optisch ansprechende Software bedeutet. Im Sinne des Datenschutzes und der Open-Source-Treue ist das PinePhone daher wahrscheinlich sogar erste Wahl. Ob es damit den Geschmack einer großen Zahl von Nutzern trifft, lässt sich schon schwerer beurteilen.
Es gibt natürlich noch eine ganz andere Möglichkeit, die hier nicht unerwähnt bleiben soll: Wir können – so revolutionär sich das heute auch anhören mag – ganz ohne Smartphones existieren! Auch dazu gibt es ein ausgesprochen sehenswertes Video mit dem Titel The Anti-Smartphone Revolution.
Und als Bekräftigung, warum es durchaus sinnvoll sein kann, sich aus der Umklammerung der datengierigen Tech-Konzerne zu befreien, hier die drei Laws of Computing von Jack Schofield:
Never put data into a program unless you can see exactly how to get it out
Data doesn’t really exist unless you have two copies of it
The easier it is for you to access your data, the easier it is for someone else to access your data
Grob übersetzt:
Gib nie Daten in ein Programm ein, wenn du nicht weißt, wie du sie wieder rausbekommst
Daten existieren eigentlich nicht, so lange du keine zwei Kopien von ihnen hast
Je leichter es für dich ist, auf deine Daten zuzugreifen, desto leichter ist es auch für andere
Vor allem der letzte Punkt sollte ein starkes Argument gegen Bequemlichkeit sein – ist es aber offensichtlich nicht, wenn man sich ansieht, wie verbreitet sie immer noch ist :(
SMS-2FA: Nicht mehr für lau, nur noch für Blau
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Ob das so eine gute Idee ist? Ab Mitte März kostet die SMS-basierte Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) für den Twitter-Zugang Geld. Oder anders gesagt: Nur noch »Twitter-Blue«-Kund*innen können ihren Account mit einem zusätzlichen, per SMS verschickten Code absichern.
Wer nicht bis zum 19.3. die Authentifizierungsmethode geändert hat (oder Blue-Kund*in geworden ist natürlich), verliert den Kontozugang, berichtete DER SPIEGEL am Samstag und zitierte einen Tweet von Jens Zimmermann, dem digitalpolitischen Sprecher der SPD: Das ist eine vollkommen verantwortungslose Aktion. Der Grund für die Umstellung soll sein, dass Twitter jährlich 60 Millionen Dollar durch betrügerische SMS verliere, weil Telekommunikationsunternehmen Roboterkonten benutzt haben, um 2FA-SMS zu pumpen – was auch immer Musks Vasallen damit meinen.
Möglich, dass sich die Firma mit dieser Maßnahme selbst ins Knie schießt, denn es ist nicht zu erwarten, dass plötzlich alle, die bislang 2FA genutzt haben, zu zahlen bereit sind. Und je mehr Konten mit unsicherem Zugang auf Twitter-Servern liegen, desto größer natürlich auch die Gefahr, dass sich Unbefugte einloggen.
Es gibt allerdings Alternativen – auch wer nicht Blue-Kund*in ist, kann weiterhin 2FA nutzen, entweder mit einer Smartphone-App oder einem USB- oder Bluetooth-Sicherheitsschlüssel. Die Twitter-Hilfeseiten zu dem Thema sind gut strukturiert und überraschend verständlich. Aber nicht vergessen: Das muss bis zum 19. März passiert sein, sonst wird das Konto gesperrt.
Hessen-Data verfassungswidrig
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Deutschland bleibt seinem Ruf als eines der Länder treu, die die Themen Datenschutz, Privatsphäre und Persönlichkeitsrecht am – vergleichsweise – weitesten oben auf der Agenda stehen haben.
Gehörte das Land schon in Sachen Chatkontrolle zum Kreis der Mahner, so ist jetzt sogar das Bundesverfassungsgericht aktiv geworden: Mit einer heutigen Urteilsverkündung schränkte es den Einsatz von Polizei-Software stark ein, wie DER SPIEGEL berichtet.
Das Thema steht schon länger auf der Tagesordnung: Hessen setzt Algorithmen der umstrittenen US-Firma Palantir ein, genauer, deren Produkt »Gotham« (ja, das heißt wirklich so!) – was dem Innenminister des Bundeslandes Peter Beuth einen Big Brother Award bescherte. Der Wikipedia-Beitrag zitiert aus der Laudatio von Rechtsanwalt Rolf Gössner: Palantir, benannt nach den sehenden Steinen aus Herr der Ringe, ist eine der umstrittensten Firmen des Silicon Valley, so die Süddeutsche Zeitung. Sie gilt nach Einschätzung der US-Bürgerrechtsvereinigung ACLU als Schlüsselfirma in der Überwachungsindustrie. Die Firma sei tief in den militärisch-digitalen Komplex der USA verstrickt und ihr Geschäftsmodell heißt: BigData for BigBrother.
Und nun also: Auftritt Verfassungsgericht. Die Gesetze zum Einsatz einer neuen Datenanalyse-Software bei der Polizei in Hessen und Hamburg sind in ihrer derzeitigen Form verfassungswidrig. Das haben die Karlsruher Richterinnen und Richter entschieden. So DER SPIEGEL im oben verlinkten Artikel. In seiner Pressemitteilung präzisiert das Gericht: Die Vorschriften verstoßen gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in seiner Ausprägung als informationelle Selbstbestimmung, weil sie keine ausreichende Eingriffsschwelle enthalten. Ein paar Absätze später bemängelt Karlsruhe vor allem: Ein Grundrechtseingriff liegt hier nicht nur in der weiteren Verwendung vormals getrennter Daten, sondern darüber hinaus in der Erlangung besonders grundrechtsrelevanten neuen Wissens, das durch die automatisierte Datenauswertung oder -analyse geschaffen werden kann.
Das ist ein ausgesprochen zeitgemäßer Ansatz, denn tatsächlich wird das Potenzial von KI, »neues Wissen« zu generieren und damit möglicherweise zuvor getroffende Einschätzungen und gültige Regulierungen zu sprengen, oft noch zu sehr unterschätzt. Die klagende Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) freut sich, wie DER SPIEGEL zitiert: Das Bundesverfassungsgericht hat heute der Polizei den ungehinderten Blick in die Glaskugel untersagt und strenge Vorgaben für den Einsatz von intelligenter Software in der Polizeiarbeit formuliert. Das war wichtig, weil die Automatisierung von Polizeiarbeit gerade erst begonnen hat.
Am Rande: Das Land Bayern hat mit der Firma Palantir einen umfassenden Rahmenvertrag abgeschlossen, der auch den anderen Bundesländern ohne Vergabeverfahren erlaubt, deren Software zu verwenden – die Einschränkung von »Gotham« in Hamburg und Hessen ist also nur ein kleiner Teilerfolg, und es werden sicherlich weitere Versuche folgen, mit Hilfe der US-Firma »vorausschauende« (also anlasslos Daten sammelnde und analysierende) Polizeiarbeit zu etablieren. Hoffen wir, dass das Karlsruher Gericht wachsam bleibt.
Die sogenannte »Chatkontrolle« hat gerade einen nicht geringen Dämpfer erhalten: Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament will sie für verschlüsselte Chats nicht erlauben und die Überwachungspflichten deutlich einschränken. Und doch bleibt das eine und andere Aber.
Heute schrieb netzpolitik.org: Mit der großen Heckenschere will der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) das geplante Gesetz zur Chatkontrolle stutzen. Von den teils invasiven Plänen der EU-Kommission soll demnach vieles wegfallen. Einige Überwachungsvorhaben würden gar ersatzlos gestrichen. Und: Die Position des Ausschusses ist ein wichtiger Baustein für die Verhandlungen um die sogenannte Chatkontrolle.
Laut Wikipedia ist die zugrundeliegende Technik, das sogenannte Client-Side-Scanning, eine Methode zur Telekommunikationsüberwachung (…) bei der zu versendende Dateien bereits vor der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nach Inhalten überprüft werden. Kritiker sprechen in diesem Fall auch von Chatkontrolle. Und Hintergrund der Debatte um solch eine anlasslose »Generaldurchleuchtung« ist ein Entwurf der EU-Kommission zur »Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Netz«. Im oben verlinkten heise-Artikel heißt es: Dieser Entwurf sieht vor, dass Online-Anbieter auf Anordnung selbst private Chats durchleuchten müssen, um mögliche Hinweise auf sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu finden. Das Vorhaben stößt auf breite Kritik von unter anderem Kinderschutz-Verbänden, Datenschutz-Behörden und Bürgerrechtler*innen. Die Kampagne Chatkontrolle STOPPEN! zum Beispiel will diese Kritik sammeln und Druck auf die Politik machen.
Trotzdem gibt es einige äußerst entschlossene Verfechter der Chatkontrolle; laut einem anderen netzpolitik.org-Berichtführt EU-Kommissarin Ylva Johansson die Öffentlichkeit in die Irre, habe im SPIEGEL-Interview dreimal die Unwahrheit gesagt und mindestens siebenmal Irreführung betrieben. Zum Beispiel wiederholt sie die Aussage, dass die Chatkontrolle alternativlos sei. Aber: Das ist falsch. Online-Anbieter zum Durchleuchten von Kommunikation zu zwingen, ist keinesfalls das einzige Mittel gegen Gewalt an Kindern. Das Internationale Netzwerk für Kinderrechte hat in einem Bericht zahlreiche Lösungen skizziert, wie Kindern besser geholfen werden kann.
Machen wir doch mal ein kleines Gedankenspiel: Stellen wir uns vor, in jeder Ecke jeder Kneipe hinge je ein kleines, nicht erkennbares Mikrofon. Jetzt vertrauen wir uns, beim zweiten Bier vielleicht, eine*rm Freund*in an und gestehen, dass wir den neuen Chef überhaupt nicht leiden können; dem Alkohol ist geschuldet, dass wir sagen: Ich ha$$e dieses A****loch! Manchmal könnte ich ihm echt einfach eine reinhauen! Das hört nun das erwähnte kleine Mikrofon und schickt es an eine KI (denn natürlich werden das Client-Side-Scanning und sämtliche anderen Überwachungs-Tools längst nicht mehr von »Männern mit Schlapphüten« analysiert), und die speichert eine »Red Flag« ab – für Gewaltbereitschaft und offensive Sprache. Im Wiederholungsfall wird daraus womöglich eine Terrorismuswarnung.
Übertrieben? Nun: Gesichtserkennungssoftware ist bekanntlich auch eine Art KI, und sie ist – wie alle KI! – bekanntlich fehleranfällig, rassistisch, misogynistisch und noch einiges mehr. Trotzdem wird sie auch herangezogen, wenn es darum geht, Kriminelle zu verfolgen und einzusperren. In den USA hat sie allerdings schon mindestens einmal einen Unschuldigen hinter Gitter gebracht, wie heise online berichtet. Identitätsverwechslung führte schon 2014 sogar dazu – auch das stand seinerzeit in einem heise-Report –, dass in einem Untersuchungsbericht zu Folter durch die CIA zugegeben werden musste, dass eine ganze Reihe von Folteropfern (…) fälschlicherweise festgenommen [wurden] und unschuldig waren. Einer wurde mit Eisbädern gefoltert und 66 Stunden im Stehen wachgehalten, bevor seine Peiniger erkannten, dass er wahrscheinlich nicht der ist, für den er gehalten worden war.
Zugegeben, letzteres ist ein Extremfall. Wenn wir aber Fall eins und Fall zwei verknüpfen, dann entsteht trotzdem eine theoretische Denkbarkeit. Wenn man weiterhin überlegt, welches Verhältnis zur Demokratie einige Hardliner bei den US-Republikanern aktuell haben (zum Beispiel der Ex-Präsident, der durchaus auch mal die Verfassung außer Kraft setzen würde) und in welchem Umfang derzeit extrem rechte, antidemokratische Gruppierungen international in Regierungsämter drängen, dann ist der vorige Abschnitt keine Panikmache, sondern eine Warnung vor durchaus Möglichem.
Um bei unserem Eingangsbild zu bleiben: Natürlich gibt es Menschen mit krimineller Energie, die sich in Kneipen im Flüsterton zu neuen Untaten verabreden. Aber sie sind nur ein kleiner Teil der geselligen Trinker – soll man trotzdem alle belauschen? Benjamin Franklin würde wohl eindeutig »Nein!« sagen, wenn man sich an seine (oft falsch oder verkürzt zitierte) Aussage erinnert: Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. Denn die freie Rede und die Privatsphäre sind beides esenzielle Freiheiten, und das anlasslose Abhören und Belauschen gibt allenfalls temporäre Sicherheit. Genügend Studien haben belegt, dass so keine erheblichen Erfolge in der Kriminalstatistik zu verbuchen sind.
Und selbst wenn es momentan danach aussieht, als käme nur eine »Chatkontrolle Light«, so kritisiert der Europa-Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten) dennoch, dass Netzsperren weiterhin im Entwurf stehen – und dass Chatkontrolle nach wie vor nicht vom Tisch ist. Es drohe das Ende des digitalen Briefgeheimnisses für die meisten E-Mails und Chats und die Massenüberwachung privater Fotos.
Patchen, patchen, patchen!
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Die Telecom Italia, der größte Service-Provider unserer südlichen Nachbarn, meldete massive Ausfälle, hauptsächlich bei Festnetz-Verbindungen. Grund ist möglicherweise ein Ransomware-Angriff – und Nachlässigkeit.
Es ist schon erstaunlich, wie laissez-faire der Umgang mit IT-Sicherheit häufig nach wie vor gehandhabt wird. Mal abgesehen von offensichtlich grob fahrlässigen Dingen wie der fortdauernden Verwendung von längst ausgemusterten Systemen wie Windows 7, dessen Support im Januar 2015 endete, von dem aber nach wie vor Millionen ins Netz gehen – 2020 waren das nach einer Schätzung von ZDNET immerhin noch 200 Millionen! –, ist auch das Patch-Verhalten allem Anschein nach nicht der Situation angemessen.
Vom nördlichen Mailand bis zum südlichen Palermo beklagten sich Nutzer gestern über Ausfälle, wie Euronews berichtet. Zwar werden in dem Artikel die Probleme nicht auf Hacking zurückgeführt, aber der zeitliche Zusammenhang könnte zumindest ein Indiz sein, denn zeitgleich warnte die italienische Cyber-Sicherheitsbehörde ACN, dass weltweit tausende Server mit einer Ransomware attackiert würden und Unternehmen Schutzmaßnahmen ergreifen sollten. Es sei eine Software-Schwachstelle missbraucht worden, sagte ACN-Chef Roberto Baldoni gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zunächst nur vage, fügte aber die Worte in massivem Umfang hinzu.
Inzwischen hat heise online gemeldet, dass es Updates zum Schließen der angegriffenen Lücke gibt – und das schon seit geraumer Zeit. Das französische CERT hatte nämlich schon am Freitagabend gewarnt, dass es Angriffe auf eine alte VMware-ESXi-Schwachstelle gebe, die unter CVE-2021-21974 geführt wird und mit dem CVSS-Wert 8.8 als hochriskant eingestuft wurde. Und dann schreibt heise weiter: Zunächst war unklar, ob ein Zusammenhang besteht, inzwischen bestätigt Reuters, dass es um die Schwachstellen geht, für die seit Februar 2021 Patches bereitstehen.
Seit Februar 2021.
Seit zwei Jahren.
Ein wenig erinnert das an die zeitlupenartige Langsamkeit, mit der Microsoft-Exchange-Server upgedatet wurden (und vielleicht sogar immer noch werden…) Zuletzt hatten wir darüber im Dezember 2021 berichtet; zu dem Zeitpunkt waren immer noch um die 13.000 Microsoft-Exchange-Server nicht ausreichend gepatcht.
Is time Tik-ing?
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Viele ältere Menschen (also, Menschen im erwerbstätigen Alter, nicht etwa nur Senioren) glauben, TikTok sei bloß was für Teenies und noch Jüngere. Das ist aber das Gegenteil von wahr. Zunehmend wird die App daher unter die Lupe genommen.
Musiker und Künstler, politische und Umwelt-Aktivisten, Wissenschaftler und viele andere nutzen das Netzwerk als Plattform, um für sich oder ihre Sache zu werben. Auch Politiker – und das ist zumindest der US-Regierung schon länger ein Dorn im Auge. Daher wurde kürzlich die Verwendung der App auf Smartphones von Abgeordneten und weiteren Regierungsmitarbeitern untersagt. Und mittelfristig könnte sie sogar für sämtliche US-Nutzer verboten werden; das waren schon im September 2021 immerhin 136,5 Millionen Accounts.
Schon jetzt sorgt bei amerikanischen Schülern und Studenten in 25 US-Bundesstaaten das TikTok-Verbot auf staatlichen Geräten für schlechte Laune, wie watson heute berichtet, denn: Bei manchen Colleges können Nutzer:innen nun nicht mehr über deren Geräte oder das Campus-Netzwerk auf die Kurzvideoplattform zugreifen.
Die drei entscheidenden Gründe für die Verbote in den USA fasst Markus Beckedahl für netzpolitik.org zusammen: Die App steht erstens im Verdacht, Desinformation zu betreiben; immerhin steht wohl fest, dass bestimmte Begriffe selektiv gefiltert werden, so dass zum Beispiel Diskussionen über LGBTQ, Drogen, Internierungslager für Angehörige der uigurischen Minderheit, den Krieg in der Ukraine und vieles mehr behindert werden. Zweitens hat dadurch, dass die Betreiberfirma ByteDance nicht unabhängig von der chinesischen Regierung ist, diese wiederum Direktzugriff auf Nutzerdaten – so haben chinesische Sicherheitsbehörden offenbar US-Journalisten getrackt[englisch], um Whistleblower ausfindig zu machen. Laut einem anderen netzpolitik.org-Bericht habe ein »Master-Admin« aus Beijing »Zugriff auf alles«.
Drittens schließlich benennt Beckedahl »Geopolitische Dominanz« als Grund für die US-Kritik an ByteDance: Die vergangenen 15 Jahre haben US-Plattformen die Social-Media-Welt dominiert. TikTok ist der erste Konkurrent, der Instagram, Facebook und YouTube auf Augenhöhe begegnet – und diese bald hinsichtlich Nutzungszahlen und Relevanz überholen könnte. Denn zumindest Datenschützern ist klar, dass auch die US-Unternehmen umfassenden Zugriff auf Nutzerdaten haben. Davon profitiert die amerikanische Regierung, die durch den Zugriff auf die Plattformen sehr genau analysieren kann, wer was wo und wie kommuniziert und damit einen globalen Informationsvorsprung hat.
Um die Wogen ein wenig zu glätten, hat ByteDance einen Vertrag mit der US-Firma Oracle geschlossen, der den Betrieb von TikTok auf amerikanischen Servern vorsieht[englisch]. Und Shou Zi Chew, CEO von TikTok, wird im März vor dem amerikanischen Kongress aussagen. Der dort verhandelte Vorwurf lautet: TikTok, das sich im Besitz von ByteDance befindet, hat der Kommunistischen Partei Chinas wissentlich die Möglichkeit gegeben, auf amerikanische Nutzerdaten zuzugreifen, behauptet die republikanische Abgeordnete Cathy McMorris Rodgers.
Mit einem ganz anderen Ansatz nähert sich die Initiative AlgorithmWatch dem Thema: Sie sucht aktuell nach Datenspendern – also TikTok-Nutzern, die bereit sind, die über sie von der Plattform erhobenen Daten weiterzugeben und analysieren zu lassen. AlgorithmWatch will dem bislang noch rätselhaften und geheimen »Herzen« von TikTok auf die Spur kommen: Wie funktioniert der For-You-Feed? (…) In unserem DataSkop-Verbund aus Forscher*innen, Medienpädagog*innen, Software-Entwickler*innen und Journalist*innen wollen wir deine gespendeten Daten analysieren, damit wir gemeinsam verstehen, wie TikTok-Trends und -Nischen entstehen und vor allem warum.
K.I. = Kein Interesse? (III)
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Politik und Soziales, Kommunikation und Wirtschaft – das waren die Schwerpunkte der bisherigen zwei Folgen unseres kleinen Dreiteilers. Im letzten Teil nehmen wir jetzt Kunst und Kultur in den Fokus, vor allem die Verwendung von Künstlicher Intelligenz in der (digitalen) Malerei und in der Musik.
Gehen wir doch einfach mal mit der Stellungnahme eines der Großen in der Pop- und Rockmusik ins Thema. Nick Cave schreibt einen regelmäßigen Newsletter, in dem er auch Fragen seiner Fans beantwortet. Mark aus Neuseeland fragte ihn kürzlich: Ich habe ChatGPT gebeten, einen Song im Stil von Nick Cave zu schreiben (…) Was meinst du? Darunter ist der Text abgedruckt, und dann kommt die Antwort des Künstlers: Seit dem öffentlichen Start von ChatGPT habe er Dutzende von Songtexten geschickt bekommen, die der Algorithmus in seinem Stil verfasst habe. Der Absatz endet mit den Worten: This song sucks, aber was Cave vorher schreibt, ist noch weit interessanter: Mir ist klar, dass ChatGPT in den Kinderschuhen steckt, aber vielleicht ist genau das der wachsende Horror im Zusammenhang mit KI, dass sie für immer in ihren Kinderschuhen stecken wird, weil sie immer weiter gehen muss, immmer voran, immer schneller. Sie kann nie zurückgenommen werden oder wenigstens verlangsamt, vielleicht weil sie uns in eine utopische Zukunft treibt – oder unsere völlige Zerstörung.
Wer will, kann dem mittlerweile 65-jährigen Musiker natürlich Rückwärtsgewandtheit vorwerfen oder verletzte Eitelkeit, aber was ist mit all den Maler*innen und Zeichner*innen – traditionellen, mit Öl oder Aquarell, Pinsel oder Stift, Leinwand oder Papier arbeitenden, aber auch digitalen –, die momentan gegen die Hersteller verschiedener Bildgeneratoren klagen, wie DER SPIEGEL vor einer Woche berichtete? Ihr Vorwurf lautet im wesentlichen: KI-Programme wie Midjourney, Stable Diffusion oder auch DALL-E von der KI-Schmiede OpenAI (der Microsoft gerade weitere zehn Milliarden an Investitionen zugesagt hat, obwohl der Konzern andererseits aktuell 10 000 Mitarbeiter entlässt, wie Heise vorgestern schrieb), diese Software also verletze regelmäßig und in großem Stil das Urbeherrecht, weil sie Millionen von urheberrechtlich geschützten Bilder kopiere und zum Training der Algorithmen verwende. Zu den Klägern zählt auch Getty Images, eine der größten Bildagenturen der Welt.
Kurz zur Erklärung: Solche Programme wandeln einen Textbefehl wie zum Beispiel Gigantischer Untersee-Leviathan im Stil der ›Sternennacht‹ von van Gogh in ein Bild um. Ob das Ergebnis gelungen ist, mag eine Frage persönlichen Geschmacks sein. Und es mag sein, dass dem Künstler in diesem speziellen Fall egal ist, was mit seiner Kunst passiert, weil er längst nicht mehr lebt. Für zeitgenössische Kreative aber ist dieses Vorgehen existenzbedrohend. Der Name des polnischen Digitalkünstlers Greg Rutkowski ist einer der am häufigsten verwendeten Eingabevorschläge bei Stable Diffusion, unzählige KI-Bilder in seinem Stil wurden bereits erzeugt – rund 93 000 mal, wie heise online schon im vergangenen Oktober schrieb; der Künstler ist über die tausende Suchergebnisse, die sein Name mittlerweile hervorbringt, alles andere als glücklich: Es ist erst einen Monat her. Wie wird es in einem Jahr aussehen? Wahrscheinlich werde ich meine Werke nicht mehr finden können, weil [das Internet] mit KI-Kunst überflutet sein wird. Das ist besorgniserregend.
Um auch andere Einschätzungen zu Wort kommen zu lassen: Das Magazin Kunstleben Berlin schreibt in einer Kolumne: Immer mehr Digitalkunstwerke, geschaffen von intelligenten Algorithmen, sowie die NFTs (Non Fungible Tokens), die die Kunst nicht nur digital vermitteln, sondern auch zum Unikat erklären, strömen auf dem Kunstmarkt. Im ersten Quartal 2021 wurden 10 % des weltweiten Umsatzes im Kunstmarkt über NFTs erzielt. (…) Der Deutsche Künstler Mario Klingemann (…) gilt als Pionier auf dem Gebiet der KI-Kunst. (…) Klingemann sagt von sich selbst, dass er gar nicht malen oder zeichnen könne. Doch das ist auch nicht nötig, weil er gut sei im Programmieren.
Wenn KI Bilder »malt« und Musik »komponiert«, passiert noch etwas anderes: Die Kunst-Wahrnehmung des Publikums ändert sich. Ein schon länger existierendes Beispiel dafür ist Auto-Tune, eine Software, die – hauptsächlich bei menschlichem Gesang – die Tonhöhe »korrigiert«. Das wird manchmal als Effekt verwendet, wie zum Beispiel in Songs der US-Sänger und Rapper T-Pain und Travis Scott, meist aber als Werkzeug, um nicht ganz perfekt intonierte Gesangsspuren zu »begradigen« – zunehmend auch bei Live-Auftritten. In der Folge empfinden schon jetzt, nach nur rund zwei Jahrzehnten Auto-Tune-Nutzung, viele Hörer unbearbeiteten Gesang als »falsch«. Sehenswert dazu ist ein (englisches) Video, das die Verwendung von Auto-Tune beim Gesang von Freddy Mercury in einer neuen Queen-Single anprangert – völlig zu recht und gut begründet. (Kleine Randnotiz: Dass Madonna ihren Auftritt beim Eurovision Song Contest 2019 im Nachhinein mit Auto-Tune hat bearbeiten lassen, war vielleicht sogar tatsächlich ganz angebracht…)
Immer »richtig« singen hingegen die KI-erzeugten Stimmen von Vocaloid. Die neueste Version VOCALOID6 uses AI technology to generate a highly expressive singing voice that’s more natural than ever before. Es geht also erklärtermaßen darum, Sänger*innen überflüssig zu machen. Die auf der Website eingebetteten Klangbeispiele dürften manchen Hörer*innen aktueller Popmusik kaum noch als synthetisch auffallen; ebenso wenig wie die KI-erzeugten Sprecher und Sprecherinnen, die inzwischen sehr häufig in Social-Media-Videos zum Einsatz kommen: Anbieter solcher Software heißen Resemble AI, Big Speak oder Murf AI.
Ein wichtiger Satz im vorletzte Woche bereits verlinkten SPIEGEL-Netzwelt-Newsletter lautet: Die Technik ist frei verfügbar und lässt sich nicht mehr einfangen. Das entspricht im wesentlichen dem, was Nick Cave in seinem Newsletter schrieb, denn eine Maxime des Silicon Valley und verwandter IT-Entwicklergruppen lautet: Shoot first, apologise later. Sinngemäß etwa: Erstmal machen. Denn die nachträgliche Entschuldigung bleibt meist aus.
Weder die Gesetzgebung, noch ethische, urheberrechtliche, künstlerische oder philosophische Debatten kommen in dieser Welt des hastigen Handelns noch der Entwicklung hinterher. Deswegen ist es fast schon »fünf nach zwölf« für eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem vielfältigen Thema KI.
Bisher ist eine solche aber nach wie vor nicht in Sicht. Nicht unwahrscheinlich daher, dass Cave mit seiner Einschätzung gar nicht so falsch liegt: Judging by this song ‘in the style of Nick Cave’ though, it doesn’t look good, Mark. The apocalypse is well on its way.
Hier zum Weiterlesen und vielleicht auch zum selbst Ausprobieren noch eine Reihe von Links:
Brianna Scott dagegen sagte kürzlich in einem Instagram-Post für NPR: Wir leben in Zeiten von zunehmender Fehl- und Desinformation. (…) Die Leute fürchten, dass KI Menschen ersetzen wird. Ich kann nicht sagen: Keine Sorge!
Das Magazin TIME berichtete vor einer Woche, OpenAI (die Firma, die ChatGPT und DALL-E entwickelt) benutze kenianische Arbeiter für weniger als 2 Dollar pro Stunde, um ChatGPT weniger toxisch zu machen.
