Gut gegen Dunkelflauten
Stromspeicher im hohen Norden
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Die meisten werden inzwischen davon gehört haben, dass erneuerbare Energieerzeugung des öfteren Überschüsse produziert. Bisher müssen dann die Solarkollektoren und vor allem Windkraftwerke heruntergedrosselt (»abgeregelt«) werden. Das ist ärgerlich und kann sogar teuer werden. Wäre es nicht viel besser, den Überschuss zu speichern? In Schleswig-Holstein