In der letzten Folge ging es um die Verwendung von KI in der Politik und um ihre sozialen Folgen. Diesmal sind Kommunikation und Wirtschaft dran, und da vor allem das wohl größte Hype-Thema der letzten Monate: ChatGPT.
New York City hat bereits reagiert: An den Schulen der Ostküsten-Metropole ist ChatGPT verboten, berichtete CNN vor anderthalb Wochen. Jenna Lyle, stellvertretende Pressesprecherin der öffentlichen Schulen von New York, wird in dem Artikel mit den Worten zitiert: Wegen Bedenken über negative Auswirkungen auf das Lernen der Schüler und die Sicherheit ebenso wie die Genauigkeit der Inhalte ist der Zugang zu ChatGPT in den Netzwerken und auf den Geräten der öffentlichen Schulen von New York City eingeschränkt. Der Verband Bayerischer Realschullehrer (BRLV) geht (noch) nicht so weit, fordert aber immerhin die deutsche Politik auf, die Entwicklungen von KI und deren Einsatz an Schulen nicht zu verschlafen, wie DER SPIEGEL berichtet.
Für alle, die noch nicht im Thema sind: ChatGPT ist eine Entwicklung von OpenAI, einer von Microsoft und Elon Musk gesponsorten KI-Entwicklerschmiede, die seit dem vergangenen November öffentlich nutzbar ist. Es handelt sich dabei um einen Chatbot, also ein textbasiertes Dialogsystem, das Chatten mit einem technischen System erlaubt (Wikipedia). Die Abkürzung GPT steht dabei für Generative Pretrained Transformer, und nach GPT 2 und GPT 3 ist nun ChatGTP so leistungsstark, dass die Antworten auf beliebige Fragen durch die Software oft beeindruckend überzeugend ausfallen. Nicht zuletzt, da der Algorithmus aus jedem geführten Dialog lernt.
ChatGPT kann jede nur denkbare Form von Text erzeugen; bisher zwar nur auf Englisch, aber wer andererseits die exzellente Übersetzungssoftware DeepL kennt, ahnt, dass internationalisierte Versionen schon hinter der nächsten Ecke warten. Tatsächlich könnten Schüler dann mogeln und ihre Hausarbeiten von der Software schreiben lassen, aber viel relevanter dürfte der kommerzielle Einsatz in der Wirtschaft sehr bald werden: Werbe- und Erklärtexte von der Maschine könnten schon bald Texter überflüssig machen, und für die Einschätzung, dass in nicht allzu langer Zeit die Kundenservice-Chats von Unternehmen ausschließlich AI-gestützt sein werden, braucht es keine hellseherischen Fähigkeiten. Und auch komplexere Texte sind kein Problem mehr, wie Sascha Lobo in einem, wie immer, sehr guten Beitrag für den SPIEGEL veranschaulicht.
Da drängt sich eine Vision auf, die schon lange Zukunftsforscher*innen, Science-Fiction-Autor*innen, Philosoph*innen und viele andere beschäftigt: Nachdem unintelligente Roboter bereits große Teile der manuellen Arbeitsplätze ersetzt haben, werden zukünftig auch »intelligente« Systeme die geistigen Arbeiter*innen und andere Dienstleister*innen ersetzen?
Immerhin erzählte Twitter-Nutzer Jason Colavito am 7. Januar: Ein Kunde hat mich informiert, dass er mich nicht länger dafür bezahlen werde, Inhalte für seine Website zu schreiben, denn KI könne sie kostenlos schreiben; aber er werde mir einen Bruchteil meines üblichen Stundensatzes dafür bezahlen, dass ich [die erzeugten Inhalte] mit anderen Worten ›umschreibe‹, so dass sie Googles KI-Erkennungsroutinen entgehen.
Auch andere sehen viele Jobs verschwinden; Nina Jerzy schrieb schon vor vier Jahren für das Wirtschaftsmagazin Capital zum Beispiel: Versandhändler wie Zalando und Otto lassen mittlerweile ihre Produktbeschreibungen von einer Software schreiben. Getestet würden auch längst KI-gestützte Roboter als Verkaufs-, Service- und Pflegekraft, in autonom fahrenden Bussen, im journalistischen Einsatz ([…] bei einfachen Sachverhalten im Nachrichtenbereich sind automatisierte Prozesse bereits im Einsatz. Die Programme ›schreiben‹ Wetterberichte, informieren über Fußballergebnisse oder Aktienkurse) und an der Börse: In den USA steuern Algorithmen Schätzungen zufolge bereits bis zu 80 Prozent der Transaktionen. In Deutschland soll der Anteil des sogenannten Algo-Tradings bei etwa 60 Prozent liegen.
Mathias Wengeler, Gründer und CEO des Wirtschaftsdienstleisters Atheneum, sieht das Thema berufsbedingt gelassener; er sah ebenfalls schon 2019 in einem Beitrag für MoreThanDigital voraus, dass KI nicht die Menschen ersetzen werde, denn die menschliche Kreativität sei unverzichtbar. Er sieht eine kommende enge Zusammenarbeit: Zum einen braucht es den Menschen, um KI zu programmieren und ›die richtigen Fragen zu stellen‹. Und zum anderen liegen die Stärken des Menschen genau dort, wo die Schwächen der KI liegen – und andersrum. Ein Zusammenspiel beider Parteien ist am effektivsten, um einen optimalen Arbeitserfolg zu ermöglichen. Da würde Jason Colavito wohl dankend ablehnen.
Nächste Woche wird sich der dritte und letzte Teil unseren kleinen Serie mit KI im kulturellen Bereich beschäftigen, vor allem in der bildenden Kunst und in der Musik.
K.I. = Kein Interesse? (I)
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Die Haltung aus der Überschrift ist die wohl denkbar schlechteste Position, die man zum Thema Künstliche Intelligenz einnehmen kann. »Was geht mich das an?« ist nicht die Frage, die sich stellt. Denn tatsächlich geht KI uns alle an. Mehr oder weniger, früher oder später, aber niemand wird unberührt bleiben.
Und genau jetzt ist wohl der spätestmögliche Zeitpunkt, sich intensiver mit selbstlernenden Maschinen zu beschäftigen. Denn im gerade vergangenen Jahr haben verschiedene KI-Anwendungen enormen Aufwind bekommen – Algorithmen, die imstande sind, auf alle möglichen Fragen überzeugend sinnvolle Antworten zu geben, die nur mittels einer Texteingabe Bilder im Stile berühmter (oder auch weniger berühmter) Maler*innen gestalten können, die Filmmusik komponieren oder sogar die Haupt-Gesangsstimme in einem Popsong künstlich erzeugen können.
Heute, in der ersten Folge unseres kleinen Dreiteilers, soll es aber zunächst mal um politische und soziale Konsequenzen aus dem Einsatz Künstlicher Intelligenz gehen.
Schon seit geraumer Zeit gibt es KI (oder im Englischen AI, für »Artificial Intelligence«), die automatisch Drohnen steuert und (menschliche) Ziele bombardiert[englisch], die entscheidet, welche*r Bewerber*in einen Job bekommt, wer welche Versicherungsprämien zahlen muss, wer für eine neue Wohnung den Zuschlag bekommt. Auch schon seit einer ganzen Weile im Gespräch (und im Einsatz!) ist Gesichtserkennung – da gibt es einen aktuellen Fall: Im US-Bundesstaat Lousiana wurde ein Schwarzer fälschlicherweise eine Woche lang ins Gefängnis gesperrt, weil die Gesichtserkennungs-Software einen Fehler gemacht hat, berichtete am Montag vor einer Woche das Newsportal nola.com; am Donnerstag nahm auch der SPIEGEL das Thema auf. Ebenfalls dort erschien schon Mitte Dezember ein Netzwelt-Newsletter mit dem Titel Jedes Ihrer Fotos kann gegen Sie verwendet werden. In mehreren dort zitierten und verlinkten Artikeln (…) geht es immer auch darum, wozu Menschen die neue Technik bereits missbrauchen, weil ihr die Sicherheitsschranken fehlen, wie Autor Patrick Beuth schreibt.
Zum Beispiel: Deep Fakes. Der englische Begriff beschreibt das Ersetzen von Gesichtern oder Ganzkörper-Darstellungen mit denen von existierenden Personen. Patrick Beuth beschreibt ein Experiment des Magazins Ars Technica: Mittels einer Ergänzung für den Text-zu-Bild-Generator Stable Diffusion namens Dreambooth erzeugte die Redaktion – wiederum mit KI – (…) Bilder einer nicht existenten Person, die sie John nannte, und fütterte Dreambooth damit. Im Anschluss konnten die Journalisten »John« jeweils in Sekundenschnelle zum Clown, zum Anhänger einer paramilitärischen Gruppe, zum Einbrecher, zum Pornostar oder zum Drogenkonsumenten machen.
Wie weiter oben schon erwähnt, rüsten auch Versicherungsunternehmen aktuell massiv auf Künstliche Intelligenz um. Die KI-Marketingfirma datasolut beschreibt auf ihrer Website die – zumindest aus ihrer Sicht – Vorzüge des Einsatzes von KI in der Versicherungsbranche, zum Beispiel so: (…) bis zum Jahre 2025 [sind] ca. 25% des Arbeitsaufwands aufgrund von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen automatisiert (…) entstehen unterschiedliche Tarife, bei denen risikoreichere Kunden mehr bezahlen müssen als Personen welche vorsichtiger sind (…) Versicherer [können] ihre jährlichen Einsparungen im Jahr 2023 vergleichsweise zum Jahr 2019 um mehr als das Vierfache steigern (…) Dieser letzte Halbsatz macht die KI vermutlich besonders attraktiv. Und wenn Maschinen ermitteln, wer als »risikoreicher« und wer als »vorsichtiger« gilt, dann ist der »gläserne Bürger« keine Zukunftsvision mehr.
Schade nur, dass sich KI immer wieder irrt – siehe oben. Daher zieht der deutsche Unternehmer und Politiker Harald Christ in einem Handelsblatt-Gastbeitrag das Fazit: Wer aber die KI-Algorithmen gebaut hat, die uns Produkte empfehlen und im Zweifelsfall über unsere Jobchancen, Gesundheit oder Kreditwürdigkeit entscheiden, danach fragen wir nicht. Ich denke, zumindest das sollten wir künftig verstärkt tun.
In der nächsten Woche wird es um den Einsatz von KI in der Wirtschaft gehen, vor allem um den Kommunikationsroboter ChatGPT – und um die Frage, ob und in welchem Umfang Arbeitsplätze durch KI verlorengehen.
Was war, was kommt?
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Es war ein ausgesprochen bewegtes Jahr – nicht nur politisch, ökonomisch, ökologisch, sondern auch in der Welt der IT und Forschung. Hier eine kleine und nicht repräsentative Übersicht der Themen, die uns 2022 beschäftigt haben; plus: ein kleiner Teaser ins nächste Jahr.
Die alte Frage nach der Gefahr, die von Handys ausgeht, wurde vielleicht endgültig beantwortet, die nach der von Technik ausgehenden Gefahren für die Umwelt hingegen musste gleich mehrfach gestellt werden – aber Technik und Ingenieurs-Erfindungsgeist können auch mit ganz unterschiedlichen Lösungen helfen.
Etwas detaillierter haben wir das Thema »Technik und Umwelt« in unserer Serie zu Obsoleszenz, Recycling, Reparatur und Entsorgung behandelt: »Zu Kaputtbar!« hieß sie und hatte fünf Folgen: I, II, III, IV und V.
Mitte Oktober kam dann ein Thema auf den Tisch, das schon seit dem April kontinuierlich dräute: Der Milliardär, Tesla-Chef und Mars-Reisende in spe, Elon Musk, kaufte die soziale Microblog-Plattform Twitter. Mit der ihm eigenen trump-esken, chaotischen Polter-Mentalität sorgte er für Schlagzeile um Schlagzeile; ein Großteil der Nachrichten entstammte (und entstammt) der Kategorie Kopfschütteln: So entließ er die Hälfte der Belegschaft, nur um Tage später Mitarbeiter zurückzuwerben, verärgerte die Werbetreibenden (viele legten ihre Anzeigenschaltungen auf Eis), irrlichterte zwischen verschiedenen Bezahl-Konzepten, öffnete Twitter wieder für rechtsextreme Strömungen (einschließlich der Einladung an Donald Trump, der allerdings dankend ablehnte). Seitdem berichteten wir mehrmals über die Alternative, das dezentralisierte und von Freiwilligen betriebene Netzwerk Mastodon (und sein Umfeld, das »Fediverse«).
Zum Jahresende rückte noch einmal einer der größten Player in der Netz-IT in den Vordergrund: Google hat offensichtlich seine Probleme mit rassistischen Auto-Vervollständigungen in der Suche immer noch nicht im Griff, deswegen empfahlen wir Alternativen. Und Nutzer von Google-Fonts, den frei verfügbaren Schriftarten, werden seit einigen Monaten wegen Datenschutzbedenken zunehmend abgemahnt – allerdings gibt es jetzt erste Prozesse gegen die Abmahn-Anwälte, wie aktuell Sascha Lobo im SPIEGEL berichtet.
Und was kommt? Neben dem Komplex Twitter/Mastodon ist aktuell ein heißes Thema in den sozialen Medien Künstliche Intelligenz – ob ChatGPT, der Bot, der Gespräche simulieren kann, ob Vocaloid, das Gesangsstimmen generiert, oder all die »Kunst«-Programme, die aus einer Texteingabe ein Bild »im Stil von…« erzeugen (und damit tausendfach künstlerisches Urheberrecht verletzen), KI (oder AI, wie es auf Englisch heißt) wird uns im kommenden Jahr sehr beschäftigen. Deswegen beginnen auch wir hier 2023 mit diesem Thema.
Jetzt erstmal schöne Feiertage, einen guten und entspannten Jahreswechsel, und bleiben Sie gesund!
Google, schweig!
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In der vergangenen Woche hatten wir berichtet, dass die wohl verbreitetste Anwendung im Internet immer noch rassistische, sexistische, antisemitische und andere diskriminierende Suchvorschläge auswirft. Dieser Automatismus mag in manchen Fällen praktisch sein, aber schon allein, um solche Entgleisungen zu verhindern, möchte man vielleicht das Auto-Vervollständigen komplett deaktiveren.
»Möchte man« ist hier der Schlüsselbegriff – was nämlich Google selbst angeht, ist es nur scheinbar möglich, die Funktion auszuschalten. Auf der Startseite unten gibt es einen Link zu »Einstellungen«, darunter den Begriff »Sucheinstellungen«, und dort den Punkt »Suchanfragen automatisch anhand von Trends vervollständigen«. Wenn man dort »Keine beliebten Suchanfragen anzeigen« anklickt und die Einstellung abspeichert – zeigt Google einfach weiterhin die Suchvorschläge an.
Wer ein Google-Konto hat, kann zwar Begriffe im Nachhinein löschen, aber die Funktionalität selbst bleibt erhalten. Um dieses Problem zu umgehen, gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Nur noch mit der Browser-Suchfunktion suchen; dort lässt sich die Vervollständigung abschalten. Wie das geht, steht für den mittlerweile marktführenden Google-Browser Chrome hier, für die (aus vielen Gründen bessere) Alternative Firefox hier.
2. Google aus dem Browser verbannen. Das ist die gründlichste Methode – und es gibt überraschend viele Alternativen, die teilweise erhebliche Vorteile gegenüber Google haben, die über das lästige Auto-Vervollständigen hinausgehen. Datenschutzsichere Browser erheben nämlich zusätzlich auch gar nicht erst persönliche Daten und erstellen keine Profile, sondern vergessen die Suchbegriffe, die IP und andere tendenziell bedenkliche Daten direkt nach der Benutzung.
DuckDuckGo ist die momentan wohl bekannteste dieser die Privatsphäre achtenden Suchmaschinen. Sie führt die Suche durch, ohne Daten weiterzugeben, und blockiert Tracker, die Nutzerverhalten analysieren und speichern. DuckDuckGo ist eine sogenannte »Meta-Suchmaschine«, das heißt, sie verwendet Schnittstellen anderer Engines wie Wikipedia, Bing, Yahoo!, Yandex und Yelp und verfügt dazu auch über einen eigenen Webcrawler-Bot. Aus insgesamt über hundert Quellen gewinnt DuckDuckGo die Suchergebnisse.
Eine weitere »Meta-Suchmaschine« ist die deutsche Entwicklung MetaGer; auf deren Startseite heißt es: Mit uns behalten Sie die volle Kontrolle über Ihre Daten. Mit der Anonym-Öffnen-Funktion bleiben Sie auch beim Weitersurfen geschützt. Wir tracken nicht. Wir speichern nicht. Zudem verwendet MetaGer grünen Ökostrom, was ein auch nicht ganz unwichtiger Pluspunkt ist.
Und dann wäre da noch SearXNG, ebenfalls eine Meta-Suchmaschine, deren Programmierung quelloffen ist und die daher sogar auf einem eigenen Server installiert werden kann. Auch SearXNG kombiniert die Ergebisse anderer Engines wie Bing, DuckDuckGo, Google, Qwant, Yahoo!, Wikipedia, Wikidata und vielen anderen. SearXNG ist aus der Software Searx hervorgegangen und bietet im Unterschied zu dieser auch öffentliche Instanzen an. Dazu gehören zum Beispiel searx.puffyan.us, paulgo.io oder fairsuch.net; eine umfassende Liste solcher öffentlichen Instanzen findet sich hier.
Don’t be evil, Google!
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Das selbstgewählte Motto des Tech-Giganten ist genau genommen eine Selbstverständlichkeit – scheint aber zugleich eine Herausforderung zu sein. Wohl kaum jemand würde zum Beispiel Rassismus, Sexismus und die Diskriminierung von Minderheiten nicht zu den Dingen zählen, die als »evil« gelten. Wenn also in der Suche mit den meist automatisch erscheinenden Ergänzungsvorschlägen (»Auto-Vervollständigung«) oft rassistische oder diskriminierende Formulierungen auftauchen, darf man wohl mit Recht sagen, dass Google seiner Devise nicht ausreichend folgt.
Direkt am Anfang des noch taufrischen Jahrtausends, vor gut zweiundzwanzig Jahren, setzte die Suchmaschinenfirma ihrem »Code of Conduct« jenen Satz voraus, der immer wieder für Diskussionen sorgen sollte. Fünfzehn Jahre später wurde das Firmenkonglomerat restrukturiert und in Alphabet Inc. umbenannt; der neue Mutterkonzern führte »Do the right thing« als sein Motto ein, aber für die Tochtergesellschaft Google blieb »Don’t be evil« weiter der Einleitungssatz zu ihrem Verhaltenskodex. Erst 2018 verschwand er vom Anfang und wanderte ans Ende des Documents.
Immer wieder wiesen allerdings über die Jahre verschiedenste Beobachter darauf hin, dass in den Vorschlägen und Vervollständigungen, die Google hinzufügt, wenn Benutzer*innen zu tippen beginnen, Sexismus, Rassismus und Diskriminierung fast schon an der Tagesordnung sind. Das war früh Thema, und bis heute hat sich daran kaum etwas geändert. Ein Selbstversuch: Wer die Wörter »Sind Armenier« eingibt, bekommt als Vorschläge zum Beispiel »Araber«, »orthodox« oder auch »Zigeuner« geliefert. Und wir wissen inzwischen, dass unser Gehirn als Frage formulierte Überschriften von Artikeln nicht als Fragen, sondern als Tatsachen abspeichert.
Für eine Welle der Empörung sorgte vor einigen Jahren auch eine vermeintlich rassistische Tendenz bei der Bildersuche von Google. Auf die Anfrage »three black teenagers« gab es Polizeifotos (sogenannte »Mugshots«) zu sehen, wer aber nach »three white teenagers« suchte, sah fröhliche, gutgelaunte Menschen – von Stockphoto-Anbietern. Allerdings, und hier kommt die andere Seite dieser Debatte: Damit die Bilder gefunden werden, müssen sie erst einmal von den ursprünglichen Websites mit Schlüsselwörtern versehen worden sein. Deswegen kommt der damalige Artikel in der ZEIT zu dem Schluss: Nein, die Suchmaschine ist nicht rassistisch. Er zitiert den britischen Reporter und Vlogger Antoine Allen, der das Thema auf seiner Website behandelte und vermutete, in westlichen Ländern wie den USA und Großbritannien sei der Bevölkerungsanteil von Weißen sehr viel höher als der von Schwarzen. Dementsprechend gebe es eine höhere Nachfrage nach Stockfotos von Weißen, zum Beispiel für Werbung, und ein größeres Angebot von entsprechend verschlagworteten Motiven. Die mugshots wiederum seien von Nachrichten-Websites mit den Schlagworten three black teenagers versehen worden. Google habe damit nichts zu tun, die Suchmaschine zeige nur, was sie auf Nachrichten- und anderen Websites findet.
Das ist grundsätzlich richtig. (Deswegen fordern die Autoren der weiter oben schon einmal verlinkten Goliathwatch-Studie, die Auto-Vervollständigung solle ganz abgeschafft werden.) Trotzdem hat der Konzern natürlich Einfluss auf die Funktion, wie zum Beispiel im Dezember ein Skandal um Autocomplete-Vorschläge, mit denen Juden diskriminiert wurden, zeigte. Wer auf Englisch »are Jews« eintippte, bekam seit einem Update nicht mehr »bad« vorgeschlagen (die gleiche Änderung wurde auch für »are women« vorgenommen, allerdings nicht für »are Muslims«).
Eine aktuellere Entwicklung betrifft den Quellcode des Chrome-Browsers – daraus sollen gewohnte, aber eben auch rassistische Begriffe wie »Whitelist« und »Blacklist« gegen unverfänglichere wie »Blocklist« und »Allowlist« ersetzt werden, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.
Zusammengefasst heißt das: Der Alphabet-Konzern kann sehr wohl reagieren und sexistische, antisemitische, rassistische und andere diskriminierende Suchvorschläge unterbinden. Das erfordert allerdings entsprechend großen öffentlichen Druck. So lange der nicht vorhanden ist, wird weiterhin der in unserer Gesellschaft inhärente »Alltags___ismus« widergespiegelt – und damit verstärkt. Nicht ohne Grund nämlich werden bestimmte Wörter heute nicht mehr verwendet; wie schon weiter oben erwähnt, speichert unser Gehirn gelesene Information offenbar ohne Frage- und sonstige Satzzeichen ab, und je häufiger etwas wiederholt wird – auch die größte und unglaublichste Lüge –, desto eher sind wir geneigt, es zu glauben.
Bundesregierung und Greta Thunberg einig
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Zugegeben, der Titel ist einigermaßen reißerisch und zu 99 % nicht akkurat. Aber eines haben die beiden Erwähnten eben doch gemeinsam: Eine relativ neue Präsenz im Social-Media-Netzwerk Mastodon. Der Bund gleich mit einem eigenen Server, die Fridays-for-Future-Initiatorin auf der schwedischen Instanz mastodon.nu (zu den Fachbegriffen gleich mehr).
Das sind erstmal alles gute Nachrichten, denn ein Social-Media-Netzwerk ohne Nutzer ist nicht besonders »social«. Und doch gibt es auch ein Aber, genau genommen sogar mehrere. Erstens und vielleicht am gewichtigsten: Die Gesprächskultur, die sich in den sechseinhalb Jahren entwickelt hat, seit Mastodon existiert, ist in der Regel geprägt von gegenseitiger Rücksichtnahme, Inklusion, freundlicher und höflicher Kommunikation statt glänzender Präsentation. Bei Twitter ist es dagegen üblich, auf der Jagd nach Followern und »clout«, was sich vielleicht am besten mit »Einfluss« übersetzen lässt, kurze, schnippische, ironische oder sarkastische, gern auch drastische und provokative Botschaften abzusetzen. Der anschließende Dialog ist viel weniger (bis hin zu gar nicht) wichtig; viele Twitter-Nutzer antworten nicht einmal mehr auf die Kommentare.
Zu der Inklusion, die bei Mastodon eine so viel größere Rolle spielt, gehört auch der Umgang mit sogenanntem »Alt-Text«, der für Bilder und Videos eingesetzt und von Screenreader-Software interpretiert wird, damit Blinde und Sehbehinderte zumindest ahnen können, womit der jeweilige Post illustriert ist. Und es gehören Content-Warnungen dazu, die in dem Netzwerk großzügig verwendet werden, um politische Themen hinter einem »Mehr-lesen«-Button zu verbergen, Berichte über Gewalt, drastische Darstellungen, aggressive Sprache, aber auch Film-Spoiler, Pointen von Witzen – oder sie dienen einfach als tl;dr für einen längeren Text; Mastodon-Instanzen haben in der Regel eine Begrenzung von mindestens 500 Zeichen, manche auch 1500 oder gar noch mehr.
Manche Twitter-Nutzer tun sich beim »Erstkontakt« schwer, die für sie fremden Regeln zu verstehen; andere wiederum sind neugierig und fragen sich durch; auch daraus ergeben sich dann gelegentlich unterhaltsame Dialoge. Es muss also kein »Culture Clash« sein, aber für beide Seiten sind momentan die Lernkurven recht steil. Ein klassisches Zitat, nur sinngemäß wiedergegeben: »Früher war meine Timeline voll, wenn alle halbe Stunde mal was reingekommen ist, jetzt kriege ich alle paar Minuten eine Freundschaftsanfrage!«
Ein anderer Unterschied liegt in der Struktur bedingt: Twitter wird zentral von einem Serverpool aus betrieben, das Mastodon-Netzwerk besteht aus tausenden von Rechnern mit ganz unterschiedlich vielen Benutzern – manchmal nur eine Handvoll, manchmal mehrere Zehntausend -, die sich mithilfe des sogenannten ActivityPub-Protokolls miteinander verbinden. Das hat den Vorteil, dass neue Nutzer sich einen Server, bei Mastodon »Instanz« genannt, aussuchen können, der ihren interessen entspricht. Manche sind speziell auf Künstler oder Musiker ausgerichtet, andere auf Wissenschafts-Communities, Politik-Interessierte, Hobbyisten, Comicfans. Da Mastodon freie Open-Source-Software ist, kann jede Person, die will, selbst eine Instanz installieren und betreiben. (Selbst Donald Trumps »truth social« basiert auf Mastodon.) Und dank des großen Interesses der vergangenen drei Wochen beginnen auch rechtsaußen orientierte, rassistische, misogynistische und viele andere problematische Gruppierungen, eigene Server aufzusetzen.
Bislang allerdings lässt sich sagen, dass die in Mastodon selbst eingebauten Kontrollmechanismen – wie Reporting, die Möglichkeiten, einzelne User, aber auch ganze Server zu blocken und ähnliches – schnell greifen und oftmals besser als die kommerziellen Social-Media-Netzwerke schaffen, Hatespeech, Diskriminierung, Rassismus und dergleichen zu filtern. Und, siehe oben: Durch die historische Selbstdefinition als inklusives Netzwerk wird die Debatte über diese Themen weit intensiver und fruchtbarer geführt.
¹ Als »Fediverse« wird das gesamte Netzwerk unabhängiger Server bezeichnet, die mittels ActivityPub miteinander verbunden sind, darunter Mastodon-betriebene, aber auch PeerTube (eine Art YouTube), Pixelfed (eine Art Instagram) und zahlreiche andere Anwendungen.
Neue Abmahnwelle
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Mit der Hartnäckigkeit von Schmeißfliegen kommen sie immer wieder: Serien von Abmahnungen gegen Website-Betreiber. Mal geht’s um die Impressumspflicht, dann um Datenschutz-Hinweise – und diesmal um die Einbindung von Google-Fonts.
So notwendig die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) natürlich ist, bietet sie doch auch eine Menge Fallstricke gerade für die Betreiber kleiner Websites, die sich keine*n Datenschutzbeauftragte*n leisten können. Oft schaffen auch neue Gerichtsurteile überhaupt erst Präzedenzfälle; so geschehen am 20. Januar dieses Jahres: Da entschied das Landgericht München, dass der Aufruf von Schriften aus dem Google-Angebot einen Datenschutzverstoß darstellt. Was in gewisser Weise auch verständlich und richtig ist, denn wenn eine Google-Schrift geladen wird, wird die IP-Adresse in die USA übermittelt.
Kurz zur Erklärung: die sogenannten Google-Fonts sind eine Sammlung verschiedener Schriftarten (»Fonts« im Englischen), die in das Design einer Website kostenlos eingebunden werden können. Inzwischen umfasst das Angebot über 1000 unterschiedliche Fonts, damit gibt Google Webdesigner*innen umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand. Und der Konzern behauptet auch, es würden keine personenbezogenen Daten gespeichert und/oder verarbeitet. Dennoch ist eine IP-Adresse theoretisch einer bestimmten Person zuordbar, wenn auch nicht ohne größeren Aufwand.
Zwar ist das Münchner Urteil noch gar nicht rechtskräftig, dennoch werden schon seit geraumer Zeit Abmahnungen verschickt, die in der Regel zur Zahlung von 100 bis 500 Euro auffordern.
Abhilfe schafft das Einbinden der Schriften auf dem eigenen Server – damit entfällt die Anfrage in den USA. Wie das geht, erklärt beispielhaft dieses Video bei YouTube. Einfach und verkürzt ausgedrückt, ist die Methode, die Schriftdateien auf dem eigenen Server abzulegen und das CSS auf diese Dateien verweisen zu lassen statt auf die externe Google-Adresse. Für Menschen, die eine eigene WordPress-Site betreiben (und sich nicht daran stören, geduzt zu werden), gibt’s hier eine brauchbare Anleitung, wie in dem Fall vorzugehen ist.
Eine weitere Möglichkeit könnte sein, die Google-Fonts mit in die Datenschutzhinweise und das vorgeschaltete Cookie-Banner einzubeziehen – hier ist aber wichtig, dass tatsächlich vor dem eigentlichen Seitenaufbau schon die Einwilligung abgefragt wird. Deswegen, und auch, weil Cookie-Banner ohnehin gerade wieder unter besonderer Beobachtung stehen – die Verbraucherschutzzentrale Bayern hat vor ein paar Tagen ein Browser-Plugin veröffentlicht, das diese Banner weitestgehend unsichtbar macht (und natürlich datenschutzkonform alle Zugriffe ablehnt) –, ist die lokale Einbindung die deutlich bessere Wahl.
Und wenn die Abmahnung schon in der Post liegt? Nicht hektisch werden, besser besonnen reagieren und möglichst Anwaltshilfe einschalten, empfiehlt heise.de, zumindest, wenn das Schreiben nicht von einer Privatperson, sondern einer Anwaltskanzlei kommt.
Musk was?! Fedi- wie?
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Am vergangenen Donnerstag berichteten verschiedene US-Medien¹ ² ³, dass Multimultimultimilliardär Elon Musk als neuer Eigentümer der Social-Media-Plattform Twitter offenbar plant, knapp drei Viertel der Belegschaft zu entlassen. Für viele ist das ein (weiteres) Signal, dass es Zeit wird, das Diskussionsnetzwerk zu verlassen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Frage ist nur: zu welchen?
¹ Washington Post, ² Bloomberg, ³ New York Post
Keine Frage, die etablierten Sozialen Medien haben momentan noch einen De-facto-Monopolstatus in ihrem jeweiligen Bereich. Wer Bilder mit der Welt teilen will, geht zu Instagram, wer eher längere Videos veröffentlicht, nutzt YouTube, wer mit Kurzvideos Spaß (und durchaus auch ernsthaftere Themen) verbreiten möchte, geht zu TikTok. Bei Facebook sind alle, die es immer noch nicht geschafft haben, woanders hin zu wechseln, um es mal etwas gemein zu sagen. Und alle, denen an Diskussion und Information vorwiegend mit Worten gelegen ist, versammeln sich eben bei der Website mit dem blauen Vögelchen. (Dass sämtliche Social-Media-Plattformen in den letzten Jahren ihre Möglichkeiten erweitert haben, dass man auch bei Insta längere Texte in die Kommentare schreiben, bei YouTube auch kurze Snippets veröffentlichen, bei TikTok inzwischen bis zu zehn Minuten hochladen und bei Twitter längst auch Bilder und Videos hinzufügen kann, sei hier nur am Rande erwähnt.)
Was also tun, wenn das Bedürfnis zu posten, sich auszutauschen, neue Menschen überall in der Welt kennenzulernen, immer noch da ist, die Plattform sich aber in eine unschöne Richtung entwickelt (denn wer will schon eine Firma unterstützen, die mal eben 75 % ihrer Mitarbeiter rauswirft?) — was gibt es dann tatsächlich für Optionen?
Die kurze Antwort: das Fediverse.
Die etwas längere: kommt jetzt.
Anders als die großen Player ist das sogenannte Fediverse nicht monolithisch auf einem Server(park) untergebracht, sondern auf viele einzelne Rechnern verteilt. »Dezentral« ist hier das Schlüsselwort; für etwas theoretischen Background seien hier die Wikipedia-Einträge zu Verteiltes System und Verteiltes soziales Netzwerk genannt. Einerseits heißt das, dass viele verschiedene Instanzen einer Software auf vielen verschiedenen Servern liegen, die miteinander kommunizeren und jeweils eigene inhaltliche Schwerpunkte haben; andererseits – und hier wird’s spannend – können sich mittlerweile dank gemeinsamer Kommunikationsprotokolle auch unterschiedliche Softwares miteinander verbinden. Ganz so, als könne man im eigenen Twitter-Feed auch die Instagram-Posts von Freunden sehen.
Begonnen hat die Entwicklung in den Jahren 2008 — 2010; in größerem Maßstab dann mit den beiden Anwendungen Friendica (2010) und diaspora* (2012). (Fun Fact: diaspora* startete 2010 für die Entwicklung eine Kickstarter-Kampagne, die innerhalb von nur zwölf Tagen ihr Finanzierungsziel erreichte, über die Laufzeit mehr als 200 000 Dollar einnahm und damit das bis dahin erfolgreichste Projekt der Crowdfunding-Plattform wurde.) Die Motivation war in beiden Fällen, eine werbefreie Alternative zu Facebook zu entwickeln, die Nutzerdaten nicht als Kapital ansieht, sondern als zu schützende Privatsphäre; Grundlage war ebenfalls bei beiden von Anfang an Freie Open-Source-Software, die es auch Privatpersonen ermöglichen sollte, ein eigenes Social Network zu installieren und zu betreiben.
Über das seitdem vergangene reichliche Jahrzehnt sind eine Menge Projekte zum Fediverse dazugekommen; hier folgt jetzt eine – ganz sicher nicht vollständige! – Liste mit ihren jeweiligen Einsatz-Schwerpunkten, alphabetisch sortiert:
Es gibt Nachteile, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen:
Die Tatsache, dass es mehrere, oft viele verschiedene Instanzen einer Software gibt und man sich vorher entscheiden muss, bei welcher man sich anmelden möchte, scheint vielen Menschen umständlich und unübersichtlich. Es ist allerdings ohne weiteres möglich, bei verschiedenen Instanzen einen Account zu eröffnen.
Durch die hohe Sichtbarkeit der kommerziellen Anwendungen und die oben beschriebene nötige Lern- bzw. Informationskurve sind die Anwenderzahlen deutlich geringer. Die Website Fediverse.Party geht von derzeit
6 057 288 Accounts,
1 521 314 aktiven Nutzern und
8 764 Server-Instanzen aus. Deswegen entschließen sich immer noch wenige Menschen, einen Account anzulegen, und deswegen bleiben es verhältnismäßig wenige Nutzer – ein Teufelskreis, der nur unterbrochen werden kann, wenn sich viele Nutzer entscheiden, sich anzumelden. Vielleicht ist das aktuelle Twitter-Debakel ein etwas stärkerer Impuls …
Unterschiedliche Server sind unterschiedlich gut gepflegt, deswegen empfiehlt es sich auch immer, auf die Aktualität der Software zu achten, die in der Regel angegeben ist.
Da oft kleine Teams (bis hinunter zu Einzelpersonen) die Softwares entwickeln, sind manche Features, die man als selbstverständlich empfinden mag, (noch) nicht implementiert. In der Regel gibt es aber die Möglichkeit, darüber mit den Admins zu kommunizeren.
Fazit: Open-Source, dezentral, untereinander vernetzbar, ohne finanzielle Interessen und mit Schwerpunkt auf Privatsphäre – alles spricht für das Fediverse. Die »Trägheit der Masse« macht den Umstieg allerdings schwer. Twitter-, Insta-, Facebook-Freunde zu überzeugen, gemeinsam umzuziehen, kann eine Sisyphos-Aufgabe sein. Andererseits: Warum nicht einfach mal ausprobieren? Um es mit Erich Kästner zu sagen: Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es.
Zu kaputtbar! (V)
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In der letzten Folge unserer kleinen Serie über Herstellung, Lebensdauer, geplante Obsoleszenz, mögliche oder auch unmögliche Reparaturen und schließlich Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Geräten wollen wir einen Ausblick wagen. Welche Maßnahmen sind notwendig, um den Müllberg zu verringern, die Produktion umweltfreundlicher zu gestalten, Geräte langlebiger zu machen? Was wird davon schon umgesetzt, was ist geplant, und wann?
Vor ein paar Tagen titelte DER SPIEGEL: Milliarden ausgediente Smartphones werden unsachgemäß entsorgt – und das, obwohl die Entsorgung den Kund*innen schon wesentlich leichter gemacht wurde. Der vergangene Freitag, 14. Oktober, war der fünfte International E-Waste Day, und aus diesem Anlass hat das WEEE Forum¹ die Ergebnisse von Umfragen veröffentlicht, die von Juni bis September 2022 in sechs europäischen Ländern durchgeführt wurden. Die Auswahl von Portugal, den Niederlanden, Italien, Rumänien und Slovenien und zusätzlich dem Vereinigten Königreich repräsentiert die Diversität der Europäischen Union, wie es in dem Beitrag des Forums heißt.
¹ Waste Electrical and Electronic Equipment
Eines der Ergebnisse: In den insgesamt 8775 befragten Haushalten waren im Durchschnitt 74 E-Produkte vorhanden, darunter Smartphones und Mobiltelefone, Tablets und Laptops, elektrische Werkzeuge, Föne, Toaster und andere (Lampen wurden nicht mitgezählt). Davon waren neun zwar noch funktionsfähig, aber nicht mehr in Betrieb, und fünf waren kaputt. Zusammen also 14 Geräte pro Haushalt, die recyclet werden könnten, aber nicht werden. Hier die fünf Spitzenreiter: 1. Kleinelektronik und Zubehör wie Kopfhörer, Fernbedienungen; 2. Kleingeräte wie Uhren oder Bügeleisen; 3. IT-Kleingeräte wie Festplatten, Router, Tastaturen und Mäuse; und 5. Kleingeräte zur Essenzubereitung wie Toaster, Küchenmaschinen oder Grills.
In diesem Jahr werden nach Expertenschätzungen von den weltweit rund sechzehn² Milliarden Mobiltelefonen etwa 5,3 Millarden unbrauchbar. Aber nur ein kleiner Teil wird fachgerecht entsorgt und damit recyclet, trotz der vielen wiederverwendbaren Bestandteile wie Gold, Kupfer, Silber, Palladium und vielen anderen. Der Rest landet im Müll und verseucht von dort aus die Umwelt, wie wir in der letzten Folge beschrieben haben – oder verschwindet, aus den Augen, aus dem Sinn, in Schubladen, Regalen, Schränken oder Garagen. Das WEEE Forum schreibt, dass Mobiltelefone auf Platz 4 der gehorteten Geräte stehen und fügt das Wort »überraschenderweise« hinzu; allerdings ist aus anderen Studien ersichtlich, dass die Bindung zum Smartphone mit starken Emotionen verbunden ist. Was die Überraschung deutlich lindern könnte.
² Das sind mehr als zwei pro Person, alle Babys und Kleinkinder mit eingeschlossen!
Magdalena Charytanowicz, Kommunikationsmanagerin des WEEE Forums, fasst zusammen: Allein die im Jahr 2022 produzierten kleinen EEE-Geräte wie Mobiltelefone, elektrische Zahnbürsten, Toaster oder Kameras werden ein geschätztes Gesamtgewicht von 24,5 Millionen Tonnen erreichen, viermal so viel wie die Große Pyramide von Gizeh. Das Forum hat mehrere Vorschläge, was zu tun ist:
— Alle, die mit Elektroschrott zu tun haben, müssen rechtlichen Mindestverpflichtungen unterworfen werden. (Im englischen Original heißt es »all entities«, das umfasst also sowohl Einzelpersonen, als auch Organisationen, Firmen, Staaten, juristische Personen …)
— Pfand- und Rückgabesysteme
— Digitale Produktpässe
— Internationale, erweiterte Herstellerhaftung, die auf staatenübergreifenden Standards für den Umgang mit und die Unschädlichmachung von EEE-Schrott basieren, und übereinstimmende Definitionen, Kategorien, Methodologien und Prinzipen.
In Ansätzen finden sich einige dieser Ideen schon in aktuellen Gesetzen wieder. Seit dem 1.1.2022 gilt das umständlich betitelte »Erste Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes«³, kurz »ElektroG«; laut diesem müssen seit Juli dieses Jahres auch Lebensmittelhändler ab einer Verkaufsfläche von mindestens 800 m², die mehrmals im Jahr oder durchgehend Elektro- und/oder Elektronik-Artikel anbieten, kostenlos E-Waste annehmen und dem Recycling zuführen. Im Selbstversuch zeigte sich, dass das bislang nur mäßig funktioniert; bei einem Supermarkt der Kette mit dem blauen E auf gelbem Grund war die Abgabe einer ausgedienten elektrischen Zahnbürste nicht möglich. Deswegen hier der Tipp, lieber gleich zu einem Elektro-Markt zu gehen; auch wenn der »Geiz-ist-geil«-Slogan immer noch unangenehm im Gedächtnis nachhallt, nehmen diese widerspruchslos bis zu drei Altgeräte pro Produktgruppe an.
³ In Social-Media-Posts würde man ein »Gesetz zur Änderung eines Gesetzes« wohl mit einem herzlichen »lol« kommentieren.
Fast noch interessanter ist, dass auch der Versand umfassender in die Pflicht genommen wird: Wie die Industrie- und Handelskammer Karlsruhe berichtet, muss bei der Lieferung in private Haushalte gleichzeitig eine kostenlose Rücknahme angeboten werden, worauf sogar ausdrücklich hingewiesen werden muss, und die Kund*innen müssen beim Kauf gefragt werden, ob sie Altgeräte zurückgeben möchten. Die IHK ergänzt: Dies gilt bei drei der sechs Gerätekategorien (d. h. den eher größeren, sperrigen) auch für Internethändler. Bei der nächsten Bestellung könnte es also gleich heißen: »Hallo, Amazon, ich hab hier noch einen alten Kühlschrank stehen, nehmt den bitte gleich mit.«
Auch die Palette der Produkte, die in die Definition von WEEE oder E-Waste fallen, wurde erweitert. Vor allem Kleinteile, wie zum Beispiel elektrische Möbelteile oder Kleidung mit Elektro-Accessoires wie blinkende Sportschuhe, und eine ganze Reihe weiterer, die früher als nicht betroffen eingestuft wurden, müssen jetzt auch zurückgenommen und recyclet werden.
Aber: Wie heise online schon vor Inkrafttreten des Gesetzes bemängelt hatte, wurde eine wesentliche Forderung des Bundesrats nicht umgesetzt, nämlich die aus Sicht der Kreislaufwirtschaft völlige Fehlentwicklung von fest verbauten Akkus in immer mehr Produkten (Smartphones, Laptops etc.) dringend per Gesetz zu beenden, was auch eine Forderung der EU-Kommission ist. Trotz der vielen Fürsprecher hat dieser Passus nicht den Weg ins Gesetz gefunden. Und auch ein Vorschlag von Grünen und Linken, ein Pfandsystem für Mobilgeräte einzuführen, fiel durch.
Alles in allem ist man versucht, das leider immer noch viel zu oft gültige Fazit »too little, too late« zu ziehen. Bleibt abzuwarten, wie das neue, EU-weite Lieferkettengesetz ausfallen wird, in dem auch weiterreichende Umweltschutz-Auflagen festgelegt werden sollen. Der deutsche Alleingang, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (noch so ein »lol«), das am 1.1.2023 in Kraft treten soll, hat vorab von BUND und Deutscher Umwelthilfe erarbeitete Vorschläge nicht übernommen. Was auch eine Analyse der Initiative Lieferkettengesetz (PDF) kritisiert: Das Gesetz berücksichtigt Umweltaspekte nur marginal, eine eigenständige und umfangreiche umweltbezogene Sorgfaltspflicht fehlt (…) Zwar erfasst das Gesetz bisher die Schutzgüter Boden, Wasser und Luft im Rahmen der menschenrechtlichen Risiken, massive Umweltzerstörungen durch Biodiversitätsverlust werden hingegen nicht erfasst, auch das Klima findet keine Berücksichtigung als Schutzgut.
Too little also. Hoffentlich nicht auch too late.
Zu kaputtbar (IV)
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Billigproduktion, geplante Obsoleszenz, schlecht bis gar nicht reparierbare Geräte, zu hohe Reparaturkosten – Gründe gibt es viele, von denen wir einige auch in den bisherigen Folgen schon erwähnt haben, aber am Ende steht immer wieder dieselbe Feststellung: Wir Konsumenten schmeißen immer noch viel zu viel weg. Was das für Auswirkungen hat, wollen wir heute etwas genauer beleuchten.
Allein im vergangenen Jahr wurden laut The Roundup weltweit 57,4 Millionen Tonnen Elektro- und Elektronik-Schrott (kurz: E-Waste) weggeworfen. Wer’s anschaulich braucht: Das entspricht dem Gewicht von 5683 Pariser Eiffeltürmen. Und zum Vergleich: 2014, als damit begonnen wurde, den sogenannten »Global E-Waste Monitor« zu erstellen, waren es noch 41,8 Millionen Tonnen. Eine Zunahme um fast 38 % in sieben Jahren.
Das ist im Fall von E-Waste ganz besonders schlimm. Denn der elektrische und elektronische Abfall enthält zahlreiche giftige Substanzen, wie zum Beispiel Blei, Quecksilber oder auch Cadmium. Sie und andere toxische Materialien im E-Waste sind krebserregend, beeinträchtigen die Fruchtbarkeit, schädigen innere Organe. Nicht nur deswegen wäre fachgerechtes Recycling bei E-Schrott von größter Bedeutung. Aber: Der oben schon erwähnte Roundup-Bericht stellt fest, dass global nur 17,4 % tatsächlich recyclet werden. Der Rest, also der allergrößte Teil, wird auf illegalen Müllkippen im Globalen Süden »entsorgt«. Beispielsweise im westafrikanischen Ghana, in einem Stadtteil von Accra: Auf den Müllhalden von Agbogbloshie landet ein großer Teil des europäischen E-Abfalls.
2013 erklärte die Umweltorganisation Blacksmith Institute deshalb Agbogbloshie zu einem der weltweit verseuchtesten Orte. Zu einem großen Teil sind es Kinder und Frauen, die dort - völlig ohne Schutzkleidung oder auch nur Atemmasken – mit bloßen Händen den giftigen Abfall zerlegen, um verkäufliche Reststoffe wie zum Beispiel Eisen zu finden. Im nächsten Schritt wird der Müll oft verbrannt, um weitere wertvolle Rohstoffe zugänglich zu machen; dabei entstehen hochgiftige Gase, die von den Arbeiter*innen regelmäßig eingeatmet werden. Und schließlich wird alles, was nicht verwertbar ist, vergraben – was wiederum die Böden und das Grundwasser verseucht.
Auf der anderen Seite der Lebensspanne von Elektrik und Elektronik steht die Gewinnung der Rohstoffe. Die Nachfrage nach Gold, Kobalt, Seltenen Erden und anderen Bestandteilen ist erheblich gewachsen, aber auch deren Abbau ruft massive Umweltverschmutzungen hervor und ist meist mit schweren Menschenrechtsverletzungen verbunden. Kobalt, um nur einen Bestandteil zu nennen, wird für Akkus benötigt. Seine Gewinnung liegt oft in den Händen von Kindern, die nicht einmal einen Mindestlohn ausgezahlt bekommen, dafür aber bei der Arbeit täglich ihr Leben riskieren. Und das Erdreich um Kobaltminen wie auch umliegende Gewässer sind allermeistens schwer verseucht.
Und auch Seltene Erden sind in ihrem Gewinnungsprozess eine große Belastung für die Umwelt. Der allergrößte Teil der weltweiten Produktion liegt in China, und das deutsche Umweltbundesamt hat schon 2015 eine Fallstudie zu den Auswirkungen auf die Umwelt, aber auch soziale Folgen der Gewinnung von Seltenen Erden in Bayan Obo (Innere Mongolei) veröffentlicht. Die Forscher stellen darin fest: Durch die unsachgemäße Entsorgung der Abwässer kommt es zu einer Kontaminierung der gesamten umliegenden Wassersysteme mit entsprechenden Belastungen des Trinkwassers und landwirtschaftlich genutzten Wassers (…) Die entstehende Luftverschmutzung – vor allem Staub – kann abhängig von der physikalisch-chemischen Zusammensetzung hautreizend, giftig oder krebserregend sein. Die weitläufigen Bergeteiche von Bayan Obo enthalten zudem, wie oben beschrieben, eine Vielzahl von toxischen Chemikalien und radioaktive Elemente. Aufgrund dieser Belastungen ist die Sterblichkeitsrate durch Lungenkrebs deutlich erhöht.
Es sei noch hinzugefügt, dass der größte Teil des Elektromülls zwar aus Asien stammt – aber der Pro-Kopf-Anteil trotzdem in Ländern wie Deutschland und den USA mit großem Abstand am höchsten ist; in einem Bericht des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 2020 heißt es: Zwar fielen in Deutschland 2019 nur knapp zwei Millionen Tonnen Elektroschrott an (zwölf Millionen Tonnen in ganz Europa), während über 46 Prozent in Asien entstanden (knapp 25 Millionen Tonnen), aber: Mehr als 20 Kilogramm Elektroschrott pro Kopf entstehen in Deutschland, genau wie in den USA. Der weltweite Durchschnitt liegt mit 7,3 Kilogramm E-Waste pro Kopf weit darunter. Menschen in Afrika haben daran den kleinsten Anteil mit gerade einmal 2,5 Kilogramm Elektroschrott pro Person und Jahr.
Andererseits liegt die deutsche Recyclingrate weit höher als der internationale Durchschnitt, bei über 50 % – das ist zwar besser, aber längst noch nicht gut. Was schon getan wird und was geplant ist, um das E-Waste-Problem und die Produktionsbedingungen von E-Geräten zu verbessern, werden wir in der nächsten und letzten Folge unserer kleinen Serie »Zu kaputtbar!« genauer unter die Lupe nehmen.
Der Klima-Supercomputer
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Nein, unsere Serie »Zu kaputtbar« ist noch nicht zu Ende – aber aus aktuellem Grund unterbrechen wir sie heute und berichten von einer spannenden Einweihung. Deutschlands einziger Super-Rechner, der ausschließlich für Klimaberechnungen genutzt werden wird, ist in Hamburg am vergangenen Donnerstag in Betrieb gegangen.
Eigentlich müsste man den Begriff im Plural benutzen: »Levante«, wie das System heißt, besteht aus 2.832 eng vernetzten Computern mit je zwei Prozessoren, die zusammen eine Spitzenrechenleistung von 14 PetaFLOPS liefern, wie Jana Meyer schreibt, Presse- und Öffentlichkeitsbeauftragte des Deutschen Klimarechenzentrums, das »Levante« betreibt. Für alle, die nicht hundertprozentig sattelfest im Zählen von Gleitkommaoperationen sind: 14 PetaFLOPS sind 14 Billiarden mathematische Operationen – pro Sekunde.
800 Terabyte groß ist der Hauptspeicher, das entspricht etwa 100.000 modernen Laptops, und die Datenübertragung innerhalb des Systems kann bis zu bis zu 200 GBit/s erreichen. Dank dieser erstaunlichen Werte wird das System die komplexen Berechnungen durchführen können, die zur Erfassung und Modellierung von Klimaphänomenen notwendig sind, und ist laut Presseerklärung der einzige allein für die Klimaforschung genutzte Supercomputer in Deutschland und ermöglicht fortan neue Perspektiven für die computergestützte Klimawissenschaft.
Zu kaputtbar! (III)
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In der letzten Folge ging es um Reparaturen von kaputtgegangenen (Elektro-)Geräten. Und um den typischen Fall einer Waschmaschine, die kurz nach Ablauf der Garantie den Geist aufgab und deren Reparatur einschließlich Anfahrt teurer geworden wäre als der Neukauf. Typisch in sofern, als wahrscheinlich alle, die schon mal etwas gekauft haben, auch schon erlebt haben, wie das Gekaufte seltsamerweise nur ein paar Tage nach Garantieende nicht mehr funktionierte. Stimmt’s?
Das ist keine anekdotische Erfahrung und auch kein Zufall, sondern es handelt sich dabei um die »geplante Obsoleszenz«. Der Duden erwähnt als Übersetzung von »obsolet« die Bedeutungen nicht mehr gebräuchlich; nicht mehr üblich; veraltet oder auch überflüssig. So weit, so harmlos, aber schon wenn man das Substantiv dazu nachschlägt, wird das Nachschlagewerk der deutschen Sprache deutlich: Obsoleszenz, die — die [in seiner Herstellungsweise, seinen Materialien oder Ähnlichem angelegte] Alterung eines Produkts, das dadurch veraltet oder unbrauchbar wird. Laut Duden kann man also getrost das Adjektiv »geplant« weglassen, die Planung steckt nämlich schon im Wort.
Hersteller geben es natürlich ungern zu, aber ein Urban Myth ist die O. deswegen noch lange nicht: Schon 1932 veröffentlichte der US-amerikanische Kaufmann Bernard London einen Aufsatz mit dem Titel »Ending the Depression Through Planned Obsolescence«. Die Konsumenten, stellte er darin fest, sind zu vorsichtig geworden und kaufen nicht mehr von allein neue Dinge, sondern benutzen die alten einfach immer weiter! London wirft den Kunden vor, dass sie verantwortlich sind für die hohe Zahl von Arbeitslosen zu jener Zeit. Und dass sie es Produzenten unnötig schwer machen, vernünftig zu planen. Also: Briefly stated, the essence of my plan for accomplishing these much-to-be-desired-ends is to chart the obsolesce of capital and consumption goods at the time of their production. In etwa bedeutet das: Kurz, die Essenz meines Plans zum Erreichen dieser sehr wünschenswerten Ziele [die Arbeitslosigkeit zu beenden, Wohlstand wiederherzustellen und den Lebensstandard zu verbessern, die Red.] ist es, die Veralterung von Investitions- und Konsumgütern zum Zeitpunkt ihrer Herstellung festzulegen.
Allerdings schlug London damals, vor neunzig Jahren, vor, dass die Konsumenten informiert würden über die Lebensdauer der Produkte und eine Regierungsbehörde mit der Zerstörung der sozusagen »abgelaufenen« Güter beauftragt wäre. Das ist heute nicht der Fall. Wir kaufen Artikel im Glauben, dass sie haltbar seien, tatsächlich aber haben sie eine versteckte »Selbstzerstörung« eingebaut. So beschreibt es auch das Magazin CHIP in einem Artikel aus dem Oktober 2017: Die geplante Obsoleszenz ist eine Produktstrategie, die bewusst Schwachstellen in ein Produkt einbaut. (…) Nachweisbar ist die geplante Obsoleszenz leider nicht. Die Konzepte sind ausgeklügelt und so gestrickt, dass eine Abgrenzung zum normalen Verschleiß nicht möglich ist. Die Deutsche Umwelthilfe erwähnt zusätzlich andere, subtilere Formen wie zum Beispiel die fehlende Reparierbarkeit oder auch die Nichtkompatibilität mit anderen Produkten.
So dass in der Konsequenz das Umweltbundesamt 2016 in einer Studie feststellte, dass die Erst-Nutzungsdauer von den meisten untersuchten Produktgruppen in den letzten Jahren abgenommen hat. Die Firma Apple gibt das indirekt sogar zu, wenn sie schreibt: (…) years of use, which are based on first ownership, are modeled to be four years for macOS and tvOS devices and three years for iOS, iPadOS, and watchOS devices. Drei Jahre für ein iPhone – das klingt schon fast viel, denn nicht zuletzt sind es oft auch die Verbraucher, die ein neues wollen, auch wenn das alte noch gut funktioniert. Das allerdings ist wiederum auch so gewollt: Die Verwandlung von Technik in Mode, wie es der Obsoleszenz-Ratgeber von Utopia.de nennt, sorge dafür, dass die Apple-Kunden immer das neueste haben wollen.
Auf derselben Seite gibt es aber auch eine ganze Reihe von Tips, wie Kunden gegen den Verschleiß vorgehen können. Die einmal durchzugehen lohnt sich, hier nur ein paar Ausschnitte für einen ersten Eindruck: Kaufe nichts, nur weil es (gerade) billig ist. (…) Meide Produkte, die allzu deutlich aus asiatischer Billigproduktion stammen. (…) Kaufe nur, was du wirklich brauchst. (…) Wer sich von vorneherein für Klassiker entscheidet, wird lange damit zufrieden sein. Und nicht zuletzt: Reparieren und Selbermachen. Hier hat die Seite einige Links zu Repair-Cafés, der »Maker«-Bewegung und zu DIY parat.
Es geht also auch anders – aber parallel müssen Gesetze her, die den Herstellern wesentlich engere Grenzen setzen. Da gibt es durchaus Bewegung; über die aktuelle Entwicklung werden wir demnächst hier berichten.
Zu kaputtbar! (II)
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Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e. V. in Kehl, kurz EVZ, hat in der jüngsten Ausgabe seiner »Eurobarometer« genannten regelmäßigen Umfrage herausgefunden: 77 Prozent aller Europäer*innen wünschen sich, dass ihre Elektrogeräte reparierbar sein sollten, statt dazu gezwungen zu sein, ständig neue kaufen zu müssen. Die Verbraucher*innen sind also längst viel weiter als die Hersteller – auch wenn die seit März 2021 durch die europaweit geltende Ökodesign-Richtlinie schon mit einer Reihe von Auflagen an die Kandare genommen wurden.
Für Geräte wie zum Beispiel Geschirrspüler und Waschmaschinen, Kühl- und Gefrierschränke, Bildschirme und Fernseher gelten ein paar einfache Bedingungen, die Reparaturen attraktiver machen sollen. So müssen Ersatzteile mit üblichen Werkzeugen austauschbar sein und für eine Mindestzahl von Jahren lieferbar bleiben (sieben bis zehn, je nach Gerätetyp), die Lieferung muss innerhalb von maximal 15 Tagen passieren, »nicht sicherheitsrelevante Teile« wie Scharniere oder Griffe dürfen die Verbraucher*innen selbst kaufen. Es gibt noch weitere Regeln, eine Übersicht findet sich auf der EVZ-Seite.
Aber – all das gilt erst seit anderthalb Jahren und setzt sich erst langsam durch.
Momentan sieht es immer noch eher finster aus. Schon im März 2020 stellte die Stiftung Warentest in einer Online-Umfrage mit über 10.000 Teilnehmer*innen fest: Was einmal kaputt geht, bleibt es meistens auch. Aus unterschiedlichen Gründen – vor allem aber aufgrund der hohen Kosten. Ein Beispiel war eine Waschmaschine, die kurz nach Ablauf der Garantie den Geist aufgab und deren Reparatur einschließlich Anfahrt teurer geworden wäre als der Neukauf. Aber selbst wenn die Kunden eine Reparatur in Auftrag gegeben haben, war weit mehr als die Hälfte der Defekte nicht zu reparieren.
Ob die Reparatur Erfolg hatte, war stark von den Gerätegruppen abhängig. Nur gut ein Fünftel der Drucker konnte wieder in Schwung gebracht werden, bei Tablets, Navis und Fernsehern war es jeweils weniger als ein Drittel. Und auch Mobiltelefone und Notebooks blieben deutlich unter 50 Prozent. Spitzenreiter waren Trockner – mit auch nicht gerade überwältigenden 64 % – und Waschmaschinen (58 %).
Hinzu kommt: Ein massives Problem bei Smartphones, Tablets und zunehmend auch Laptops ist der Umstand, dass immer mehr Hersteller dazu übergegangen sind, die Akkus fest zu verbauen. Ausgerechnet jene Bestandteile mobiler Geräte, die am schnellsten versagen! Ein Austausch ist oft gar nicht, und wenn doch, dann nur in einer entsprechend teuren Spezialwerkstatt möglich.
Was vermutlich die meisten nicht wissen: Das ist seit vielen Jahren gesetzeswidrig. Denn in § 4 S. 2 des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) in der Fassung von 2015 steht eindeutig: Elektro- und Elektronikgeräte, die vollständig oder teilweise mit Batterien oder Akkumulatoren betrieben werden können, sind möglichst so zu gestalten, dass Altbatterien und Altakkumulatoren durch Endnutzer problemlos und zerstörungsfrei entnommen werden können. Das Problem ist hier das kleine Wörtchen »möglichst«. Die Einhaltung des Gesetzes ist dadurch nicht juristisch durchzusetzen.
In der früheren Fassung des Gesetzes, die zehn Jahre lang vor der Neuformulierung galt, stand noch: Elektro- und Elektronikgeräte, die vollständig oder teilweise mit Batterien oder Akkumulatoren betrieben werden können, sind so zu gestalten, dass eine problemlose Entnehmbarkeit der Batterien und Akkumulatoren sichergestellt ist. Kein »möglichst« weit und breit – ob da wohl Lobbyarbeit im Spiel gewesen sein mag?
Nicht alle Gesetze verändern sich also zum Guten; wo es aber in der jüngeren Zeit tatsächlich deutliche Verbessungen gegeben hat oder geben wird (zum Beispiel eine neue EU-Regel, die verbieten soll, Akkus fest einzubauen), werden wir in einer der nächsten Folgen beleuchten.
Neue Serie: Zu kaputtbar! (I)
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Die Sommerpause ist vorbei, und die Cors-Tech-News eröffnen die neue Saison mit einem Mehrteiler zum Thema: Warum reparieren, wenn man neu kaufen kann?!
Der Autor dieses Texts besitzt ein Laptop, dessen STRG-Taste gebrochen ist. Es gibt sie nicht als Austausch, also müsste man die gesamte Tastatur ersetzen. Machbar, aber: Kostenpunkt bis zu € 150, je nach Lieferbarkeit. Außerdem ist ein Teil eines Kopfhörer-Steckers in der Buchse steckengeblieben; die Audio-Einheit ist eine »Black Box«, fest verlötet mit der Platine. Deren Austausch dürfte noch einmal soviel kosten. Der Reparaturservice selbst sagt: Dit lohnt sich nich, holnse sich lieber ’n Neun.
Diese Mentalität hat sich in den letzten Jahren massiv durchgesetzt. Was seltsam ist, da sich im selben Zeitraum auch das Wissen darum, dass unsere Ressourcen begrenzt sind und wir dringend unsere Müllproduktion begrenzen müssen, massiv durchgesetzt hat. Deswegen werden Getränkedosen recyclet und Plastikstrohhalme verboten, deswegen müssen Geschäfte mittlerweile alte Elektro- und Elektronikgeräte zurücknehmen.
Aber – warum wird nicht viel mehr repariert?
Das Problem hat, zumindest teilweise, seinen Anfang genommen mit Smartphones. Kleine Geräte, oft mit State-of-the-Art-Technik, die aber fast die Halbwertzeit von Designermode haben. Nach einem Jahr, spätestens nach zweien muss ein neues her. Wollen zumindest die Hersteller ihre Kunden glauben machen, indem sie ständig neue Features einbauen und mit neuen Updates ältere Hardware überfordern. Bis vor einigen Jahren warben Mobilfunk-Anbieter sogar mit Tarifen, in denen der jährliche Wechsel fest eingeplant war.
Langsam zwar, aber immerhin findet offenbar ein Sinneswandel statt; schon 2016 hat Greenpeace eine Studie beauftragt, die zu dem Ergebnis kam, dass drei von fünf befragten Deutschen lieber ein Smartphone hätten, das länger als bisher hält. (Im selben Jahr fuhr die Smartphone-Branche Absatzrekorde ein.) In einer aktuellen Studie des Kreditversicherers Euler Hermes aus dem Februar 2022 stellt dessen DACH¹-CEO Milo Bogaerts fest: Europäer tauschen ihre Geräte aktuell durchschnittlich nach rund 40 Monaten – das ist etwa ein Viertel länger als noch 2016. Und selbst im »Consumer Paradise« USA tauschen Verbraucher ihre Smartphones aktuell nach rund 24 Monaten – aber auch hier hat sich die Nutzungsdauer der Geräte seit 2016 um 30 % verlängert.
Problem ist nur: Wenn das Handy kaputt geht, geht’s ans Portemonnaie. Vor einer Woche veröffentlichte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) eine Untersuchung mit der Überschrift Reparaturen bei Smartphones zu teuer. Der Verband hatte eine Forsa-Umfrage beauftragt, die ergab, dass 47 Prozent der befragten Smartphone-Besitzer:innen, an deren Gerät in den letzten 24 Monaten ein Defekt aufgetreten ist, dieses nicht reparieren lassen hätten. Von ihnen gibt knapp die Hälfte (49 Prozent) an, dass dies zu teuer gewesen wäre. Daraufhin recherchierte der vzbv und stellte fest: Eine Reparatur lohnt sich finanziell oft nur bei höherpreisigen Geräten. Anders gesagt, in der Preisklasse zwischen € 300 und € 600 müssen Verbraucher:innen für die Reparatur im schlechtesten Fall mehr bezahlen als für ein neues Gerät. Der Verband hat auch ein abschreckendes Zahlenbeispiel: Bei einem Neupreis von 345 Euro hätte die Reparatur des Displays demnach 369 Euro gekostet.
Die vzbv-Vorständin Ramona Pop fordert deswegen einen Reparaturbonus, also eine finanzielle Förderung von Reparaturen. Eine Senkung der Mehrwertsteuer könnte zudem die Kosten für Reparaturdienstleistungen reduzieren. Vor allem brauchen wir einen Reparaturindex, über den Verbraucher:innen leicht erkennen, wie gut und zu welchem Preis sich ein Gerät reparieren lässt. So ein Index könnte auch den Wettbewerb der Hersteller fördern, leicht und günstig zu reparierende Geräte auf den Markt zu bringen.
So viel zum Thema »Reparierbarkeit von Handys«; die Richtung stimmt zwar, aber da ist noch viel Luft nach oben. In den nächsten Folgen wird es um andere Geräte des Alltags gehen und um geplante Obsoleszenz; darum, was Rohstoffbedarf einerseits und Müllproduktion andererseits in unserer Umwelt anrichten – und darum, wie es besser geht und wo es schon besser gemacht wird.
¹ Deutschland – Österreich – Schweiz
Wasserstoff auf dem Wasser
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Das erste Element des Periodensystems war auch schon letzte Woche Thema – diesmal geht es um einen ganz besonderen Einsatzbereich.
Die wenigsten Menschen haben wohl, wenn es um CO₂-Emissionen geht, Schiffe auf dem Radar. Aber schon allein Transporte auf dem Wasserweg tragen laut der Europäischen Umweltagentur (EUA) in Kopenhagen gut drei Prozent zum Kohlendioxid-Ausstoß der EU bei, an die 150 Tonnen im Jahr 2019. Und auch wenn das vielleicht erstmal trotzdem noch nicht viel klingt: Das maritime Handelsvolumen steigt kontinuierlich und rasant, global ist der Schiffsverkehr schon viele Jahre eine der schnellstwachsenden Treibhausgas-Emissionsquellen. Da käme doch Wasserstoff eigentlich als Ersatz für fossile Brennstoffe sehr gelegen, richtig?
Einerseits, ja. Andererseits, auch das hatten wir vergangene Woche schon erläutert: H muss im gasförmigen Zustand unter Druck gespeichert werden. Das erfordert Spezialbehälter, die sind groß und schwer – und damit das Letzte, was auf ein Schiff gehört, das ja wirtschaftlich arbeiten soll und daher seine Ladekapazitäten besser mit echter Fracht ausnutzt. Auf der Suche nach einer Lösung für dieses Dilemma ist nun die Fraunhofer-Gesellschaft ein gutes Stück vorangekommen, genauer: das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS.
Zusammen mit Partnern haben einige dort Forschende das Projekt »HyMethShip« entwickelt. Kürzlich erschien eine Pressemitteilung, in der die EU-geförderte Forschungsgruppe einen Durchbruch meldete: Sie hat nun eine Technologie entwickelt, die Wasserstoff als emissionsfreies Antriebskonzept nutzt und gleichzeitig sehr sicher ist, wie es in der Veröffentlichung heißt. Und zwar, indem sie einen kleinen »Umweg« nimmt und Methanol, den einfachsten aller Alkohole, als flüssigen Wasserstoffträger verwendet.
Funktionieren soll das dann so: Im Hafen wird Methanol getankt, aus dem auf hoher See über das momentan bedeutendste Verfahren zur H-Herstellung, die Dampfreformierung, Wasserstoff für den Schiffsantrieb gewonnen wird. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Schiffsantrieb ist nahezu vollkommen emissionsfrei, zugleich benötigt man keine großen und potenziell gefährlichen Wasserstofftanks, erklärt Dr. Benjamin Jäger von der Abteilung Katalyse und Materialsynthese am Fraunhofer IKTS.
Denkbar ist die Technologie einerseits für den Fährverkehr zwischen zwei Häfen, an denen Methanol-Tankstationen stehen können. Mittelfristig ist sie aber auch für Container- und Kreuzfahrtschiffe interessant, wie es in der Pressemitteilung heißt. Eine grüne Kreuzfahrt ohne Treibhausgasemissionen und ohne große Schornsteine, die den Ruß aus der Schwerölverbrennung in die Luft blasen, würde Kreuzfahrten auch für umweltbewusste Passagiere attraktiv machen.
Wasserstoffspeicher aus Industrieabfällen
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In unregelmäßigen Abständen kommt beim Thema erneuerbare Energien immer mal wieder auch Wasserstoff (chemisches Symbol: H) auf den Tisch. Er kann erhebliche Mengen Energie speichern und so einerseits transportabel machen, andererseits für Versorgungsengpässe vorhalten. Aber die Speicherung von Wasserstoff ist wiederum auch gar nicht so einfach, immerhin handelt es sich unter Normalbedingungen um ein Gas. Nun scheint aber eine Lösung für eine umweltfreundliche H-Speicherung in greifbare Nähe gerückt.
In einem Interview sagte Armin Schnettler, Präsident des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDI), Anfang des Jahres: Ohne eine ausgeprägte Wasserstoffwirtschaft wird die zweite Stufe der Energiewende, die Dekarbonisierung, nicht zünden! (…) Daher muss der ungehinderte Zugang zu Wasserstoff und dessen Derivaten für Unternehmen so selbstverständlich werden wie ein Stromanschluss und schnelles Internet. Doch um H zu speichern, also lager- und transportfähig zu machen, bedarf es bislang hochreiner Metallhydride. Die Gewinnung oder Herstellung dieser Materialien allerdings setzt große Mengen von CO₂ frei – ist also keine gute Idee!
Eine wesentlich bessere hatte das Helmholtz-Zentrum Hereon für Wasserstofftechnologie im schleswig-holsteinischen Geesthacht: Vergangenen Donnerstag veröffentlichte das Institut eine Presseerklärung, laut derer dort Forschende herausgefunden haben, dass sich die Wasserstoffspeicher auch aus recycelten Industrieabfällen herstellen lassen. Das Ergebnis: eine deutlich klimafreundlichere Herstellung der Metallhydride.
Dr. Claudio Pistidda, Wissenschaftler am Hereon-Institut für Wasserstofftechnologie, wird darin zitiert mit den Worten Ansätze der Kreislaufwirtschaft für die Herstellung von Wasserstoffspeichermaterialien zu nutzen, ermöglicht es uns, die Energie-Herausforderungen unserer Zeit auf eine nachhaltigere Weise anzugehen. Offenbar kann für die Herstellung der Metallhydriden sogar Material verwendet werden, dass ansonsten schwer bis gar nicht recyclebar ist. Noch einmal die Presseerklärung: Obwohl es für die meisten in der Industrie verwendeten Metalllegierungen erfolgreiche Recyclingverfahren gibt, geht immer noch eine erhebliche Menge davon verloren. Wie Hereon-Forschende jetzt zeigen, könnte die Herstellung von Metallhydriden große Mengen dieser Industrieabfälle auffangen, indem dafür ansonsten nicht recycelbare Materialien verwendet werden. Metallhydride scheinen im Gegensatz zu metallischen Legierungen, z.B. für Hochleistungsbauzwecke, ziemlich unempfindlich gegenüber der genauen Legierungszusammensetzung zu sein.
Vorausgesetzt, der Wasserstoff wurde zuvor auch mit nachhaltigen Methoden gewonnen, bietet sich hier also das Potential für den wirklich umweltfreundlichen Einsatz der Nummer eins im Periodensystem.
Elster-Drossel: Flink ist ganz was anderes
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Manchmal hilft einem beim Schreiben eines Textes das Real Life auf die Sprünge. Schon länger haben wir einen Beitrag zum Thema »Digitalisierungs-Chaos bei Behörden« geplant, und dann wird doch tatsächlich passend die Finanzamt-eigene (diebische?) Elster flügellahm. Vielen Dank für das maßgeschneiderte Momentum!
In diesem Text wird es zwar nicht nur um die Software der Finanzbehörden gehen, aber fangen wir doch ruhig mal damit an. Am 10. jedes quartalsersten Monats (also Januar, April, Juli und Oktober) sind spätestens die Umsatzsteuer-Voranmeldungen fällig. Zum 1. Juli gab es aber in diesem Jahr auch größere Änderungen bei der Grundsteuer, aufgrund derer Hauseigentümer*innen eine neue Erklärung abgeben müssen. Beides zusammen verkraftete der Elster-Server nicht. Aufgrund enormen Interesses an den Formularen zur Grundsteuerreform kommt es aktuell zu Einschränkungen bei der Verfügbarkeit, stand ab Sonntag auf der Website, seit Montagmittag war dann der Zugang komplett gesperrt – mit dem Hinweis auf »Wartungsarbeiten«.
Betreiber der Plattform für die »ELektronische STeuerERklärung« ist das Bayerische Landesamt für Steuern, von dort wurde dem SPIEGEL mitgeteilt, dass an diesem Wochenende zeitweise weit über 100.000 Zugriffe registriert wurden. In den News des Tages beim selben Magazin wird SPIEGEL-Netzwelt-Autor Markus Böhm zitiert; der ist zu recht überrascht und ernüchtert, dass das wichtigste Steuerportal offenbar schon bei einer niedrigen sechsstelligen Zahl von Zugriffen schlappmacht. Nur mal so zum Vergleich: Die Server der Wikipediaverarbeiten zwischen 25.000 und 60.000 Zugriffe pro Sekunde, je nach Tageszeit. Pro Sekunde.
Nun soll man ja eigentlich nicht noch mal nachtreten, wenn das Gegenüber schon am Boden liegt, aber das Chaos in den Bundes- und Länderbehörden, wann immer es um Digitales geht, ist eben kein temporäres K.O., sondern ein seit Jahren immer wieder angeprangerter und doch nie ernsthaft behobener Dauerzustand. Der mit Netzdingen ausgesprochen vertraute SPIEGEL-Autor Sascha Lobo hat darüber mit zuverlässiger Regelmäßigkeit geschrieben, zuletzt zum Beispiel am 1. Juni: 2019 sagte die damalige estnische Staatspräsidentin, sie sei überrascht, dass Deutschland in der digitalen Verwaltung 20 Jahre zurückliege. (In einem Ranking für digitale Wirtschaft und Gesellschaft steht Estland auf Platz 1 von 27, Deutschland fast am Ende des zweiten Drittels auf Platz 16.)
Vor einer Wochen schrieb Malaika Rivuzumwami in der taz: 2021 lag Deutschland auf Platz 22 von 27 in der EU bei Online-Behördendiensten und auf Rang 61 im UN-Index zur digitalen Teilhabe – hinter Armenien und Oman. Und sie erinnert daran, dass es langsam eilt, denn schon seit 2013 gibt es das E-Government-Gesetz, das eine Modernisierung und Zentralisierung vorsieht, und das Onlinezugangsgesetz von 2017 verpflichtet Bund, Länder und Gemeinden, bis spätestens Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten und diese miteinander zu einem Portalverbund zu verknüpfen, wie es in der Wikipedia heißt. (Dazu, wie schwierig es noch mit der Verknüpfung werden dürfte, steht weiter unten mehr.)
Und im Juni schrieb auch Hannah Krolle im Handelsblatt zum Thema; ihre Überschrift: Digitalchaos Behörden: Sechs Gründe, woran es hakt. Sie führt den Fachkräftemangel auf Platz eins der Ursachen an, den aufzufangen dann mit bestehendem Personal versucht wird – was zum Scheitern verurteilt ist, weil Beamte mit juristischer Ausbildung sich nicht mal eben in IT-Probleme einarbeiten können. Platz 3 der Liste nehmen »Einstellungshürden« ein: Oft, so berichtet ein Behördenleiter dem Handelsblatt, würden die strengen Einstellungsvoraussetzungen ein Recruiting aus der Informatik oder der Wirtschaft ohne Beamtenlaufbahn gar nicht zulassen.
Sollte es der Amtsschimmel sein, dessen Wiehern die Innovation verscheucht? Immerhin deutet Grund Nummer vier in eine ähnliche Richtung: Start-ups bekommen oft gar nicht mit, wenn die öffentliche Hand Aufträge vergibt; und wenn doch, dann sind die Vergabeprozesse fast unüberwindbar kompliziert – woran allerdings auch das EU-Vergaberecht einen Anteil hat.
Schließlich bleiben laut dem Handelsblatt noch die letzten beiden Gründe: Der deutsche Föderalismus, eigentlich eine Errungenschaft, macht sich schon in der Corona-Krise oft bremsend bemerkbar. Und direkt daran anknüpfend ist sechstens die uneinheitliche Softwarearchitektur innerhalb von Behörden Grund für schleppenden Fortschritt, angefangen bei nicht kompatiblen Betriebssystemen: Jede Behörde kocht ihr eigenes digitales Süppchen. Die Wunschvorstellung wäre, dass alle mit demselben System arbeiten, berichtet ein IT-Dienstleister. Doch das sei selten der Fall.
Weg mit dem Plastik
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Wer noch nicht davon gehört hat, liest, hört und sieht wirklich gar keine Nachrichten: Plastik ist ein gewaltiges Problem. Vor allem seine Entsorgung – die Ozeane sind randvoll mit Kunststoffmüll und Mikroplastik, wilde Halden in der Natur, aber auch in Stadtregionen verseuchen das Grundwasser und entzünden sich immer wieder, wobei giftige Gase freiwerden. Das belastet neben Flora und Fauna auch die Menschen. Aber es gibt hier und da Aussicht auf Besserung.
Ein Thema sind in Plastikfolie verpacktes Obst und Gemüse; da hat ein findiges Forscherteam um den Aerosol- und Nanophysiker Philip Demokritou und den Zellbiologen und Bioingenieur Kevin Kit Parker von der Harvard University jetzt eine spannende Forschung vorgestellt: Die Wissenschaftler umhüllten Avocados mit feinen Fäden aus Pullulan, einem Vielfachzucker, der bereits in Mundwassern, als Gelatine-Ersatz für die Umhüllung von Arzneikapseln und in Japan auch schon als Cellophan-Ersatz verwendet wird. Diese Fäden reicherten die Forscher mit Thymianöl, Zitronensäure und Nisin an; letzteres ist ein natürliches, von Milchsäurebakterien produziertes, antibiotisch wirkendes Peptid. Die drei Stoffe wirken allesamt gegen zahlreiche Mikroorganismen.
Die so ummantelten Avocados hielten sich wesentlich länger als unverpackte Vergleichsfrüchte; nach einer Woche Lagerung bei 22 °C hatten 90 % der unverpackten Avocados sichtbare Gammelstellen, von den Pullulan-behandelten waren es nur die Hälfte. Pullulan ist in drei Tagen im Erdreich abbaubar und lässt sich problemlos von den behandelten Früchte abwaschen. DER SPIEGEL, der ebenfalls über die Studie berichtete, zitiert Demokritou mit den Worten: Ich bin nicht gegen Plastik, aber ich bin gegen erdölbasierte Kunststoffe, die wir immer wieder wegwerfen, weil nur ein winziger Teil davon recycelt werden kann.
In einem weiteren SPIEGEL-Artikel wird eine Studie der University of Queensland in Australien vorgestellt; darin fanden die beteiligten Forscher heraus, dass Larven von Zophobas morio (Großer Schwarzkäfer), auch als »Superwürmer« bekannt, mithilfe von Mikroorganismen in ihren Eingeweiden Polystyrol verdauen können. Im Original-Paper heißt es dazu: Wir entdeckten mehrere kodierte Enzyme, die nachweislich Polystyrol und Styrol abbauen können, was frühere Berichte über Polystyrol-abbauende Bakterien im Darm des Superwurms bestätigt.
Mit anderen Worten: Diese Würmer verdauen Plastik und machen es so unschädlich. Und sie nehmen sogar an Gewicht zu, wenn auch nur geringfügig, was im Vergleich zu den mit Kleie gefütterten Würmern zu niedrigeren Verpuppungsraten führte. Und trotzdem: Sie sind also eine potentielle Lösung zum Abbau von Plastik in der Umwelt. Sicherlich ist die Vermeidung von erdölbasierten Kunststoffen der wichtigste Schritt, aber die vorhandenen gewaltigen Plastik-Altlasten müssen auch entsorgt werden; die Kombination verschiedener Bio-Technologien kann uns dabei helfen, die Sünden der Vergangenheit in naher Zukunft zu bewältigen.
Käfer im Tee
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Zugegeben: Diese Überschrift ist grob vereinfacht. Niemand muss sich Sorgen machen, dass in der nächsten Tasse Heißgetränk plötzlich das große Flattern beginnt. Vielmehr geht es um Insekten-DNA, die mit einem neuen Verfahren in getrockneten Pflanzen nachgewiesen werden kann.
Der Trierer Biogeograf Henrik Krehenwinkel und seine Kolleg*innen Sven Weber, Sven Künzel und Susan R. Kennedy haben kürzlich in der Fachveröffentlichung Biological Letters einen Forschungsartikel veröffentlicht, in dem sie schreiben: Die Analyse von Umwelt-DNA (Environmental DNA analysis, eDNA) hat das Feld des Biomonitorings in den vergangenen Jahren revolutioniert (…) Hier zeigen wir, dass getrocknetes Pflanzenmaterial eine vielversprechende Quelle für eDNA von Arthropoden ist.
Zu den Arthropoden, umgangssprachlich auch Gliederfüßer genannt, gehören Insekten, Tausendfüßer, Krebs- und Spinnentiere. Zusammen machen sie etwa 80 % der lebenden Tierarten aus. Und mit Biomonitoring, das mehrere Wissenschaftsdisziplinen mit vielen Einsatzbereichen umfasst, ist in diesem Fall die Erfassung des Zustands von Pflanzen- und Tierbeständen und deren Zusammenleben gemeint, mit der sich die Umweltqualität ermitteln lässt.
Mit das Spannendste an der aktuellen Studie ist, dass sie nicht an Blattoberflächen von Pflanzen, sondern im gesamten trockenen Pflanzenmaterial nach Insekten-Erbgut sucht. Denn auf der Oberfläche werden DNA-Spuren schnell abgetragen, durch UV- und Wassereinfluss zum Beispiel. Innerhalb der Pflanzen aber bleibt das Material länger erhalten und ist so ein genauerer Indikator für Insekten-DNA. Außerdem können so auch Spuren von Insekten nachgewiesen werden, die im Innern der Blätter, Stengel, Stämme und Wurzeln leben. (Besser gesagt: gelebt haben.)
Das ist nicht nur zur Erforschung aktueller Biodiversität interessant, sondern auch als Möglichkeit, historische Quellen – zum Beispiel alte Pflanzenreste in Museen – mit aktuellen zu vergleichen und so etwa das Insektensterben wesentlich genauer erfassen zu können. Für den Nachweis der Arthropoden genügen in der Regel wohl wenige Zellen, zum Beispiel aus Speichel, Exkrementen, Spinnenfäden und vielem mehr.
Zurück zur Überschrift, die natürlich trotzdem ihre Berechtigung hat: Die Forscher untersuchten unter anderem handelsübliche Tees, wie Krehenwinkel im Interview mit dem Magazin The Scientist berichtet. Tee sei strukturell einem Herbarium sehr ähnlich. Es ist im Grunde eine getrocknete Pflanze, die trocken und dunkel aufbewahrt wird … die DNA sollte daher sehr stabil sein. Und die Forscher waren vor allem von einem besonders überrascht: Wir extrahierten die DNA eines Teebeutels, ich glaube, es waren 100, 150 Milligramm getrocknetes Pflanzenmaterial. Und wir fanden in grünem Tee bis zu 400 Insekten-Spezies in einem einzigen Teebeutel (…) Wahrscheinlich, weil dieser Tee so fein gemahlen ist. Dadurch wird alle eDNA verteilt.
Europas erster Exascale-Rechner
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Mehr als eine Trillion Gleitkommaoperationen pro Sekunde – in Ziffern sind das über 1.000.000.000.000.000.000 oder 1018 FLOPs. So viel wird ein neues Computersystem schaffen, das als erstes europäisches dieser Größenordnung in Jülich geplant ist. Wir erinnern uns: Dort gibt es bereits Europas ersten Quantencomputer mit über 5000 Qubits.
Ein weiteres Highlight also für das Forschungszentrum in der nordrhein-westfälischen Mittelstadt, das eine der größten Einrichtungen dieser Art in Europa ist. Und, wie das Forschungszentrum Jülich (FZJ) in seiner Pressemitteilung schreibt, eines, das obendrein einen guten und wichtigen Zweck erfüllen soll: Der Exascale-Rechner wird dazu beitragen, bedeutende und drängende wissenschaftliche Fragen zu lösen, etwa zum Klimawandel, zur Bewältigung von Pandemien und zur nachhaltigen Energieerzeugung, und den intensiven Einsatz von Künstlicher Intelligenz sowie die Analyse großer Datenmengen ermöglichen.
Auch der JUPITER (Joint Undertaking Pioneer for Innovative and Transformative Exascale Research) getaufte neue Rechner wird, wie schon der Quantencomputer, sein eigenes Gebäude bekommen. Ab kommendem Jahr wird auf dem Campus gebaut, und das umfasst auch die Einbindung nachhaltiger Stromerzeugung – schließlich wäre es ausgesprochen fragwürdig, Klimawandelprobleme mithilfe von Atom-, Gas- oder Kohlestrom zu lösen. Bis zu 15 Megawatt wird JUPITER brauchen und ist deswegen als ›grüner‹ Rechner konzipiert und soll mit Ökostrom betrieben werden. Die vorgesehene Warmwasserkühlung soll dazu beitragen, dass JUPITER höchste Effizienzwerte erreicht.
Hier noch ein paar Details aus der Jülicher Presseerklärung: Dieser Superrechner wird von der Rechenleistung her stärker sein als 5 Millionen moderne Notebooks oder PCs. Und er wird basieren auf einer dynamischen modularen Supercomputer-Architektur, was im, nun ja: Klartext bedeutet: Bei einem modularen Superrechner werden unterschiedliche Rechenmodule miteinander gekoppelt. Dies ermöglicht es, Programmteile komplexer Simulationen auf mehrere Module zu verteilen, sodass die jeweils unterschiedlichen Hardware-Eigenschaften optimal zum Tragen kommen. Aufgrund der modularen Bauweise ist das System zudem gut darauf vorbereitet, Zukunftstechnologien wie Quantencomputer-Module oder neuromorphe Module, die die Funktionsweise des Gehirns nachbilden, zu integrieren.
Kosten des Projekts: eine halbe Milliarde Euro. Eine Hälfte davon übernimmt die europäische Supercomputing-Initiative EuroHPC JU, die andere Hälfte teilen sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung und NRWs Ministerium für Kultur und Wissenschaft.
1 Nicht wundern, dass es beim ORNL heißt, das System schaffe a quintillion calculations per second: Die amerikanische »Quintillion« entspricht der deutschen »Trillion« (und ist im Grunde logischer …)
KI diskriminiert
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ZDFzoom, der Dokumentations- und Reportagekanal des Zweiten Deutschen Fernsehens, hat eine neue Reihe ins Leben gerufen. In »Digital Empire« geht es zum Beispiel um die Frage: »Wer sind die Gewinner und Verlierer der Digitalisierung?« In der ersten Folge fällt die Antwort recht eindeutig aus: Künstliche Intelligenz neigt dazu, Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, körperlicher Merkmale und anderer Faktoren zu benachteiligen.
»Programmierte Ungerechtigkeit« heißt folgerichtig der Beitrag, der noch bis Ende Mai 2024 online in der Mediathek zu finden ist. Die Autorinnen Edith Löhle und Lena Nagel beschreiben darin, wie Software inzwischen eine Vielzahl von Entscheidungen trifft, die für die Betroffenen von enormer Bedeutung sind – Job-Bewerbungen, Wohnungszusagen, Kreditvergabe, sogar medizinische Diagnosen werden von KI beeinflusst oder sogar automatisiert entschieden. Und wie diese Software dabei rassistisch, vorurteilsbeladen, voreingenommen – eben ungerecht vorgeht.
Algorithmen, die heute für immer mehr entscheidende Fragen herangezogen werden, entstehen nicht aus dem Nichts. Sie werden programmiert und müssen mit Daten gefüttert werden. Häufig werden sie immer noch von weißen Männern programmiert, und oft sind die Datensätze, mit denen die Maschinen trainiert werden, in sich schon wertend. Es gibt keine Situation, wo man einen neutralen Datensatz bekommt, sagt Sandra Wachter, Juristin und Oxford-Professorin, in der ZDF-Doku. Algorithmen seien Spiegel unserer Gesellschaft, und leider sehr oft wird Technik entwickelt, die dann diejenigen, die ohnehin schon sozial schwach sind, noch stärker belastet.
Daher sind häufig Frauen, Personen aus der LGBTQ+-Community und People of Colour von erheblichen Benachteiligungen betroffen. Vor zwei Jahren, im Juni 2020, klagten vier schwarze Content-Creator gegen YouTube mit der Begründung, dass die Plattform ihre Inhalte systematisch ohne Begründung entferne. So falsch können sie mit ihrer Anschuldigung nicht gelegen haben, denn schon kurz darauf gründete YouTube, offensichtlich aufgeschreckt, einen mit 100 Millionen US-Dollar dotierten Fond zur Unterstützung schwarzer Urheber und Künstler.
Aber bis heute dauert Diskriminierung trotzdem an, wie auch eine schwarze deutsche Unternehmerin in dem ZDF-Beitrag berichtet: Sie vertreibt Naturkosmetik für lockiges und Afro-Haar und stellt immer wieder fest, dass ihre Posts nur dann vom Algorithmus akzeptiert werden, wenn zwischen den Bildern von People of Colour regelmäßig solche von weißen Personen eingebunden sind. Ich gebe alles, so wie auch ein anderer weißer Mensch, und trotzdem wird mein Content nicht verbreitet, sagt sie. Ein anderes Beispiel: Gesichtserkennungs-Software lehnte das Passbild eines asiatischen Mannes ab, weil der angeblich die Augen geschlossen hatte, wie die Daily Mail berichtet. Und zum Thema der Diskriminierung von Frauen durch KI nur folgende Anekdote: Lange Zeit wurde Özlem Türeci, Co-Chefin des Teams, das den BioNTech-Impfstoff gegen das SARS-CoV-2-Virus entwickelt, von Google lediglich als Ehefrau von Uğur Şahin bezeichnet.
Ein Lösungsansatz ist, Entwicklerteams diverser zu besetzen – zu diesem Schluss kommt auch ein Artikel im IT-Magazin Golem. Deswegen verucht Kenza Ait Si Abbou Lyadini, deutsche Ingenieurin, Elektrotechnikerin, leitende Managerin bei der Telekom und KI- und Robotik-Expertin, in Büchern, Artikeln, Vorträgen und auf ihrer Website, junge Mädchen, Absolventinnen und Berufsanfängerinnen für MINT-Berufe zu begeistern und ihnen aufzuzeigen, wie eine Karriere mit Familie gelingen kann, wie die Wikipedia schreibt.
Es gibt also durchaus positive Entwicklungen, aber weiterhin viel Handlungsbedarf, wie auch DER SPIEGEL erst am vergangenen Donnerstag wieder einmal feststellte; unter der Überschrift Dumme Technik – Was richtet die sogenannte künstliche Intelligenz an? heißt es, KI mache die Jobchancen mancher Menschen davon abhängig, welchen Browser sie verwenden. Oder die Kreditwürdigkeit davon, ob jemand seine Mutter zurückruft. Fazit: (…) sobald eine Software, die als ›intelligent‹ bezeichnet wird, über die Lebensumstände konkreter Personen entscheidet, wird es problematisch.
UV-C gegen Viren
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Schon seit dem Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie ist das Thema immer wieder im Gespräch; mit dem aktuellen Anstieg der »Affenpocken«-Fälle gerät es erneut in die Schlagzeilen: Ultraviolettes Licht kann Viren deaktivieren. Eignet es sich also zur Innenraum-Desinfektion?
Die Technik dahinter ist bereits einige Jahrzehnte alt. Hinlänglich bekannt und wissenschaftlich bestätigt ist, dass UV-Licht Viren zerstört – aber es kommt auf die Wellenlänge an. Gewöhnliches Sonnenlicht ist dafür nur bedingt geeignet; im Gespräch mit dem Radiosender Bayern 1 bestätigte Alois Schmalwieser von der Abteilung für Physiologie und Biophysik der Veterinärmedizinischen Universität Wien zwar, dass alle UV-Strahlen potentiell Viren zerstören können: Viren bestehen fast ausschließlich aus RNA. Die Photonen im Sonnenlicht werden vom Virus absorbiert. Die Energie der RNA steigt so weit an, dass sie aufbricht. In diesem Zustand ist das Virus nicht mehr aktiv und kann sich auch nicht mehr reproduzieren. Das gelte allerdings für UV-A so gut wie gar nicht, für UV-B schon deutlich besser – und Spitzenreiter ist die UV-C-Strahlung.
Die wiederum kann Menschen aber schnell gefährlich werden. Und hier wird’s sehr spezifisch: In einem SPIEGEL-Podcast (dessen Audio leider inzwischen nicht mehr verfügbar ist) kam der Wissenschaftsjournalist Marco Evers zu der Einschätzung, dass UV-C, wie es bislang in der Industrie verwendet wird, mit seiner Wellenlänge von etwa 254 nm (Nanometer, ein milliardstel Meter) Menschen schadet. Aber UV-C-Licht der Wellenlänge 222 Nanometer verhält sich ganz anders.
Strahlung genau dieser Wellenlänge wird unter Forschern »Far-UVC« genannt, und hierzu gibt es mittlerweile neue Studien: An der University of Dundee hat ein Team um die Leiterin der Photobiologischen Abteilung der dortigen medizinischen Fakultät damit begonnen, die Sicherheit von UV-Technologie für die Covid-19-Deaktivierung zu untersuchen. In der Ankündigung dieser Studie heißt es: Far-UVC-Licht hat die Eigenschaft, Bakterien und Viren wirksam zu deaktivieren, ohne die menschliche Haut zu schädigen, weil es in biologischen Materialien stark absorbiert wird. Far-UVC-Licht kann nicht einmal die äußeren (nicht lebenden) Schichten der menschlichen Haut oder des Auges durchdringen. Bakterien und Viren sind aber kleiner, daher kann Far-UVC sie durchdringen und inaktivieren.
Und eine bereits im angesehenen Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichte Studie, an der zahlreiche Forscher verschiedener Einrichtungen aus dem UK und den USA mitwirkten, formulierte ihr Thema so: Viele Infektionskrankheiten, darunter auch COVID-19, werden durch Krankheitserreger in der Luft übertragen. Es gibt Bedarf für wirksame Umgebungs-Kontrollmaßnahmen, die im Idealfall nicht vom menschlichen Verhalten abhängen. Eine mögliche Lösung sind Kryptonchlorid(KrCl)-Excimerlampen (oft als Far-UVC bezeichnet), die Krankheitserreger wie Coronaviren und Influenza in der Luft wirksam deaktivieren können. Forschungen belegen, dass, wenn aus KrCl-Lampen längerwellige ultraviolette Emissionen herausgefiltert werden, sie weder akute Reaktionen auf der Haut oder den Augen noch Spätfolgen wie Hautkrebs hervorrufen.
Erstmals wurden hier die Wirkungen dieser Technologie in größeren Räumen untersucht, also sozusagen unter realen Bedingungen statt im Labor. Das Forscherteam ist optimistisch, dass seine Daten die Konzeption und Entwicklung wirksamer Far-UVC-Systeme unterstützen können. Und auch in einem Bericht der medizinischen Abteilung der Columbia University heißt es: Eine neue Art von ultraviolettem Licht, das für Menschen ungefährlich sein könnte, brauchte weniger als fünf Minuten, um die Konzentration von Mikroben in der Raumluft um mehr als 98 % zu senken (…) Selbst wenn weiterhin Mikroben in den Raum gesprüht wurden, blieb die Konzentration sehr niedrig, solange das Licht eingeschaltet war. Nicht ausgeschlossen also, dass in nicht allzu ferner Zukunft mit Far-UVC-Deckenlampen in Innenräumen Viren dauerhaft unschädlich gemacht werden können.
Deutschland als Überwachungs-Bremse
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist offenbar gerade dabei, die deutsche Position zur Sammlung von Nutzerdaten gegenüber der EU-Kommission ein wenig in Richtung mehr Datenschutz zu verschieben. Zwar will sie Fälle von Kindesmissbrauch im Netz durch die Speicherung von IP-Adressen besser aufklärbar machen. Aber: Es geht weniger um die Vorratsdatenspeicherung als Ganzes, sagte Faeser heute im Deutschlandfunk. Es geht darum, wie können wir die IP-Adressen möglichst sichern, sodass wir in diesen Fällen Zugriff haben und die Täter auch ermitteln können.
»Quick Freeze« nennt sich das Vorgehen, das die Ampelkoalition momentan favorisiert: Nur bei einem Anfangsverdacht werden dann die Provider verpflichtet, die IP-Adressen bestimmter Personen für einen klar definierten Zeitraum zu speichern. Diesen Ansatz hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem anderen Verfahren schon als rechtens bestätigt, berichtet DER SPIEGEL.
Auch im Falle der aktuell scharf diskutierten sogenannten »Chatkontrolle« ist die Innenministerin vorsichtig: Gegenüber der BILD am Sonntag sagte sie vor anderthalb Wochen, (…) wir dürfen nicht in verschlüsselte private Kommunikation eingreifen und damit viele Menschen treffen, die mit diesen Taten überhaupt nichts zu tun haben. Es ist eine große Errungenschaft, dass es Kommunikation gibt, in die der Staat nicht gucken darf. Jede private Nachricht anlasslos zu kontrollieren, halte ich nicht für vereinbar mit unseren Freiheitsrechten. Stattdessen sollten Foren und Darknet-Plattformen besser überwacht und dort auffällige Vorgänge sofort verfolgt werden.
Vor drei Wochen hatte der Piratenpartei-Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer gegen die Chatkontrolle Unterlassungsklage vor dem Kieler Amtsgericht gegen Meta, Facebooks Mutterkonzern, eingereicht. Zur Begründung schrieb er: Dieser Big Brother-Angriff auf unsere Handys, Privatnachrichten und Fotos mithilfe fehleranfälliger Algorithmen ist ein Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaates nach chinesischem Vorbild. Chatkontrolle ist, wie wenn die Post alle Briefe öffnen und scannen würde – ineffektiv und illegal.
Gut möglich, dass Breyer nun Rückendeckung von der Ministerin bekommt.
Zoom findet, du fühlst falsch
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Die Software Zoom soll in Zukunft zur Emotionserkennung verwendet werden – mithilfe einer KI, die in Echtzeit die Gesichter der an einem Videocall beteiligten Personen analysieren soll. Das ruft allerdings zahlreiche Warner und Mahner auf den Plan, und vermutlich sehr zu Recht.
Während der Corona-Lockdowns hat die Software Zoom einen echten Boom erlebt; mittlerweile haben wahrscheinlich die allermeisten schon mal eine Zoom-Konferenz erlebt. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass aus solchen Marktsituationen viel zu oft eine Art »Unausweichlichkeit« entsteht – wer im Netz sucht, sucht mit Google, Facebook/Instagram sind Synonyme für Social Media, und, wer weiß: So wie Menschen früher »skypten«, werden sie möglicherweise in Zukunft »zoomen«. Umso wichtiger also, zu wissen, was »unter der Haube« passiert. Alphabet (Google/YouTube) und Meta (Facebook/Instagram/WhatsApp) sind schon lange Ziele von Kritik, und der jüngste Plan der Zoom-Entwickler wird nun auch äußerst kritisch gesehen.
Was bei Verkaufsgesprächen schon genutzt wird, soll bald auch in Zoom implementiert werden, wie das Tech-Magazin protocol berichtet: In jedem Videotelefonat könnte dann das Programm die Mimik und Körpersprache der Teilnehmer*innen analysieren und so ihre Stimmung ermitteln. Dabei gibt es allerdings zahlreiche Probleme, wie kürzlich auch DER SPIEGEL berichtete. Die Verletzung der Privatsphäre ist eines davon, der Missbrauch dieser sensiblen Daten ein weiteres. In einem Offenen Brief an den Zoom-CEO Eric S. Yuan nennen die Verfasser neben diesen weitere Gründe für ihre Forderung, das Projekt einzustellen.
Der Einsatz von Emotionserkennung könne auch zur Manipulation von Personen verwendet werden, heißt es da, und: KI sei sehr häufig fehlerhaft und rassistisch. Solche Tools gehen davon aus, dass alle Menschen dieselben Gesichtsausdrücke, Stimmenmuster und Körpersprache verwenden – aber das ist nicht wahr. Schon im Dezember 2019 veröffentlichte das National Institute of Standards and Technology (NIST) aus dem amerikanischen Bundesstaat Maryland eine Studie, die belegt, dass Gesichtserkennung (also ein grundsätzlich noch einfacherer Einsatzbereich von KI) bei People of Colour bis zu hundertmal häufiger irrt als bei Weißen, weil sie mit Fotos von Weißen trainiert wurden, wie die taz schreibt. Dort heißt es weiter: Robert Julian-Borchak Williams wurde im Januar 2020 von der Detroiter Polizei für 30 Stunden in Gewahrsam genommen, obwohl er nichts getan hatte. Die KI hatte versagt, sein Gesicht verwechselt und die Polizei richtete sich – zu lange – nach ihrem Urteil.
Problematisch kann außerdem sein, dass Arbeitgeber, Universitäten und andere »übergeordnete« Personen oder Institutionen in Versuchung geraten könnten, Untergebene disziplinarisch zu bestrafen, wenn sie unerwünschte Gefühle zeigen. Tatsächlich hat aber das Magazin The Atlantic vor einem Jahr zusammengefasst, dass KI zur Gefühlserkennung schlicht ungeeignet ist: Es gibt keine Hinweise darauf, dass Gesichtsausdrücke die Gefühle einer Person offenbaren. Aber Tech-Firmen wollen Sie etwas anderes glauben machen.
Zum Abschluss eine gute Nachricht: Es gibt Alternativen, beispielsweise Jitsi, das im Browser läuft, oder Signal, das installiert werden muss. Und wo wir gerade bei Alternativen sind: Als datensicheren, anonymisierbaren WhatsApp-Ersatz gibt’s den dezentralen Messenger Session, der auf der Opensource-Software von Signal basiert, aber im Unterschied zu diesem keine Telefonnummer benötigt (bislang aber leider noch kein Video beherrscht).
Wikipedia sagt sich von Kryptowährungen los
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Molly White ist seit 2006 Mitarbeiterin der Online-Enzyklopädie, hat seitdem Artikel geschrieben und zahlreiche unterschiedliche Funktionen innegehabt. Schon am 30. Januar dieses Jahres kritisierte sie, dass die Wikimedia Foundation Spenden in Bitcoin, Ethereum und anderen Digitalwährungen angenommen hat. Jetzt hat sich ihre Überzeugung durchgesetzt.
Wie der SPIEGEL berichtet, hat die Stiftung sich einer Petition von Autor*innen gebeugt und akzeptiert keine »Cryptocurrencies« mehr. Zwar ist der Anteil der Spenden in diesen Währungen sehr gering, trotzdem setzt eine große Plattform wie die Wikipedia mit ihren Schwesterprojekten Wiktionary, Wikibooks, Wikiquote, den Wikimedia Commons und vielen anderen dadurch ein deutliches Zeichen.
White hatte im Januar unter anderem geschrieben: Als die Wikimedia Foundation 2014 damit begann, Kryptowährungen als Spenden zu akzeptieren, (…) tendierten Kryptowährungs-Projekte dazu, ähnliche Ideale [wie die Wikimedia Foundation] zu vertreten: Privatsphäre, Anonymität, Dezentralisierung, Freiheit. Das habe sich im Laufe der Jahre massiv geändert; die Blockchain-Technologie (auf der Bitcoin und seine Mitbewerber ebenso basieren wie zum Beispiel NFTs) sei ein Ort, der zum überwältigenden Teil eine Gelegenheit zur Selbstbereicherung auf Kosten anderer und der Umwelt geworden sei. Der Bereich sei von Betrügern vereinnahmt. Zu den Kryptowährungen hat sich eine Blase von räuberischen, von Natur aus schädlichen Technologien gesellt, die den Einzelnen ausnutzen und zur Zerstörung unserer Umwelt beitragen. (Über die dramatischen Folgen des sogenannten Crypto-Minings für die Umwelt hatten wir schon mehrfach berichtet.)
Und was die Reichweite dieser Maßnahme angeht: Die Mozilla Foundation, die zum Beispiel den Firefox-Browser und den Thunderbird-Mailclient entwickelt, hat schon im April die Möglichkeit, Bitcoins zu spenden, beendet. Nicht unwahrscheinlich, dass weitere Initiativen und Verbände folgen werden.
Das war’s dann wohl, Lightning
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Manchmal fühlt man sich immer noch an frühere Jahrzehnte erinnert, an den Formatkrieg der verschiedenen Video-Standards (den VHS gewann) oder den »first browser war« (den der Intenet Explorer gewann). Auch Anschluss-Standards waren immer wieder Thema von Auseinandersetzungen zwischen Herstellern. Einer sticht da bis heute besonders hervor: Apple will nach wie vor nicht von seinem Lightning-Anschluss für iPhones und iPads weichen. Will nicht – muss aber, wie es jetzt aussieht.
Schon im Juni 2009, also vor fast dreizehn Jahren, unterschrieben zahlreiche Hersteller eine gemeinsame Absichtserklärung, einen Standard für Netzgeräte und Ladekabel zu setzen – unter ihnen auch Apple. Und tatsächlich ließen sich ab 2011 die allermeisten neuen Handys per Micro-USB aufladen. Aber eben nur die allermeisten: Trotz gemeinsamer Erklärung scherte Steve Jobs’ Hochglanzfirma weiterhin aus. In den Mobiltelefonen aus Cupertino gab und gibt es nach wie vor nur die prorietären Lightning-Buchsen.
Zwar kann man seit einiger Zeit Adapter erwerben, die Micro-USB (bzw. das mittlerweile zum De-Facto-Standard gereifte USB-C) und Lightning zusammenführen, aber das bedeutet erstens eine Extra-Ausgabe und zweitens mehr Elektroschrott. Deswegen hat sich der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) in der EU des Themas angenommen und will einen einheitlichen Standard nun qua Gesetz erzwingen. Vergangene Woche gab es eine erste Positionserklärung, die das EU-Plenum im Mai bestätigen dürfte. Anschließend werden die EU-Staaten mit dem Europaparlament verhandeln, und im Sommer wird eine Einigung erwartet. Ein einheitliches Ladekabel könnte dann ab Mitte 2024 Wirklichkeit werden – fünfzehn Jahre nach der ersten Absichtserklärung.
Ach, und was den »second browser war« betrifft: Mittlerweile ist Google Chrome der unangefochtene Marktführer, sowohl auf dem Desktop, als auch auf Mobilgeräten. Da haben die Google-Entwickler von Microsoft gelernt: Chrome ist auf allen Android-Phones der Standardbrowser, gerade so, wie seinerzeit Gates und Co. auch den Internet Explorer fest ins Windows-Betriebssystem integrierten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …
Der DMA ist da (naja, fast.)
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Apple muss fremde App-Stores und Zahlungssyteme zulassen – und es erlauben, vorinstallierte Apps zu löschen. Google muss es Android-Nutzer*innen leichter machen, andere Suchmaschinen, Navigationsdienste und Browser zu benutzen – und darf in den Suchergebnissen eigene Services nicht mehr besonders hervorheben. Was bei Open-Source-Nutzer*innen erstmal nur ein schulterzuckendes »Na und?« auslöst, ist tatsächlich ein erster Meilenstein auf dem Weg zu mehr Nutzer*innenkontrolle und soll »spätestens im nächsten Jahr« Wirklichkeit werden.
Der französische Staatssekretär für Digitales, Cédric O, feiert den Digital Markets Act (DMA) schon jetzt als »die wichtigste Wirtschaftsregulierung der letzten Jahrzehnte«. Ende März wurde er beschlossen, wie die Berliner taz berichtet. Zwar muss er noch vom Europaparlament und den EU-Mitgliedstaaten abgenickt werden; allerdings ist das wohl eher Formsache, und die Beteiligten gehen davon aus, dass die neuen Vorschriften Anfang 2023 wirksam werden. Dann sind empfindliche Strafen für die Konzerne geplant: Bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes können als Bußgeld verhängt werden, im Wiederholungsfall sogar 20 %. Im Visier stehen insbesondere die »Big Player« wie Alpha (Google, YouTube), Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp), Amazon, Apple und Microsoft.
Plattform-Dienste wie Amazon dürfen dann auch nicht mehr ihre Kundendaten für andere eigene Angebote »weiterverwenden« und müssen eine gesonderte Zustimmung ihrer Nutzer*innen einholen, wenn sie Daten über verschiedene Dienste übergreifend zu Werbeprofilen verknüpfen wollen. Und noch ein weiterer Punkt des DMA ist zentral: Messengerdienste sollen untereinander Nachrichten austauschen können. Heißt: Wer eine Message mit WhatsApp verfasst, kann diese auch direkt an iMessage-Nutzer*innen und solche anderer, kleinerer Dienste senden.
Da allerdings hat Netzpolitik.org Bedenken: Dadurch könnten erhebliche Sicherheitsprobleme entstehen. Der Artikel zitiert das Magazin The Verge, das befürchtet, die geforderte Interoperabilität könne die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schwächen oder gar komplett aushebeln.
Es wäre ein Fehler zu glauben, dass Apple, Google, Facebook und andere Tech-Firmen identische und austauschbare Produkte herstellten, die auf einfache Weise kombiniert werden könnten, sagt der Internet-Sicherheitsexperte und frühere Facebook-Entwickler Alec Muffett im Interview mit The Verge. Netzpolitik.org schreibt allerdings auch: Der EU-Vorschlag sieht dabei ausdrücklich vor, dass der gleiche Privatsphäre-Standard – inklusive Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – erhalten bleiben muss.
Bleibt also abzuwarten, wie die technische Seite des DMA letztlich umgesetzt wird. Ein Verlust von Verschlüsselung und Privatsphäre darf zumindest nicht das Ergebnis sein.
Auf Nimmerwiedersehen, FinFisher!
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Der Insolvenzverwalter bestätigt: Alle drei in die Herstellung und den Vertrieb des sogenannten »Staatstrojaners« involvierten Firmen, die FinFisher GmbH, FinFisher Labs GmbH und raedarius m8 GmbH, werden abgewickelt und werden oder sind schon aufgelöst. Das berichtet jetzt Netzpolitik.org.
Schon 2013 hatte die NGO Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières, RSF) die Software FinFisher auf ihre Liste der »Feinde des Internets« gesetzt; darauf steht sie bis heute. Seit aber im Jahr 2017 eine FinFisher-Version in der Türkei entdeckt wurde – was ohne staatliche Ausfuhrgenehmigung einen Straftatbestand bedeutet hätte –, hatte eine Koalition aus der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Reporter ohne Grenzen, dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte und auch Netzpolitik.org recherchiert und schließlich im Sommer 2019 Strafanzeige erstattet.
Daraufhin nahm die Staatsanwaltschaft zusammen mit dem Zollkriminalamt Ermittlungen auf; 2020 wurden Geschäfts- und Privaträume der Firmen durchsucht. Im Zusammenhang mit dem Verdacht auf mögliche illegale Exporte des Staatstrojaners sollten Ende 2021 schließlich FinFisher-Firmenkonten gepfändet werden. Dem ist das Unternehmen nun offenbar zuvorgekommen. Die Insolvenzanträge machen den »Vermögensarrest«, wie die Pfändung juristisch heißt, unwirksam. Der Geschäftsbetrieb ist beendet, das Büro geschlossen, alle 22 Mitarbeiter wurden entlassen.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen trotz der Insolvenz weiter; die Legal Director des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte, Miriam Saage-Maaß, hofft, dass sie hoffentlich zeitnah zur Anklage und Verurteilung der verantwortlichen Geschäftsführer führen mögen, fügt allerdings hinzu: Aber auch darüber hinaus müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten viel entschiedener gegen den massiven Missbrauch von Überwachungstechnologie vorgehen. Und Thorsten Schröder, Sicherheitsforscher des Chaos Computer Clubs und Autor einer Analyse der FinFisher-Software, ist nur verhalten optimistisch: Das Ende von FinFisher ist nicht das Ende des Marktes für Staatstrojaner. Die nun entlassenen Angestellten werden sich neue Jobs suchen – vermutlich bei der Konkurrenz, die wohl auch die Kunden übernehmen wird.
Was macht Software mit der Umwelt?
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Wie die Berliner taz berichtet, wurde jetzt erstmals ein Computerprogramm mit dem »Blauen Engel« des Umweltbundesamtes (UBA) ausgezeichnet. Wer’s nicht weiß: Das ist ein in Deutschland seit 1978 vergebenes Umweltzeichen für besonders umweltschonende Produkte und Dienstleistungen (Wikipedia). Und wer sich jetzt fragt: »›Blauer Engel‹ für Software?! Wieso das denn?«, mag hier weiterlesen.
Zunächst mal ist es ja ganz logisch: Ein Computer ohne Software verbraucht keine Energie. Denn er läuft gar nicht erst. Er braucht ein Betriebssystem, das alle Grundfunktionen bereithält, und Anwendungssoftware, die darauf aufbauend Aufgaben ausführt. Ob die Nutzer*innen eine E-Mail oder einen Brief schreiben, ein Katzenvideo oder die aktuelle Übertragung der Bundespressekonferenz ansehen, eine Lohnsteuererklärung ausfüllen, einen Film sehen oder Musik hören wollen – immer ist ein Programm nötig, das die entsprechenden Funktionen ermöglicht. Und, wie es das UBA ausdrückt: Software (…) ist maßgeblich dafür verantwortlich, wie energie- und hardwareintensiv eine Funktion ausgeführt wird. Und sie ist zu einem großen Teil dafür verantwortlich, wenn Geräte nur begrenzte Zeit genutzt werden können.
Schlecht programmierte Programme können bis zu viermal so viel Energie verbrauchen wie effiziente Alternativen, hat das UBA in einer Studie ermittelt. Und wenn auch für IT-Hardware längst gesetzliche Anforderungen zur Mindesteffizienz definiert sind, fehlt ein solcher Rahmen für Software bis heute. Dabei kann die Effizienz bei der Prozessorauslastung, beim Arbeits- und Dauerspeicher wie auch bei der Datenübertragung entscheidend die Lebensdauer beeinflussen. So ist mit nachlässig entwickelter Software nicht nur der aktuelle Stromverbrauch höher, sondern Geräte müssen auch früher auf den Müll – und verursachen so weitere Umweltprobleme, denn längst nicht alle Hardware-Bestandteile können schonend recycelt werden.
Daher ist eine der Voraussetzungen für die Vergabe des »Blauen Engels«, dass das Programm auch auf Rechnern läuft, die schon fünf Jahre oder älter sind. Außerdem gehören zu den Kriterien natürlich Energieeffizienz und Ressourcenschonung, aber auch kostenlose Sicherheitsupdates und die Autonomie der Benutzer*innen. Heißt: Sie müssen wissen, womit genau sie es zu tun haben, und jederzeit wechseln können. Das klingt sehr nach Open Source, und tatsächlich haben Entwicklungen aus der OSS-Gemeinde größere Chancen auf einen »Blauen Engel«, denn diese hat schon seit dreißig Jahren immer auch einen ganzheitlichen Blick auf die Nachhaltigkeit ihrer Programme. Beispielsweise gibt es spezielle Linux-Distributionen, die explizit für den Einsatz auf alten Laptops und Computern entwickelt werden.
Ach, und das gestern mit dem »Blauen Engel« ausgezeichnete Programm ist der Datei-Viewer Okular, mit dem sich zum Beispiel PDFs, Bilder und E-Books öffnen lassen. Entwickelt wird er von der OSS-Community KDE, die mit KDE Plasma auch eine kostenlose Open-Source-Systemoberfläche bereithält und mit KDE neon sogar ein vollständiges, ebenfalls kostenloses und aktiv entwickeltes Betriebssystem.
Bitcoins bringen Kohlekraftwerke zurück
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Über den Energiehunger des sogenannten »Minings« zur Erzeugung von Bitcoins und anderen Digitalwährungen hatten wir bereits geschrieben. Jetzt zeigt der Fall eines amerikanischen Kohlekraftwerks, dass dadurch sogar die Bemühungen um nachhaltige Energiequellen konterkariert werden.
In Montana steht das Kraftwerk »Hardin«; eigentlich sollte es stillgelegt werden. Jetzt berichtet The Guardian, dass es wieder in Betrieb genommen wurde – von Marathon, einer Firma, die Bitcoin-Mining betreibt. Anne Hedges, die Co-Chefin der Umweltorganisation Montana Environmental Information Center, erinnert sich: Wir warteten nur darauf, dass es sterben würde. Sie hatten [finanzielle, d. Red.] Probleme und sahen der Schließung entgegen. Es stand auf der Kippe. Und dann kam diese Kryptowährungsfirma.
In den ersten neun Monaten 2021 lief das Kohlekraftwerk an 236 Tagen – und stieß dabei allein im zweiten Quartal 187 000 Tonnen CO₂ aus, 5000 % mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Im dritten Quartal waren es 206 000 Tonnen, immer noch 905 % mehr als im gleichen Zeitraum 2020. »Hardin« lief Ende des Jahres fast unter Vollast, wie Marathon im Dezember stolz verkündete.
Um sich ein Bild der Aktivitäten zu machen, besuchte Anne Hedges das Kraftwerk und auch das Datencenter und stellte fest: Das dient nicht dazu, alte Damen vor dem Erfrieren zu schützen, sondern einige wenige reicher zu machen und dabei für uns alle das Klima zu zerstören. Wenn ihnen der Klimawandel Sorgen bereitet, sollten Sie nichts mit Kryptowährungen zu tun haben, sie sind ein Desaster für das Klima.
Und »Hardin« ist nicht das einzige Kohlekraftwerk, das eine Wiederauferstehung erlebt; es zieht sich fast schon eine Welle der Wiederbelebungen durch die USA. Im Staat New York wurde ein Kohlekraftwerk auf Gasbetrieb umgerüstet und liefert jetzt Krypto-Strom, in Pennsylvania versorgt »Scrubgrass« tausende von Mining-Computern mit Kohlestrom, und in Kentucky wurde eine neue Bitcoin-Anlage direkt neben die Big Rivers Electric Corporation gebaut, die ihrerseits gleich vier kohlebefeuerte Kraftwerke betreibt.
Offenbar kein Hirntumor vom Handy
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Seit es Mobiltelefone gibt, steht auch die Unsicherheit im Raum, ob die Strahlung nicht womöglich Hirntumoren fördern oder sogar verursachen könnte. Eine neue Studie gibt in dieser Hinsicht relativ eindeutig Entwarnung.
In jüngerer Zeit hat diese Sorge noch einen weiteren Twist bekommen – weil nämlich die Nutzung von kabellosen Geräten unter Jugendlichen massiv zugenommen hat und daher möglicherweise diese Personengruppe einem deutlich erhöhten Risiko ausgesetzt sein könnte. Aus diesem Grund hat sich die aktuelle Studie »MOBI-Kids« auf Menschen zwischen 10 und 24 Jahren konzentriert. Genauer gesagt: Etwa 16,5 Jahre Durchschnittsalter, 57 % männlich; knapp 900 mit einem Tumor Erkrankte, gut 1900 Personen in der Kontrollgruppe. Unter den 20- bis 24-Jährigen waren etwas mehr als die Hälfte schon Langzeitnutzer*innen (zehn Jahre oder länger). Die Beteiligten stammten aus vierzehn Ländern: Australien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Indien, Israel, Italien, Japan, Kanada, Korea, Niederlande, Neuseeland, Österreich und Spanien. Die Dauer und die Nutzungshäufigkeit von Mobil- und DECT-Telefonen wurden in Interviews ermittelt.
Hier nun endlich die beiden wichtigsten Sätze – erstmal im Original:
We have no evidence of a causal association between wireless phone use and brain tumours. Because of likely biases we cannot rule out a small increased risk.
Und jetzt auf Deutsch:
Wir haben keine Hinweise auf Kausalzusammenhänge zwischen der Nutzung kabelloser Telefone und Hirntumoren gefunden. Aufgrund wahrscheinlicher Voreingenommenheiten können wir ein geringfügig erhöhtes Risiko nicht ausschließen.
Letzteres ist ein in der Wissenschaft durchaus üblicher Hinweis auf ein potentielles Restrisiko, das aber allem Anschein nach verschwindend gering ist. Daher urteilt auch das Bundesministerium für Strahlensicherheit (BfS), es gebe nach derzeitigem Kenntnisstand […] keine wissenschaftlich gesicherten Belege für gesundheitsschädigende Wirkungen durch Mobilfunk für den Menschen, was die neue Studie zusätzlich bestätige. BfS-Präsidentin Inge Paulini äußerste sich vorgestern: Die neuen Ergebnisse tragen dazu bei, wissenschaftliche Restunsicherheiten auch mit Blick auf Kinder und Jugendliche zu verringern – sie bestätigen, dass die im Mobilfunk geltenden Grenzwerte Erwachsene und Kinder schützen.
Ein Link in die Welt für Gelähmte
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Wir leben in Zeiten, in denen allmählich die Science-Fiction in den Alltag einzieht. Autos fahren selbst, Künstliche Intelligenz spielt besser Schach und Go als menschliche Großmeister – und jetzt rückt eine weitere Vision von (Drehbuch-)Autoren in greifbare Nähe.
Neuralink, eine der Firmen von Tesla-Gründer Elon Musk, will schon bald Tests mit Menschen durchführen. Dazu muss man wissen, dass Neuralink Brain-Machine-Interfaces entwickelt, also Schnittstellen zwischen dem menschlichen Gehirn und Computersystemen.
Wie der SPIEGEL kürzlich berichtete, soll ein Chip im Kopf Nervenschäden überbrücken und Gedanken zu Smartphones und Computern übertragen. Mit anderen Worten: Menschen können mit Gedanken Programme steuern. In einem Versuch gelang es, einen Makaken dazu zu bringen, ohne Joystick Pong zu spielen.
Momentan sucht das Unternehmen einen Projektleiter für die Testreihe. Auf ihrer Website benennt die Firma weitere Ziele und Zwecke für ihr Interface, das den schlichten Namen »The Link« trägt: Das erste Ziel unserer Technologie wird sein, Gelähmten dabei zu helfen, durch die Kontrolle von Computern und Smartphones wieder Unabhängigkeit zu erlangen. Unsere Geräte sind dafür entwickelt, Menschen die Fähigkeit zu geben, per Text oder Sprachsynthese einfacher zu kommunizieren, im Netz ihre Neugier zu befriedigen oder sich mit Photographie, Kunst und Schreibanwendungen kreativ auszudrücken.
Aber die Ideen sind weitreichender; hier kommt einmal mehr der Silicon-Valley-Weltverbesserungsanspruch zum Tragen: Diese Technologie hat das Potential, die Art, wie wir miteinander, mit der Welt und mit uns selbst interagieren, zu erweitern.
Europas erster Quantencomputer mit über 5000 Qubits
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Zugegeben: Das Thema ist, zumindest ohne quantenphysikalisches Grundwissen, alles andere als leicht zu verstehen. Ganz einfach heruntergebrochen, lässt sich vielleicht sagen: Die Leistungsfähigkeit heutiger Supercomputer gelangt an ihr Ende. Durch die Aufteilung in zwei mögliche Zustände (»Ja« oder »Nein«, »ein« oder »aus«, 1 oder 0) brauchen sie für zunehmend komplexe Probleme zunehmend viel Rechenleistung, und da die Miniaturisierung an physikalische Grenzen stößt, ist ein Ende absehbar. Deswegen konzentriert sich die Forschung in letzter Zeit auf sogenannte »Quantencomputer«, die mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen und verarbeiten können. Aus dem Forschungszentrum Jülich gibt es dazu spannende Neuigkeiten.
Hier wurde kürzlich der erste Quantencomputer Europas mit mehr als 5000 Qubits in Betrieb genommen. Die Wikipedia definiert ein Qubit als das einfachste nichttriviale Quantensystem überhaupt. Und jedes nichttriviale quantenmechanische System [kann] prinzipiell unendlich viele verschiedene Zustände annehmen. In seiner Pressemitteilung schreibt das Forschungszentrum Jülich: Das neue System ist ein sogenannter Quantenannealer: Diese Art von Quantensystemen sind besonders geeignet für die Lösung von schwierigen Optimierungsproblemen, die insbesondere auch für die Industrie von großem Interesse sind – etwa um Verkehrsflüsse effizient zu steuern oder um künstliche neuronale Netze für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zu trainieren.
Die Hardware lieferte der kanadische Anbieter von Quantencomputer-Systemen D-Wave Systems; für die empfindliche Technik des Quantenannealers musste extra ein vibrationfreies Gebäude errichtet werden. Dort soll im nächsten Jahr ein weiterer Quantenrechner hinzukommen. Das Jülich Supercomputing Centre (JSC) will den Annealer in seine Jülicher Nutzer-Infrastruktur für Quantencomputing (JUNIQ) einbinden, die Forschenden in Deutschland und Europa seit Herbst 2019 Zugriff auf verschiedene Quantensysteme ermöglicht, wie es in der Pressemitteilung heißt. Gefördert wird JUNIQ zu gleichen Teilen vom Land NRW und dem Bund.
Kranke Krankenakten
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Momentan sorgt die Debatte um eine allgemeine SARS-CoV-2-Impfpflicht für Unruhe im noch recht jungen Parlament. Vieles will bedacht sein, unter anderem: der Datenschutz. Dabei ist mit dem Jahresbeginn ein anderes digital-virales Problem im Zusammenhang mit der menschlichen Gesundheit nicht weniger besorgniserregend: Die elektronische Patientenakte (ePA) hat, wie das Magazin c’t kürzlich herausfand, einen erheblichen Mangel. Sie ist nicht ausreichend vor Malware-Befall gesichert.
In ihren Spezifikationen hat die gematik GmbH – also jene Firma, die im Auftrag des Bundes die elektronische Gesundheitsakte inklusive dazugehöriger Infrastruktur entwickelt – zwar einiges festgelegt. Zum Beispiel, dass das Hochladen von ZIP-Dateien nicht erlaubt ist. Die sind unter anderem deswegen problematisch, weil sie sogenannte »Dekompressionsbomben« enthalten können, die beim Entpacken die jeweilige Festplatte bis aufs letzte Bit füllen und so Rechner lahmlegen können.
Eine der meistbenutzten Anwendungen für Patienten ist die »TK-App« für Android und iOS. Und die konnte in der Android-Version 3.15.0 mit einem kleinen Kniff dazu gebracht werden, sehr wohl ZIP-Files zu akzeptieren. Die App beurteilt nämlich die ihr angebotenen Dateien nach dem MIME-Typ in den Metadaten, und die c’t-Redaktion konnte mit einem Umweg über Google Drive und eine temporäre Änderung der Datei-Endung von .zip auf .txt eine ZIP-Datei über die App in die ePA hochladen.
Vor Veröffentlichung des Artikels wurden gematik und TK verständigt, die daraufhin in der Version 4.1 die Lücke schlossen. Es bleibt ein ungutes Gefühl, denn letztlich darf erstens ein solcher Fehler in einer so kritischen Infrastruktur erst gar nicht auftreten, und zweitens argumentierte die gematik, dass die Praxen und Krankenhäuser ohnehin dazu aufgefordert sind, die Dateien zu prüfen. Das dürfte sich im hektischen Mediziner-Alltag allerdings als mindestens schwierig erweisen. Und auch das vorgebrachte Argument, dass nur der Versicherte selbst dies aushebeln und die Ärztin/den Arzt seines Vertrauens bewusst mit einer Datei schädigen kann, trägt natürlich nicht, denn ohne weiteres kann ein Patienten-Betriebssystem von einem Trojaner befallen sein, der schädliche Dinge ohne Kenntnis der Anwender*innen tut. Das gehört sogar geradezu zur Kernkompetenz von Trojanern.
Hinzu kommt, dass im Falle einer solchen Schadsoftware-Attacke bislang auch die Haftungsfrage völlig ungeklärt ist. Der Rechtsanwalt Dirk Wachendorf empfahl Ärzten den Abschluss einer »Cyberrisk-Versicherung«, und der c’t-Artikel legt nahe, dass auch für Patienten eine solche Versicherung durchaus Sinn ergeben könnte. Und was, wenn sich über dieses – oder ein vergleichbares zukünftiges – Einfallstor tatsächlich Ransomware einschmuggeln sollte, wie sie gerade in einem mexikanischen Gefängnis einen Lockdown erzwingt oder im Sommer an der US-Ostküste das Benzin knapp werden ließ?
Schließlich kommen noch grundsätzliche Unsicherheiten von Digitalsystemen hinzu; am 13. Dezember war die gesamte »Telematische Infrastruktur« der medizinischen Digitalvernetzung vom Log4j-Problem lahmgelegt, drei Tage später war ein Drittel aller ePAs nicht erreichbar, weil IBM (die Firma stellt neben Bitmarck/Rise und ITSG eines der drei Server-Backends) ihr System aktualisierte. (Wir schrieben schon vor einem guten halben Jahr zu dem Thema.)
Bleiben also zwei Fragen: Wie digital wollen wir in einem so sensiblen Bereich werden, und wie sicher können wir diese Systeme machen?
Y2K22-Bug legt Exchange lahm
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Vor dem Millenniumswechsel 1999/2000 befürchteten viele IT-Experten, weltweit könnten Computersysteme versagen, weil sie mit der Jahreszahl 2000 nicht klarkämen. Fieberhaft wurde an der Problemlösung gearbeitet. Mit Erfolg – der Schaden hielt sich in Grenzen.
Der jüngste Jahreswechsel 2021/2022 hat nun offenbar ein ähnliches Problem verursacht. Zahlreiche Exchange-Server streiken und liefern keine Mails mehr aus, weil die Antimalware-Scan-Engine mit dem Zahlenwert »2201010001« nicht umgehen kann. Beim Konvertieren des Strings (also der Zahlenfolge) in einen sogenannten »Signed-Integer-Wert« kommt es offensichtlich zu einem Überlauf. Anders gesagt, bei der Umwandlung entsteht ein ungültiger, nicht zugelassener Wert. Als Folge weigert sich Exchange, die Daten weiterzuverarbeiten.
Zunächst riet Microsoft lediglich dazu, den Antimalware-Scan abzuschalten. Doch inzwischen gibt es einen weiteren Fix, den das Unternehmen auf seiner TechCommunity-Site veröffentlicht hat.
Achtung: Manche Admins berichten, dass ein anschließender Server-Neustart erforderlich sei.
Atomkraft? Bei uns kommt der Strom aus der Fensterscheibe!
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Der (immer wieder lesenswerte) SPIEGEL-Autor Christian Stöcker setzt mit einem etwas anderen Jahresrückblick den vielen schlechten und schlimmen Meldungen von 2021 ein paar gute entgegen: zum Beispiel die, dass bald ein Drittel der weltweiten Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Selbst die schon optimistische Prognose der Internationalen Energieagentur IEA wurde damit übertroffen. Und immerhin erzeugen schon zehn Länder Elektrizität fast oder gar vollständig mit Hilfe von erneuerbaren Quellen. Spitzenreiter: Abanien und Bhutan mit jeweils 100 Prozent, und das schon seit 2019 beziehungsweise 2020.
Zwar basiert der überwältigend große Anteil der Energiegewinnung dieser Top 10 auf Wasserkraft, und der Anteil der Solarenergie bewegt sich im einstelligen Prozent- oder sogar nur im Promillebereich, trotzdem ist auch eine gute Nachricht, dass die ersten transparenten Solarkrafterzeuger Marktreife erreicht haben. Die festeren Varianten lassen sich als Fenster in Gebäude einbauen, die dünneren sogar einfach auf Fensterscheiben aufkleben. Zum Beispiel auf Gewächshäuser.
Schlechte Nachrichten für alles SysAdmins, die sich gerade den Patch-Schweiß von der Stirn wischen, nachdem sie überall wo nötig das Update für die Java-Bibliothek log4j eingespielt haben: Es ist bereits wieder veraltet. Version 2.16.0 trägt die Gefahr eines DoS-Angriffs in sich, eines »Denial of Service«. Solche Attacken können ganze Serverparks zum Stillstand bringen.
Die gute Nachricht allerdings: Es gibt schon eine aktualisierte Version, in der auch diese Schwachstelle ausgemerzt ist. Bevor also die letzten Weihnachtseinkäufe erledigt werden, heißt es noch einmal: tief durchatmen, Ärmel hochkrempeln, aktualisieren! Denn über die Feiertage werden die Hacker mit ganz, ganz großer Sicherheit jede Menge Überstunden machen.
Wer »den Teufel mit dem Beelzebub austreibt«, ersetzt ein Übel durch ein anderes, womöglich noch schlimmeres. Das scheint gerade manchen zu passieren, deren Angst vor 5G-Strahlung sie zu eher exotischen Hilfsmitteln greifen lässt.
Vorweg: Stand heute ist die Strahlung, die vom neuen Mobilfunk-Standard 5G ausgeht, nicht bedenklich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bestätigen übereinstimmend, dass in zahlreichen Studien bislang keine Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen gefunden wurden.
Trotzdem hält sich hartnäckig der Glaube, 5G lasse Tumoren wachsen, Libido schmelzen, Parkinson und Alzheimer zunehmen, Vögel und Bienen sterben; für den Selbstschutz ist ein lohnender Markt entstanden. Unter anderem werden Schmuckstücke verkauft, die sich »Quanten-Anhänger« oder »Negativ-Ionen-Armbänder« nennen und die Mobilfunk-Strahlung neutralisieren oder abwehren sollen. Leider falsch, im Gegenteil: Die niederländische Behörde für nukleare Sicherheit und Strahlenschutz fand heraus, dass die Produkte ihrerseits radioaktive Strahlung emittieren. Und das ist tatsächlich gesundheitsschädlich!
So viel Aufregung war schon lange nicht mehr unter Systemadministratoren, IT-Sicherheitsfirmen und Online-Service-Providern: Deutschlands IT-Sicherheitsbehörde, das BSI, stuft das Problem auf die maximale Warnstufe »Rot« hoch, die Apache Software Foundation vergibt 10 von 10 möglichen Punkten auf der Skala des Schweregrads, Common Vulnerability Scoring System (CVSS).
Betroffen sind zahllose Services wie zum Beispiel Cloudflare, iCloud, Minecraft: Java Edition, Steam oder Twitter, mehrere Stellen in der Bundesverwaltung, wichtige deutsche Firmen und potenziell Millarden von Geräten bis hin zum Internet of Things. Dass es ernst ist, zeigen auch Zitate wie das vom Vizepräsidenten der Cybersecurity-Firma Crowdstrike: Das Internet steht gerade in Flammen.
Auslöser der, man darf schon sagen: Panik, ist eine Sicherheitslücke im Java-Baustein log4j. Das Framework ist für das Logging zuständig, also das Verfolgen und Dokumentieren von Zugriffen und Ereignissen in Java-Programmen. Es ist Open Source und wird von der Apache Foundation kostenlos zur Verfügung gestellt.
Erste Patches sind verfügbar und sollten sofort eingesetzt werden.
Während der Feiertage und »zwischen den Jahren« sind viele Firmengebäude leer, und auch die IT macht verdiente Ferien. Manch andere werden dann ganz besonders aktiv: BSI und BKA warnen deswegen schon jetzt vor drohenden Hacker-Attacken auf Unternehmen und Organisationen. Vor allem eine neue Welle von Emotet-Angriffen macht den beiden Bundesämtern Sorgen; zudem beobachten die Ermittler verstärkte Aktivitäten in der auf Erpressungs-Software spezialisierten Szene. Und – kaum zu glauben, aber wahr – es sind offenbar immer noch um die 13.000 Microsoft-Exchange-Server nicht ausreichend gepatcht.
Außerdem werden Schadsoftware-Produzenten immer organisierter; der SPIEGEL zitiert den Präsidenten des BKA, Holger Münch, mit den Worten: Das aktive öffentliche Werben von Hackergruppierungen für ihr kriminelles Geschäftsmodell ›Cybercrime as a Service‹ unterstreicht einmal mehr Professionalität und Vernetzungsgrad unseres Gegenübers.
Entsprechend wasserfest sollten IT-Systeme vor den Feiertagen gemacht, sämtliche Updates und Patches eingespielt und komplette Backups extern gesichert werden. Noch drei Wochen bis Heiligabend!
Das Comité des représentants permanents (Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten) der EU will de Praxis von »Dark Patterns« nun endgültig verbieten. Zur Erinnerung: Als »Dark Patterns« bezeichnet man Tricks im Web- und App-Design, die Kunden dazu bringen sollen, etwas zu tun (zu klicken, zu bestätigen, zuzustimmen), das sie tatsächlich gar nicht unbedingt wollen. Tracking erlauben zum Beispiel, oder ein Abonnement abschließen. (Wir hatten vor einer Weile schon darüber berichtet.)
Zwei Gesetzespakete namens »Digital Services Act« (DSA) und »Digital Markets Act« (DMA) werden derzeit verhandelt; mit ihnen sollen vor allem Internetgiganten wie Facebook, Google, Amazon und Co. schärfer reguliert werden. Darin geht es auch um illegale Inhalte im Netz, Hassrede, den Online-Verkauf gefälschter Produkte – und eben die manipulativen »Dark Patterns«. Das Arbeitspapier definiert sie so: Designtechniken, die Verbraucher zu unerwünschten Entscheidungen drängen oder täuschen, die negative Folgen für sie haben. Dazu kann zum Beispiel auch als Inhalt getarnte Werbung zählen.
Anfang ’22 wollen EU-Parlament, -Rat und -Kommission darüber beraten.
Von ihrer ersten Entdeckung durch Trend Micro im Sommer 2014 bis zur Erfolgsmeldung von Europol Anfang 2021 richteten die Emotet-Makroviren erheblichen Schaden an. Mit einem tückischen Trick: Emotet-Mails sehen nicht nur überzeugend echt aus, sondern stammen auch von persönlich bekannten Absendern. Betroffen waren vor allem Unternehmen und Behörden wie zum Beispiel der Heise-Verlag oder auch das Berliner Kammergericht – letzterem riet ein Gutachten zum kompletten Neuaufbau der IT-Infrastruktur.
Die Schäden summierten sich teilweise zu Millionenbeträgen. Das BKA nannte die Malware die gefährlichste Schadsoftware der Welt, und der BSI-Präsident Arne Schönbohm betitelte Emotet als König der Schadsoftware.
Diesen Januar hatten deutsche Sicherheitsbehörden gemeldet, die Infrakstruktur sei abgeschaltet worden, ein selbstzerstörendes Update in Umlauf gebracht und Emotet damit unschädlich gemacht – jetzt stellen Experten der Bochumer Sicherheitsfirma G Data fest: Systeme, die mit einer anderen Schadsoftware (»TrickBot«) infiziert waren, laden plötzlich eine neue Datei aus dem Netz, die als Emotet erkannt wurde. Also wieder extreme Vorsicht beim Öffnen jeglicher Mails!
Dass die zunehmende Belastung der Atmosphäre mit CO₂ wesentlicher Klimawandel-Treiber ist, hat sich längst herumgesprochen. Was aber noch auf sich warten lässt, ist ein wirksames globales Konzept zur Vermeidung der CO₂-Emissionen. Deswegen wird auch am Entfernen des Gases aus der Luft geforscht. Climeworks, ein Schweizer Startup, und die isländische Firma Carbfix haben in diesem September in der Nähe von Reykjavik eine große Anlage in Betrieb genommen.
»Orca« heißt sie, was das isländische Wort für »Energie« ist, und anders als die meisten anderen Projekte dieser Art filtert die Anlage das CO₂ direkt aus der Umgebungsluft – um es dann in Kalkgestein zu binden. Acht solche Umwandler mit einer jährlichen Aufnahmekapazität von je 500 Tonnen verrichten dort ihre Arbeit. Sie sind so designt, dass sie sich harmonisch in die isländische Naturlandschaft einfügen; Hitze und Strom für ihren Betrieb werden von der Hellisheidi Geothermal Power Plant geliefert, einer Geothermie-Anlage.
4000 Tonnen im Jahr sind nur ein verschwindend geringer Anteil der weltweiten CO₂-Belastung, CO₂-Reduktion bleibt enorm wichtig – aber der isländische Ansatz ist als zusätzliche Maßnahme vielversprechend.
Momentan im MediaMarkt oder Saturn einzukaufen ist eine Art Zeitreise: Zumindest in einigen Märkten kann wohl nur in bar bezahlt werden, und eine Quittung gibt’s auch nicht. Grund ist, dass das gesamte Kassensystem des Konzerns am Wochenende in ganz Deutschland und den Niederlanden von einem Verschlüsselungstrojaner attackiert wurde. Tausende Server sollen von dem Angriff außer Gefecht gesetzt worden sein; eine Firmensprecherin bestätigte: Der Konzern sei Ziel eines Cyberangriffs geworden.
Auf Twitter werden Screenshots von firmeninternen Nachrichten verbreitet, in denen von einem »Kryptovirus« geschrieben wird, das 3100 Server befallen und die darauf gespeicherten Daten verschlüsselt habe. Ein Bereich sei allerdings verschont geblieben, schränkte die Sprecherin ein: Die Online-Shops sind nicht betroffen.
Häufigkeit und Umfang solcher Ransomware-Attacken nehmen weiter rasant zu; erst kürzlich wurden zwei Verdächtige festgenommen, die mit REvil um die fünftausend Systeme in die Knie gezwungen haben sollen. Die Computerwoche hat Tipps zum Schutz. Die wichtigsten: Regelmäßige (Offline!-)Backups und System-Updates.
Das Forschungsgebiet der Optogenetik dürfte nur wenigen bekannt sein, hat aber das Potential, starke Reaktionen auszulösen - geht es doch um genetische Manipulation von Zellen zu verschiedensten Zwecken. Das finden die einen gruselig, die anderen faszinierend.
Der US-Neurobiologe Karl Deisseroth ist einer der führenden Köpfe in diesem Feld. Er berichtete jüngst im SPIEGEL-Interview, wie optogenetisch veränderte Zellen gezielt gesteuert werden können, zum Beispiel, um psychiatrische Leiden zu therapieren; in Versuchen wurden in Mäusen mittels Laserlicht unterschiedliche Emotionen wie Freude und Wut stimuliert.
Das Fachgebiet untersucht eine breite Palette möglicher Anwendungen: Kürzlich wurden bestimmte Zellen im Auge eines vollständig erblindeten Mannes wieder lichtempfindlich gemacht; mit einer Spezialbrille kann der 59-Jährige mittlerweile Formen und Objekte erkennen. Und schon 2018 haben Forscher der Universitätsmedizin Göttingen und des Deutschen Primatenzentrums ein lichtsensitives Protein in die Innenohr-Nervenzellen tauber Wüstenrennmäuse geschleust, wodurch diese wieder hören konnten.
Seit die Whistleblowerin Frances Haugen mit ihrer Kritik an die Öffentlichkeit getreten ist, veröffentlicht das Wall Street Journal regelmäßig Artikel zum Thema. Vor einer Woche schrieb die US-Wirtschafts-Tageszeitung: Laut internen Dokumenten hat die KI nur minimalen Erfolg beim Entfernen von Hatespeech, Gewaltbildern und anderen problematischen Inhalten. Videos von Schießereien werden nicht zuverlässig erkannt, dafür aber solche von einer Autowäsche als Schießerei interpretiert, und in einem Fall verwechselte die KI Hahnenkämpfe mit Autounfällen.
Facebook-Angestellte selbst hätten ermittelt, dass nur ein Bruchteil aller regelverletztenden Posts entfernt würden; einer der Forscher ging 2019 davon aus, dass nur etwa zwei Prozent aller Hass-verbreitenden Inhalte gelöscht werden, diesen Sommer nannte ein anderes Team eine Größenordnung von drei bis fünf Prozent.
In einer Reaktion wehrte sich das Facebook-Management: Fragwürdige Posts würden zwar nicht gelöscht, aber ihre Verbreitung stark eingeschränkt. Nur fünf von zehntausend Views beinhalteten Hatespeech. Die Zeitung kontert: Ein neuer Algorithmus ignoriere sogar mehr Nutzerbeschwerden.
Der Begriff schmeckt nach Achtzigerjahren und DDR, Kohleheizungsduft liegt in der Luft: »Mangelwirtschaft«, leere Regale und der Satz »Hamwernich!« waren für westliche Industrienationen lange beinahe exotisch. Mit Beginn der Corona-Krise gab’s erstmals auch in Deutschland wieder Mangel – plötzlich war Klopapier knapp. Allerdings vor allem wegen Hamsterkäufen der Bevölkerung.
Im Sommer 2021 beherrschte das Thema Holzknappheit die Medien; Bauen wurde teurer oder musste verschoben werden. Gamer warten zum Teil seit Ende 2020 auf ein Modell der neuen PS5, die Autoproduktion stockt nach wie vor – Grund ist der Halbleitermangel. Und nun warnen die Verlage: Wer Bücher unter den Weihnachtsbaum legen will, sollte jetzt kaufen, denn Papier wird knapp.
Ein Grund sind unterbrochene Lieferketten; vieles wird aus China geliefert – oder auch nicht. Und Produktionskosten steigen ebenfalls; im Magazin Stern wird eine Managerin zitiert, es werde immer schwieriger, Materialien einzukaufen, weil die Rohstoffpreise durch die Knappheit explodieren.
Und: Schon bald könnte auch hierzulande Wasserknappheit Thema werden.
Selbstfahrende Fahrzeuge sind ja noch immer nicht zur echten Marktreife gediehen – zu unsicher, zu fehleranfällig. Aber in manchen Situationen muss es auch gar nicht selbstfahrend sein, da reicht es, wenn jemand von außen die Steuerung übernimmt, wie es bei Drohnen schon lange üblich ist. Ein aktuelles Beispiel geht demnächst an den Start.
Carsharing scheitert teils an den kleinen Dingen: Die Fahrzeuge stehen an einem festen Ort, an den die Kund*innen erstmal laufen müssen. Und auch die lästige Parkplatzsuche kann Menschen abschrecken. Deswegen hat sich der Hamburger Carsharing-Anbieter Vay überlegt, die Anfahrt und das Parken einfach eine*n Mitarbeiter*in per Funk erledigen zu lassen. 4G macht’s möglich, der Mobilstandard ist schnell und zuverlässig genug, die Steuerimpulse des Telefahrers in Echtzeit an das Auto zu übermitteln. Dass das reibungslos funktioniert, haben zwei Jahre Testphase in Hamburg und Berlin gezeigt.
Die Stadt Hamburg ist nun kürzlich eine Partnerschaft mit dem Anbieter eingegangen; ab dem kommenden Jahr soll zunächst Bergedorf mit solchen ferngesteuerten Fahrzeugen ausgestattet werden.
Eine Studie des IT-Branchenverbands Bitkom ergab 2019: Nur gut 14 Prozent aller Bewerbungen für Stellen als IT-Fachkraft kommen von Frauen. Das EU-Statistikamt Eurostat fand 2020 heraus: Gerade 17 % der Stellen in der Tech-Branche sind weiblich besetzt. Das heißt im Umkehrschluss: Weit über vier Fünftel der Programmierer sind junge weiße Männer.
Es gab schon viele Untersuchungen darüber, dass deswegen zum Beispiel KI People of Colour, Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und andere nicht-weiß-männliche Gruppen benachteiligt, ausgrenzt oder schlicht vergisst. Ein aktueller Artikel im Magazin SPIEGEL erwähnt einen automatisierten Seifenspender, der die Hand einer Schwarzen nicht erkennt und also nicht reagiert.
Um diesem Missverhältnis zu begegnen, hat laut dem Artikel jetzt die Tech-Spezialistin Mina Saidze, deren Familie aus Afghanistan stammt, die Initiative »Inclusive Tech« gegründet, zu deren Unterstützern Constanze Osei von Facebook und Deepa Gautam-Nigge von SAP zählen; im Team sind unter anderem die dpa- und Springer-Datenanalystin Liudmila Rubleva, die Industrie-Ingenieurin Arabella Bossiade und die KI-Spezialistin Marsya Putu.
Wenn zwei sich streiten, freuen sich die Dritten und Vierten – in diesem Fall Grüne und FDP. Aber können sich auch die Wähler freuen? Immerhin waren beide Parteien am vergangenen Sonntag auch dank ihres starken Fokus’ auf Digitalisierung so erfolgreich. Vor allem die Liberalen, die das Thema ins Zentrum ihres Wahlkampfs rückten und so bei Erstwählern bundesweit stärkste Partei wurden.
Schon im August analysierte die Computerwoche das Wahlprogramm der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen. Klar ist, dass deutliche Unterschiede angeglichen werden müssen: Die Grünen denken IT als unterstützend für Umwelt und Naturschutz, ressourcenschonend, nachhaltig – und transparent. »Grüne Digitalisierung« ist das Stichwort, Datenschutz und KI sollen klar geregelt werden. Die FDP sieht die Innovationsverantwortung bei der Wirtschaft, die Losung lautet »Gründen wir Deutschland neu« – indem wir Unternehmen nicht behindern oder reglementieren, sondern freien Wettbewerb ermöglichen.
Einig sind sich aber beide Parteien: Ohne Fortschritt und Forschung ist Deutschland nicht länger zukunftsfähig. Wir werden sehen, was die Koalitionsbildung letztlich an Konsequenzen bringen wird.
Dass die Herstellung von virtuellem Geld enorm viel Strom frisst, ist bekannt und war hier auch schon Thema. Aber wie aktuell DER SPIEGEL berichtet, zeigt eine neue Studie: Kryptowährungen verursachen auch erschreckend viel Elektroschrott. Pro Transaktion ein halbes Pfund, wie das Magazin titelt.
Bitcoin’s growing e-waste problem heißt die Studie, die bei ScienceDirect veröffentlicht wurde. Darin stellen die Forscher Alex de Vries und Christian Stoll fest: On average Bitcoin generates 272 g of e-waste per transaction processed on the blockchain. Das entspricht etwa zwei iPhone 13 mini, wie DER SPIEGEL vorrechnet – oder, auf die tägliche Zahl von Mining-Operationen hochgerechnet, einer halben Million Smartphones, die auf dem Schrott landen. Täglich.
(Die tatsächliche Zahl dürfte sogar noch etwas höher liegen, denn die beiden Wissenschaftler haben nur Mining-Hardware in die Berechnungen einbezogen, die explizit für Bitcoins genutzt wird; Video-Grafikkarten wurden außer Acht gelassen.)
Die Konsequenz: Giftige Chemikalien werden bei der Müllverbrennung freigesetzt und können den Boden und das Grundwasser verseuchen.
Statt Null und Eins: Moleküle mit fünf Zuständen könnten Computer revolutionieren
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Schon bald sind Chip-Hersteller an dem Punkt, wo es heißt: Kleiner geht’s nimmer. Die Miniaturisierung hat immer neue, erstaunliche Rekorde hervorgebracht, aber irgendwann sind dem Material schlicht physikalische Grenzen gesetzt. Einige Forschergruppe haben seit einer Weile einen spannenden neuen Ansatz, wie das Magazin t3n berichtet: Sie nehmen sich die Synapsen des Gehirns zum Vorbild. Und verabschieden sich vom klassischen Transistor.
»Memristor« (Memory & Resistor) nennen sich neue, in der Entwicklung befindliche Bauteile, die nicht nur An- und Aus-Signale, sondern kontinuierliche Ladungsänderungen verarbeiten können – und den jeweilgen vorherigen Zustand auch speichern. Ein Schritt in diese Richtung dürfte ein Memristor sein, der jetzt an der National University in Singapur entwickelt wird: Bestehend aus einem Eisen- und drei organischen Atomen, kann das synthetische Molekül zwischen verschiedenen Zuständen umschalten – und zwar nicht nur zwei, sondern gleich fünf. Damit lassen sich komplexe logische AND-, OR- oder XOR-Verknüpfungen durchführen.
In eigener Sache: Cors Consulting jetzt GmbH
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Nicht selten wird die Handelsform »UG (haftungsbeschränkt)« auch »Mini-GmbH« genannt, oder gar »1-Euro-GmbH«. Verständlich, ist sie doch für Gründer tatsächlich besonders günstig, sowohl, was das geringe benötigte Startkapital angeht, als auch die niedrigen Gründungskosten. Wir freuen uns, diesen Gründerstatus jetzt verlassen zu haben: Cors Consulting ist ab sofort eine »richtige« GmbH.
Nach dem erfolgreichsten Jahr unseres bisherigen Bestehens haben wir kürzlich zusammen mit unserer Schwesterfirma EX-MIL die Umfirmierung in die Wege geleitet; seit dem vergangenen Wochenende halten wir für beide Firmen die offizielle Bestätigung des Amtsgerichts in der Hand. Unter der gleichgebliebenen Handelsregister-Nummer HRB 150142 firmiert Cors Consulting ab sofort als GmbH. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit!
Der Sternenhimmel war einmal
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Die aktuelle Nachricht ist eher kurioser Natur: Es scheint, dass Tauben den Empfang der Satellitenschüsseln von SpaceX stören, wie das Magazin t3n berichtet. Seit einigen Monaten ist über deren Satelliten-Netz »Starlink« Breitband-Internet in ländlichen Regionen verfügbar. Aber in den Empfangsschüsseln fühlen sich Tauben offenbar so wohl, dass sie immer wieder den Empfang unterbrechen. Dazu kommt, dass die Schüsseln bei Temperaturen über 40°C den Dienst einstellen.
Viel problematischer ist auf lange Sicht aber, dass die vielen tausend Satelliten, die SpaceX ins All schießt, den Sternenhimmel verändern. Etwa 1600 sind es momentan, und nicht nur verstellen sie den romantischen Blick in den Abendhimmel – beim Start sind sie oft sehr hell und mit bloßem Auge als eine Art »Perlenkette« am Himmel zu erkennen, weswegen einige Menschen schon bei Astronomie-Instituten anriefen und UFO-Sichtungen meldeten. Darüber hinaus sind sie auch eine Gefahr: Schon 2019 musste der europäische Forschungssatellit »Aeolus« ein Ausweichmanöver fliegen, weil ein Starlink-Satellit auf seine Umlaufbahn geriet. Neben großen Mengen Weltraumschrotts werden Starlink-Satelliten Raumfahrten deutlich unsicherer machen. Neben vielen anderen berichteten der Deutschlandfunk, der Bayrische Rundfunk, die Frankfurter Rundschau und der Berliner Tagesspiegel.
»Computer, bin ich krank?«
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Die Zukunft hat längst begonnen – was gerade noch wie Science-Fiction klang, ist inzwischen Wirklichkeit. Das gilt vor allem für die momentan Warp-Speed-schnelle Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI, englisch AI). Ein noch recht junges Ergebnis: Stimmanalyse ist offenbar in der Lage, Krankheiten der Sprechenden zu erkennen.
Im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie entstanden gleich mehrere Startups, deren Technologie eine COVID-19-Infektion einfach dadurch diagnostiziert, dass die betroffene Person ins Smartphone spricht. Damit sind zwar (noch) keine hundertprozentig zweifelsfreien Diagnosen möglich, aber beispielsweise in Notaufnahmen von Krankenhäusern kann die Technik helfen, Patienten schnell ihrer (lebens-)notwendigen Behandlung zuzuführen.
Stimm-Algorithmen können aber nicht nur COVID: Seit rund zehn Jahren wird daran geforscht, wie unterschiedlichste Krankheiten die Stimmen der Betroffenen verändern. Dabei werden Biomarker für Demenz, Depression und Störungen im Autismus-Spektrum ebenso erforscht wie zum Beispiel Herzkrankheiten. In nicht allzu ferner Zukunft können Epidemiologen möglicherweise so die Ausbreitung von Krankheiten in Echtzeit verfolgen.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen vzvb beklagt, dass in Deutschland die Preise für Mobilfunk und Datenvolumen im Vergleich zum Rest Europas nach wie vor deutlich zu hoch seien. Der Verbandssprecher Klaus Müller betonte im Gespräch mit der dpa, dass es für diesen Unterschied keinen nachvollziehbaren Grund gebe.
Der Verband hatte in einem Preisvergleich festgestellt, dass in Ländern wie Frankreich oder Italien, vor allem aber östlichen EU-Mitgliedern wie Estland, Rumänien oder Polen die Kosten für mobiles Internet deutlich niedriger sind als hier. Müller macht vor allem mangelnden Wettbewerb in Deutschland dafür verantwortlich.
Im direkten Vergleich der Zahlen von 2019 kostete ein Gigabyte mobiles Datenvolumen nur in Spanien mit € 3,58 noch mehr als in Deutschland; im Vereinigten Königreich war es mit € 3,35 genauso teuer wie hierzulande. Aber schon in Italien kostete das Gigabyte mit € 1,65 nur etwa die Hälfte und in Polen mit € 0,83 sogar nur ein Viertel. Und auch wenn die Preise fallen, hält sich Deutschland trotzdem weiter auf Platz 1 oder 2 der Negativliste.
»Dark Patterns« im Visier
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»Dark Patterns« haben nichts gemein mit dem Darknet. Und wo letzteres durchaus legitim sein kann, als nötige Maßnahme zum Schutz der Privatsphäre, sind erstere immer zwielichtig. Auch ihre Legalität wird gerade angezweifelt: Die Netz-Initiative noyb (kurz für none of your business, das geht dich gar nichts an) klagt gegen eine Reihe großer Unternehmen, die bei ihren Online-Auftritten solche Dark Patterns nutzen – und damit nach Ansicht von noyb-Gründer und Datenschutzaktivist Max Schrems gegen die DSGVO verstoßen.
»Dark Patterns« sind Bedienungselemente auf Websites und Apps, die Nutzer zu bestimmten Handlungen drängen sollen. Bei Cookie-Hinweisen zum Beispiel sind häufig die »Zustimmen«-Buttons groß, leuchtend und prominent platziert, die Links zum Ablehnen oder zu differenzierten Einstellungen aber klein und oft auch farblich versteckt – mit dem Ziel, dass Nutzer*innen der Datensammelei zustimmen.
Eine andere Dark-Patterns-Methode ist zum Beispiel das Roach Motel: Mit einem Klick kann man einen Vertrag abschließen, die Kündigung braucht 17 Klicks und einen Anruf bei einer schwer erreichbaren Hotline. Auch solche Methoden werden in Zukunft zunehmend geprüft.
Die meisten Meldungen über die von 5G ausgehenden Gefahren wurden entweder schon widerlegt oder konnten zumindest noch nicht bestätigt werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz sagt: Wenn die Grenzwerte eingehalten werden, könnten negative Folgen des Mobilfunks für die menschliche Gesundheit nicht belegt werden – speziell zu 5G lägen aber noch zu wenige Untersuchungsergebnisse vor, gerade, was die größere Dichte von Sendemasten betrifft.
Aber nicht nur Menschen sollen betroffen sein. Die Strahlung sei ein Faktor für das Insektensterben, schlagzeilten letztes Jahr der NABU und der Verein diagnose:funk. SWR-Redakteur Uwe Gradwohl hat diese Meldung zwar demontiert, aber was ist mit anderen Tieren? Seit bei uns in der Nähe ein 5G-Mast aufgestellt wurde, schlagen Vögel orientierungslos auf unsere Fenster, lautet ein Erfahrungsbericht.
Rotkehlchen zum Beispiel orientieren sich am irdischen Magnetfeld. Andere elektromagnetische Felder können diese Orientierung stören. So weit, so wahr – aber: nur, wenn es sich um relativ niedrigfrequente Strahlung zwischen 50 kHz und 5 MHz handelt. Der gefiederte magnetische Orientierungssinn wird also von Mobilfunknetzen (ab 700 MHz) nicht gestört.
Die alten Betriebssysteme von Microsoft aus dem längst vergangenen Jahrtausend laufen immer noch auf vielen Rechnern – das sechsundzwanzig Jahre alte Windows 95 zum Beispiel beim Berliner Kammergericht. Sicherheitslücken in der Größe von Scheunentoren sind häufig die Folge, was das Gericht mit der Emotet-Attacke 2017 schmerzlich realisieren musste.
Um nicht in dieselbe Verlegenheit zu kommen, sagt sich offensichtlich der Google-Konzern: Zehn Jahre sind genug. Mit drastischen Maßnahmen schiebt die Firma der Überalterung jetzt einen Riegel vor. Android-Handys, auf denen noch die Version »Gingerbread« (2.3.3 – 2.3.7) oder eine ältere läuft, werden ab dem 27. September viele Services nicht mehr nutzen können.
Technisch wird das realisiert, indem Google-Apps nicht mehr funktionieren und beim Login-Versuch eine Fehlermeldung ausgeben. Die einzige Möglichkeit, noch auf einige wenige Google-Services zuzugreifen, wird dann das Login im Web-Browser. Sinnvollerweise sollten alle Nutzer einer solchen Android-Version versuchen upzudaten; alles ab »Honeycomb« (also von 3.0.0 aufwärts) wird weiterhin unterstützt. Oder: Eine Open-Source-Version von Android installieren.
Die Nachricht ist nicht unbedingt taufrisch, aber sie bestätigt sich offensichtlich aktuell erneut: Schon im April hatte der weltweit größte Chiphersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) vorausgesagt, dass die Verfügbarkeit von Halbleitern auch im kommenden Jahr nicht gewährleistet werden kann; voraussichtlich erst im Laufe 2022 können Kapazitäten aus- und Engpässe nach und nach abgebaut werden. Für die Autoindustrie ist wohl schon gegen Ende dieses Jahres Besserung in Sicht, aber Grafikkarten, Spielkonsolen und sogar Laptops und Smartphones bleiben knapp.
Jetzt hat auch Intels CEO Pat Gelsinger diese Einschätzung bekräftigt. Er rechnet damit, dass die weltweite Halbleiterknappheit in den nächsten Monaten sogar noch zunehmen wird. Die Talsohle, so Gelsinger, werde in der zweiten Jahreshälfte 2021 erreicht werden, aber es werde noch ein oder zwei Jahre dauern, bis die Industrie die Nachfrage vollständig erfüllen kann. Ein Teil der Wahrheit ist allerdings auch, dass Intel im zweiten Quartal 2021 40 % mehr Notebook-Prozessoren verkaufte als im Vorjahr.
Fluch oder Segen? Das E-Rezept wird Pflicht
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Stellen Sie sich vor, Sie gehen in die Apotheke, um Ihr Medikament abzuholen, und ihr*e Apotheker*in zuckt nur mit den Schultern: Geht grad nicht, der Server ist down. Was bestenfalls eine Unannehmlichkeit, im schlimmsten Fall aber eine Gefahr für Ihre Gesundheit bedeuten kann, könnte trotzdem bald wahr werden: Seit dem 1. Juli gibt es in Deutschland digitale Rezepte – bisher nur in Berlin-Brandenburg, aber ab 2022 bundesweit, und vor allem: verpflichtend.
Der gesamte Prozess von der Ausstellung bis zur Einlösung des Rezepts läuft über das Netzwerk des Gesundheitssystems, die sogenannte Telematikinfrastruktur. Von der Arztpraxis übermittelt, liegen die Rezepte verschlüsselt auf einem Server. Die Patient*innen bekommen einen QR-Code, als Ausdruck oder in einer speziellen App – die allerdings ein aktuelles Smartphone plus neueste Gesundheitskarte erfordert; die beiden gleichen kontaktlos via NFC die Identifizierung ab.
Eingelöst wird das Rezept durch Vorzeigen des QR-Codes in der Apotheke. Aber: Wenn die Telematik-Server nicht erreichbar sind, geht nichts mehr. Genau das ist zuletzt im Sommer 2020 passiert.
Wenn ein ganzer Landkreis digital ausgeschaltet ist, dann hat die Bedrohung durch Hacks und Hacker*innen offensichtlich ein neues Niveau erreicht. Seit dem 9. Juli ist Anhalt-Bitterfeld in dieser Lage; von Aken bis Zörbis, von Zerbst bis Muldestausee geht nichts mehr, was ansatzweise mit Computervernetzung zu tun hat. Wie in den vergangenen Monaten auch zunehmend andernorts, ist ein Ransomware-Angriff verantwortlich – aber nicht nur.
Dass überhaupt so viele Attacken gelingen, liegt nämlich oft genug an mangelnder Aufmerksamkeit der Verantwortlichen für ihre IT-Infrastruktur. Der oben erwähnte Angriff nutzte eine Sicherheitslücke, vor der Microsoft am 1. Juli gewarnt hatte; am 6. startete der Hack. Mit anderen Worten: Erstens reagieren IT-Kriminelle rasend schnell, und zweitens muss es eine*n Beauftragte*n geben, die oder der sich vollzeit auf dem Laufenden hält, schnell handeln kann und alle Systeme konstant up-to-date hält.
Das absolute Gegenteil ist vielfach der Fall; 2019 wurde das Berliner Kammergericht mit einem Emotet-Virus angegriffen – dort wurde noch teilweise mit Windows 95 gearbeitet (dessen Microsoft-Support 2001 endete).
Künstliche Intelligenz kann hilfreich sein – manchmal aber auch das Gegenteil. Der SPIEGEL-Autor Patrick Beuth hat ein paar Meldungen zusammengefasst, die zeigen, wie KI gegen das Interesse von Menschen »handelt«:
Noch ist die Terminator-Vision eines feindlichen Skynets nicht real, und die Cylons aus Battlestar Galactica gibt’s auch noch nicht. Aber immerhin haben viele amerikanische Arbeitslose über Wochen oder sogar Monate kein Arbeitslosengeld erhalten, weil die Gesichtserkennungssoftware von ID.me ihnen den Zugang verweigerte. Der Versand-Riese Amazon verwendet einen Algorithmus, der Fahrer*innen des hauseigenen Lieferunternehmens automatisch kündigt, wenn sie ihre Touren nicht zügig genug erledigen. Dagegen ist Widerspruch zwecklos. Schließlich ist da noch das Beispiel der Volkswagen-Tochter MOIA, eine Art Sammeltaxi-Alternative. Dort entwickelt ein Algorithmus Dienstpläne für die Fahrer*innen, die unmöglich einzuhalten sind.
AlgorithmWatch hat letzten Herbst über 100 Beispiele für Automated Decision Making (ADM) untersucht und stellt fest: Die große Mehrheit der Anwendungen setzt Menschen einem Risiko aus, statt ihnen zu helfen.
Pfand für Handys
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Der Bitkom-Verband hat mittels einer repräsentativen Umfrage hochgerechnet, dass über 200 Millionen alte Mobiltelefone nicht recycelt werden, sondern ausrangiert in Schubladen lagern. Dabei sind die Rohstoffe (beispielsweise Kupfer, Kobalt, Tantal, Silber und Gold, Nickel oder Seltene Erden) knapp, und 80 Prozent der verbauten Teile können wiederverwendet werden.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat nun für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) eine Umfrage durchgeführt, nach der 87 Prozent der Befragten ein Handy-Pfand als »sehr gut« oder »gut« bewerten.
Repariert wird ebenso selten, denn in derselben Umfrage sagten über 90 %, dass Reparaturen von Elektrogeräten zu teuer gegenüber Neuanschaffungen seien, und satte 84 % glauben, dass die Hersteller ihre Produkte absichtlich so designten, dass sie kurz nach Ablauf der Garantie kaputtgehen (»geplante Obsoleszenz«).
Tatsächlich ist Elektroschrott ein wachsendes Problem; global verursachen wir pro Person jährlich etwa 7,3 Kilo, Deutsche sogar 10,3 kg. Davon sind Smartphones zwar ein eher kleiner Teil, aber konsequentes Recycling, motiviert durch eine Pfandabgabe, wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
Momentan erlebt ein kryptisches Kürzel reichlich Medienrummel: Tim Berners-Lee versteigert den Original-Sourcecode des WWW als NFT, Christie’s ein rein digitales NFT-Kunstwerk – letzteres erzielte einen Erlös von über 69 Millionen Dollar. Aber was ist überhaupt ein NFT? Wikipedia: Ein Non-Fungible Token (NFT) ist ein eindeutiges – nicht ersetzbares – kryptografisches Token, das im Vergleich zum Fungible Token wie z. B. Bitcoin nicht austauschbar, sondern ein Unikat ist.
Anders als sonstigen Digitalkopien ist ein NFT also einmalig. Und ähnlich wie im Falle von Kryptowährungen setzt bei Investoren ein beinahe schon atemloser Run auf solche NFTs ein, besonders auf dem Kunstmarkt. Moment mal, warnt allerdings Coinbase-Gründer Fred Ehrsam. Er hat im Interview mit Bloomberg TV die Prognose abgegeben, dass 90 % der produzierten NFTs wahrscheinlich kaum bis gar keinen Wert in drei bis fünf Jahren haben werden. Er vergleicht den Hype mit der Dotcom-Blase in den späten Neunzigern.
Vielleicht sind also mehr Zurückhaltung und Vorsicht angebracht; erst kürzlich hat das Hin und Her um Elon Musks Twitter-Posts zu Bitcoins gezeigt, wie schnell der Wertverfall gehen kann …
Herkömmliche Chips erreichen das Ende ihrer Optimierbarkeit. »Moore’s Law« von 1965/1975, nach dem sich die Dichte von Chips jährlich verdoppelt, gilt inzwischen nicht mehr. Für die schnell wachsenden Anforderungen an Rechenleistung (wachsender Datendurchsatz bei Internet-Verbindungen, Künstliche Intelligenz), sind herkömmliche Chips in absehbarer Zeit nicht mehr ausreichend.
Hoffnung macht der Einsatz von Licht (Photonen) in zukünftigen Chips. Eine Gruppe von Forschern hat im renommieren Nature-Magazin Ergebnisse veröffentlicht, nach denen solche Technologie offensichtlich schon erfolgreich in ersten Anwendungen eingesetzt wird. Licht hat entscheidende Vorteile gegenüber herkömmlichen Halbleitern; verschiedenfarbige Strahlen können viele Informationen parallel verarbeiten, und Photonen lassen sich wesentlich höher takten, sind also auch dadurch schneller.
Zwar gibt es noch einige Probleme, aber obige Forschung gibt ebenso Anlass zu Optimismus wie die Meldung, das französische Unternehmen LightOn habe kürzlich den ersten photonischen Co-Prozessor für künstliche Intelligenz auf den Markt gebracht.
Seit Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die am 25. Mai 2018 in Kraft trat, sind sie wie Pilze aus dem Boden geschossen: Banner auf Websites, die über die Verwendung von Cookies informieren und die Besucher wählen lassen, ob sie dem Einsatz der kleinen Info-Dateien zustimmen – und wenn ja, in welchem Umfang. So zumindest der Plan.
In der Praxis sind diese Banner oft unvollständig, unklar, absichtlich einseitig designt oder gar irreführend. Dagegen geht jetzt der Verein noyb (none of your business, das geht dich gar nichts an) vor: Kürzlich gab die Initiative bekannt, sie habe rund 560 Beschwerden an Unternehmen in 33 europäischen und außereuropäischen Ländern verschickt. Grund: Deren Cookie-Consent-Banner stünden nicht im Einklang mit der DSGVO. Im Laufe des Jahres sollen es sogar bis zu 10.000 solcher Beschwerdeschreiben werden.
Max Schrems ist Gründungsmitglied und Vorsitzender von noyb, er sagt: Eine ganze Industrie von Beratern und Designern entwickelt verrückte Klick-Labyrinthe, um vollkommen unrealistische Zustimmungsraten zu generieren. Menschen mit Tricks zum Zustimmen zu verführen, ist ein klarer Verstoß gegen die Prinzipien der DSGVO. Die nämlich verlangt ein klares »Ja« oder »Nein«.
Man kann es einfach nicht oft genug sagen: Bei ungefragt eingegangenen E-Mails niemals auf Links klicken oder sonstwie interagieren, am besten: gar nicht erst öffnen.
Machen offenbar trotzdem viele: Microsoft warnt vor einer neuen Phishing-Welle, die diesmal zu gut 25 % Organisationen aus den Bereichen internationale Entwicklung, humanitäre Arbeit und Menschenrechte betrifft. Microsoft-Vize Tom Burt bloggte, der Angriff zielte auf etwa 3000 E-Mail-Konten bei mehr als 150 verschiedenen Organisationen ab, aus den USA und mindestens 23 weiteren Staaten.
Wie so oft bei solchen Atacken sind auch in diesem Fall Links in den Mails enthalten, über die Schadsoftware installiert werden kann. Die Hacker nutzten einen E-Mail-Marketing-Service der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID), die Phishingmails sehen aus wie authentische USAID-Mails.
Die Angriffswelle geht momentan noch weiter; laut Microsoft ist Urheberin die Hackergruppe Nobelium, die auch für den Angriff auf US-Behörden und andere Organisationen im vergangenen Herbst/Winter, den sogenannten SolarWinds-Hack, verantwortlich gemacht wird.
Bitcoin: Energiehungriger als viele Länder
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Bitcoin und andere Kryptowährungen sind momentan schwer im Trend. Die Gewinnmargen können enorm sein; Digitalwährungen sind daher bei wagemutigeren Anlegern außerordentlich beliebt. Allerdings gilt, wie so oft im Leben: Von nichts kommt nichts. Schon länger steht das sogenannte »Mining« in der Kritik, weil es gewaltige Energiemengen erfordert.
Das liegt am Grundprinzip: Nutzer*innen stellen Rechnerkapazität zur Verfügung, mit der Kauf und Verkauf von Bitcoins verschlüsselt und validiert wird. Die dabei anfallenden Rechenoperationen sind hochkomplex und verbrauchen entsprechend große Mengen an Computerstrom.
Die University of Cambridge hat kürzlich den »Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index« aus der Taufe gehoben, mit dem versucht wird, den tatsächlichen Energieverbrauch zu ermitteln. Die Forscher schätzen einen Jahresverbrauch von knapp 150 Terawattstunden (tWh) – das ist in etwa so viel, wie das gesamte Land Polen mit rund 40 Millionen Einwohner*innen jährlich verbraucht.
Der Energieaufwand wird mit einem Modell bestimmt. Dieses Modell hat eine große Variationsbreite: Die Obergrenze liegt bei 500 tWh, nur etwa zehn Prozent weniger, als Deutschland im Jahr verbraucht.
3D-Drucker sind auf dem Weg zum Allzweckgerät. Schon vor zwei Jahren hatten israelische Wissenschaftler ein funktionierendes Herz aus menschlichem Gewebe gedruckt, es kommen bereits Lebensmittel aus dem 3D-Drucker, Flugzeugteile, Sportschuhe und vieles mehr. Ein neuer Meilenstein beeindruckt vor allem durch seine Größe: In den Niederlanden wurde jetzt das erste Einfamilienhaus aus dem Printer bezogen.
Zugegeben: Es stammen nicht alle Teile des Gebäudes aus dem 3D-Druckkopf – das Fundament ist noch traditionell gefertigt, und die Dachkonstruktion besteht aus Holz. Aber der gesamte Rest des 94 Quadratmeter großen Hauses wurde gedruckt. Einer der Vorteile: Die druckergestützten »Bauarbeiten« dauerten gerade mal fünf Tage. Dann wurden die Bauteile an den Standort transportiert und dort zusammengesetzt. Für die Fertigung der Teile hatte die Firma einen 3D-Druckkopf und einen Extruder an einen Kran montiert; in Zukunft soll so auch direkt vor Ort gedruckt werden.
In den USA war schon früher ein 177 m² großes Haus errichtet worden; dort hatten die Druckarbeiten acht Tage gedauert. Das niederländische Haus ist aber das erste weltweit, in dem nun tatsächlich Menschen leben.
Kurze Quizfrage: Wie lange gibt es Computer? Die Antwort könnte manche überraschen: Vor 80 Jahren wurde der wohl erste funktionsfähige Rechner in Betrieb genommen!
Konrad Zuse, Statiker beim Berliner Flugzeugbauer Henschel, war von den wiederkehrenden Berechnungen bei seiner Arbeit so gelangweilt, dass er eine Maschine erfand, die solche Kalkulationen übernehmen sollte. 1935, mit 25 Jahren, machte er sich selbständig, entwickelte im elterlichen Wohnzimmer ein »mechanisches Gehirn«, und am 12. Mai 1941 wurde der erste funktionierende Digitalrechner in Betrieb genommen: die Z3.
Zuse nahm für die Funktion der Maschine das Binärsystem zur Grundlage, das mit seinen zwei Zuständen – »wahr« und »falsch« – bis heute Basis jedes Digitalgeräts ist. Begonnen hatte Zuse mit der Z1, die noch mechanisch arbeitete, mit übereinanderliegenden Blechstreifen. Allerdings verklemmten diese ständig, so dass er sich schon beim Nachfolger, der Z2, für die Verwendung von Relais entschied. Der Impuls für eine größere Maschine kam dann aus der Luftfahrt; ursprünglich wurde die Z3 entwickelt, um Flügel- und Leitwerkberechnungen durchzuführen. Sie enthielt insgesamt 2000 Relais.
Kürzlich war Intels CEO Pat Gelsinger in Brüssel beim EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton zu Gast. Ihr Thema: die europäische Halbleiter-Allianz. Angesichts der fortdauernden Lieferkrise will Breton die Abhängigkeit von asiatischen Herstellern verringern und erreichen, dass die EU bis 2030 ihren Anteil an der weltweiten Halbleiterfertigung von 10 auf 20 % verdoppelt. Vor allem geht es dabei um Chips allerkleinster Dimensionen, 2 nm (Nanometer) und kleiner; zum Vergleich: Ein menschliches Haar misst rund 50.000 bis 100.000 nm.
Zu so hochspezialisierter Fertigung sind EU-Unternehmen aber ohne Unterstützung seitens Konzernen wie Intel, Taiwans TSMC oder Koreas Samsung nicht in der Lage. Deshalb trifft sich Breton mit Vertretern aller drei Unternehmen; Taiwan und Korea zeigten sich bisher wenig interessiert. Dass Gelsinger also sogar persönlich anreiste, ist ein wichtiges Zeichen. Allerdings ist sich wohl auch der Amerikaner der Klemme bewusst, in der die EU steckt: Bei seinem Besuch formulierte er – zwar nicht im Gespräch mit Breton, aber gegenüber Medienvertretern – Intels Bedingungen für eine Zusammenarbeit: Acht Milliarden Euro staatliche Hilfen soll der Bau zweier Fabriken die EU kosten.
Vielen ist es wohl nicht bewusst: Für einen Computer ist es gar nicht so leicht, zufällige Werte zu erzeugen. Computer sind schließlich Maschinen und arbeiten als solche zwangsläufig in Mustern. Die automatisierte Entschlüsselung eines von einem Computer generierten Codes auf der Basis solcher Muster ist deswegen zwar nicht unbedingt simpel, aber doch grundsätzlich möglich.
Um die Sicherheit ihrer eigenen Systeme zu verbessern, hat die Firma Cloudflare deshalb einen ungewöhnlichen (und ein bisschen nostalgischen) Weg gewählt: In ihrer Firmenzentrale in San Francisco stehen Lavalampen – also jene sich langsam bewegenden, wabernden Leuchtobjekte, die in den Siebzigern einen ersten Boom erlebten. Eine Kamera nimmt die »Lava-Wand« konstant auf und schickt die Daten an einen Computer.
Aus den Bewegungen der Lampen und weiteren Umgebungsfaktoren – wie den Reflexionen von gegenüberliegenden Fenstern und den Schatten sich bewegender Personen (die Lavalampenwand hat inzwischen viele Besucher) – generiert der Computer einen Zufallscode, von dem die Kryptografen von Cloudflare glauben, er sei nicht zu knacken.
Die Firmenzentrale neu streichen, statt neue Klimaanlagen einzubauen – das könnte bald eine sinnvolle Alternative sein. Nachdem vor rund zweieinhalb Jahren »Vantablack« für Aufsehen sorgte, ein Schwarz, das 99,965 % des einfallenden Lichts absorbiert, hat die Purdue University in West Lafayette, Indiana, jetzt gewissermaßen dessen Gegenstück entwickelt. Das von dem Team der Universität am vergangenen Donnerstag vorgestellte Weiß reflektiert rund 98,1 % des sichtbaren Lichts. Bislang erhältliche hitzeabweisende Farben schaffen dagegen nur 80 – 90 %.
Wenn Sie mit dieser Farbe eine Dachfläche von etwa 1.000 ft² [rund 92 m²] streichen, sagt der an der Entwicklung beteiligte Maschinenbau-Professor Xiulin Ruan, schätzen wir, dass die Kühlleistung 10 Kilowatt betragen würde. Das ist leistungsstärker als die zentralen Klimaanlagen, die in den meisten Häusern verwendet werden. Das Geheimnis der neuen Farbe – an der das Team sechs Jahre lang forschte – besteht in der Verwendung hochkonzetrierter Bariumpartikel in unterschiedlichen Größen, wodurch ein besonders großer Bereich des Lichtspektrums reflektiert wird.
Da Capo, Exchange: Neue Patches!
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Schnell sein sollten alle Betreiber eines Microsoft-Exchange-Servers. Denn schon wieder sah sich der Konzern gezwungen, das Programm zu patchen. Gegen neue Sicherheitslücken, wohlgemerkt. Auch diese werden wieder als »kritisch« eingestuft.
Entdeckt hatte die vier Schwachstellen die US-amerikanische National Security Agency, kurz NSA; sie informierte den Tech-Giganten darüber, der daraufhin am gestrigen Patch Tuesday diese vier und eine weitere Sicherheitslücke – die von der russischen IT-Sicherheitsfirma Kaspersky gefunden und laut dem Unternehmen auch bereits von Unbekannten ausgenutzt wurde – schloss.
Erst im März war bekannt geworden, dass über Exchange-Schwachstellen zehntausende E-Mail-Server weltweit infiziert worden sind, wie IT-Sicherheitsexperten schätzen. Einige der Attacken nutzten wohl explizit die Tatsache aus, dass die Aktualisierungen nicht automatisiert ausgeliefert wurden, sondern per Hand durchgeführt werden mussten – was längst nicht alle Exchange-Kunden schnell genug taten. Diesmal sollte also keine Zeit verstreichen; die Patches stehen ab sofort zur Verfügung.
Millionen für 6G
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Gerade läuft in Deutschland erst der Ausbau des 5G-Netzes an, da wird schon die nächsten Generation ins Visier genommen: 2030 soll der Nachfolger kommen. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sagte dem Handelsblatt dazu: 6G wird die mobile Datentechnologie der Zukunft sein und unsere Kommunikation im nächsten Jahrzehnt bestimmen (…) Mit 6G werden Daten mehr als 100-mal schneller übertragen als mit 5G – mit großen Vorteilen für die mobile Kommunikation jedes einzelnen Menschen, aber auch für unsere Industrie und Landwirtschaft.
Die Ministerin nennt als ein Beispiel die Extended Reality, die 3D in hoher Auflösung streamen kann, zum Beispiel für medizinische Operationen aus der Distanz. Das eröffnet neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit über Entfernung, nicht nur im Büroalltag, sondern auch in der Produktion. Karliczek startet jetzt eine Forschungsinitiative zm Thema und stellt dafür bis 2025 rund 700 Millionen Euro bereit – auch, um in Zukunft nicht abhängig von anderen zu sein, was wohl ein Verweis auf die anhaltende Debatte über Huawei beim Aufbau des 5G-Netzes sein dürfte.
Wer dachte, dass der Skandal um Cambridge Analytica, die zur US-Wahl 2016 um die 87 Millionen Datensätze aus Facebook extrahierten, gewaltig und kaum zu toppen war, wird jetzt eines Schlechteren belehrt: Von 533 Millionen Personen, knapp einem Fünftel aller FB-Nutzer, sind die persönlichen Daten – Telefonnummern, Facebook-IDs, Vor- und Nachnamen, Wohnorte, Geburtsdaten, Bios und in manchen Fällen auch die E-Mail-Adressen – quasi frei im Netz aufgetaucht.
Alon Gal vom Cybercrime-Unternehmen Hudson Rock fand den gigantischen Datensatz in einem Hacking-Forum. Er sagte dem Business Insider: Eine Datenbank dieser Größe (…) wird mit Sicherheit dazu führen, dass Übeltäter die Daten nutzen, um Social-Engineering-Angriffe [oder] Hacking-Versuche durchzuführen. Zwar sind die Datensätze schon etwas älter; laut Facebook wurde die ausgenutzte Schwachstelle im August 2019 gepatcht. Dennoch können all jene Nutzer*innen, deren Daten enthalten sind (sie stammen aus 106 verschiedenen Ländern), Opfer von Identitätsdiebstahl, Phishing, Hacking und anderen Cybercrime-Angriffen werden.
Hinterhältig: REvil missbraucht Windows’ abgesicherten Modus
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Wenn es Probleme gibt mit einem Windows-System, kann der Neustart in den abgesicherten Modus (engl. Safe Mode) helfen, sie zu lösen. Alle nicht wesentlichen Programme, Dienste und Routinen werden nicht geladen, nur essenzielle Windows-Bestandteile starten. Der noch relativ neue REvil-Erpressungstrojaner nutzt jetzt genau diesen Modus, um das System endgültig zu überwältigen.
Oft dringt der Trojaner über die kürzlich entdeckte Lücke im Exchange-Server (wir schrieben vor zwei Wochen darüber) ins System ein. Dann trägt er sich in die Registry ein und erzwingt einen Neustart im Safe Mode; dabei aktiviert er zugleich den Netzwerkmodus, kann also weitere Schadsoftware übers Netz nachladen.
Der Hinterhalt lauert in der Tatsache, dass im abgesicherten Modus auch Antivirus-Software deaktiviert ist, die sonst die verdächtigen Aktivitäten des Trojaners melden könnte. Sobald sich nun ein User einloggt, startet REvil die Festplattenverschlüsselung. Und das zunächst unbemerkt, denn der Windows-Anmeldescreen zeigt keinen Hinweis auf den abgesicherten Modus.
Die europäischen Polizeibehörden sollen Technik gegen verschlüsselte Telefonie bekommen. Fünf Millionen Euro will die EU-Kommission in eine Plattform investieren, die Ende-zu-Ende-verschlüsselte Verbindungen brechen soll.
Dabei geht es vor allem um die neue Mobilfunk-Generation 5G, die von Haus aus die Verschlüsselung und Anonymisierung von Kommunikation ermöglicht; nicht nur Gesprächsdaten, sondern auch Gerätenummern und SIM-Karten-Identifikation werden verschlüsselt. Außerdem erschwere die dezentrale Netzwerkarchitektur das Ausleiten abgehörter Kommunikation an zentralen Netzwerkknoten, wie die Website netzpolitik.org schreibt.
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Neben anderen Diensten haben auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Europol schon dafür gesorgt, dass die Telefonanbieter sogenannte »Points of Intercept«, also Schnittstellen für das Eindringen, vorhalten müssen; initiiert vom Bundeskriminalamt, wurde die »Expertengruppe 5G«, die das Abhören von 5G-Kommunikation etablieren will, zu einer dauerhaften Einrichtung umgewandelt und ihr Einsatzbereich auf verschlüsselte Kommunikation ausgeweitet.
BSI mahnt zur Eile
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Es ist schon fast zwei Wochen her, dass Microsoft eine Sicherheitslücke im Exchange Server gepatcht hat, aber immer noch gibt es neue Meldungen über betroffene Firmen und Behörden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat schon in der vergangenen Woche nachdrücktlich gewarnt, Zehntausende Exchange-Server seien online angreifbar – und nicht nur das, sondern auch mit hoher Wahrscheinlichkeit mittlerweile infiziert.
Es sollen chinesische Hacker gewesen sein, die auch bereits die Lücke ausgenutzt haben; die Situation ist ganz offensichtlich ernst. Wer also immer noch keine Gegenmaßnahmen getroffen hat, sollte sofort alle IT-Kapazitäten darauf bündeln. Es gibt eine Seite des BSI, die alle Informationen zusammenfasst.
Betroffen sind die Exchange-Server-Versionen 2013, 2016 und 2019, und es sollten umgehend die von Microsoft bereitgestellten Patches eingespielt und die Server auf Auffälligkeiten hin überprüft werden.
Spionierende Augen gibt es überall – und jetzt haben sie auch ein gemeinsames Gehirn ist der Titel eines Artikels im Magazin WIRED. Er fragt: Überwachungskameras, Autokennzeichenleser, Smartphone-Tracker, Drohnen – was, wenn die Informationen aus all diesen spitzelnden Geräten zusammengeführt werden?
Wie bei Chicagos Polizei: Die hat viele Technologien zur Überwachung ihrer Bürger im Einsatz, kam aber mit der Zusammenführung dieser Daten nicht mehr hinterher. 2016 lieferte ihnen die Firma Genetec die Lösung: Mit dem Programm »Citigraf« lassen sich unabhängig gesammelte Daten verbinden. In Sekunden verknüpft die KI mit einem Vorfall zum Beispiel Straftäter in der Umgebung, kürzliche Notrufe und alle privaten und öffentlichen CCTV-Kameras. »Multi-intelligence fusion« nennt sich das.
Ein ähnliches Programm verschmilzt solche Daten über lange Zeiträume, Chicago ist bei weitem nicht die einzige Stadt, die Software der Firma einsetzt – und der ausführliche Artikel beschreibt weitere vergleichbare Technologien. Um zu dem Schluss zu kommen: Mit einem Klick (…) werden unsere verstreuten digitalen Fußabdrücke zu einer ununterbrochenen Lebensgeschichte.
SARS-CoV-2 vs. DSGVO
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Auf den ersten Blick ist das eine etwas kryptische Überschrift; was aber dahintersteckt, ist sehr konkret: Seit das neue Coronavirus die Welt erobert, hat die Nutzung von Online-Services stark zugenommen. Mit allen Konsequenzen für die digitale Identität.
Onfido, ein weltweit tätiger Anbieter von Identitätsprüfungs- und Authentifizierungs-Tools, hat mehr als viertausend Amerikaner, Briten, Franzosen und Deutsche nach ihrer Beziehung zu ihrer digitalen Identität befragt und wie zufrieden sie mit dem Umgang damit sind. Eines der Ergebnisse: In allen Gruppen sorgt sich gut die Hälfte der Befragten, dass ihre Daten an Dritte weitergegeben werden, und annähernd genauso viele, dass ihre Daten nicht sicher seien. Zwischen 30 und 40 Prozent fanden auch, dass zu viele Daten abgefragt werden.
Da im vergangenen Jahr bei vielen Menschen eine Reihe neuer anmeldepflichtiger Anwendungen dazugekommen ist – von Online-Shopping über Zoom-Konferenzen bis zu VPNs im Homeoffice –, wird es immer wichtiger, dass der Authentifizierungsprozess einerseits sicher genug ist, andererseits aber auch ausreichend benutzerfreundlich. Die Herausforderungen sind vielschichtig und müssen jetzt in Angriff genommen werden.
Gesichtserkennung ist nur eine von vielen Überwachungstechnologien, die trotz Kritik massiv ausgebaut werden. Kürzlich ist das Startup Clearview AI nach einem Artikel der New York Times international bekannt geworden als The Secretive Company That Might End Privacy as We Know It. Das Ende der Privatsphäre fürchten auch Matthias Marx und der Chaos Computer Club; Marx schrieb dem SPIEGEL, es drohe, dass wir bald nicht nur im Internet, sondern auch in der Offline-Welt auf jedem Schritt und Tritt überwacht werden.
Clearview AI hat offenbar drei Milliarden Fotos aus Facebook, Instagram, YouTube und zahllosen anderen Websites in eine gewaltige Datenbank gesaugt. Die Software (die schon an hunderte US-Polizeibehörden verkauft wurde) kann einem beliebigen Bild einer Person ein komplettes Profil zuordnen. Dass das illegal ist, scheint weder die Firma, noch ihre Kunden zu stören.
Deswegen haben Marx und der CCC die Initiative »Reclaim Your Face« gegründet, die über die Gefahren aufklären will und eine Peition initiiert hat. Wenn innerhalb eines Jahres mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Staaten zusammenkommen, muss die EU-Kommission reagieren.
Quantensprung für Kryptographie
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Es wird noch das eine oder andere Jahr dauern, bis Quantencomputer den Sprung zur Marktreife geschafft haben, aber die Entwicklung schreitet rasant voran – wir befinden uns schon mitten in der »Adventszeit« dieser neuen Technologie. Ein guter Zeitpunkt, sich Gedanken zu machen: Was bedeutet das für Kryptographie und Verschlüsselungstechnik?
Kommunikation, Handel, Finanztransaktionen, kritische Infrastruktur – das Internet braucht Verschlüsselung. Aber selbst der heute höchste Standard 2048-Bit-RSA kann nach einer Studie des BSI mit rund 1 Milliarde Qubits innerhalb einer Stunde gebrochen werden. Noch gibt es so leistungsfähige Rechner nicht, aber verschlüsselte Daten werdden oft dauerhaft gespeichert.
Seit 2016 entwickelt das US-amerikanische NIST die Standardisierung von quantencomputerresistenten Algorithmen, die auch auf konventionellen Computern lauffähig sind. Zwischen 2022 und 2024 rechnen die Forscher mit Ergebnissen. Die deutsche Firma Tutanota hat kürzlich ein Projekt gestartet, das quantensichere Algorithmen neben konventionellen Algorithmen zur Verschlüsselung von E-Mails verwenden soll.
Viele kümmert das Thema zwar kaum, aber das Location-Tracking von Mobilgeräten ist durchaus problematisch – und viel weiter verbreitet, als man vielleicht glauben möchte. Eine aktuelle Studie hat ergeben: Von 450 ganz unterschiedlichen Apps aus dem Google-Playstore gab es keine einzige, die den Standort ihrer Nutzer nicht speichert. Die inspizierten Anwendungen wurden insgesamt weit über anderthalb Milliarden mal heruntergeladen.
Das betrifft auch europäische Nutzer, obwohl die DSGVO/GDPR sie vor solcher Nachverfolgung schützen soll. Und selbst eigentlich verbotene Tracker kommen zum Einsatz: In fast 200 der Apps fanden sich Elemente aus X-Mode, einem Tracking-Algorithmus, der längst aus dem Playstore verbannt ist. Dabei hatte Google schon vor einem Jahr angekündigt, den Zugriff auf Standortdaten strenger zu reglementieren. Das scheint aber noch nicht zu greifen – 100 % Funde sprechen eine deutliche Sprache.
Vielleicht kein Zufall, ist doch Google schon vor einiger Zeit unangenehm aufgefallen, als der Konzern zugeben musste, dass das Betriebssystem weiterhin trackt, auch wenn die Option »Location History« ausgeschaltet ist.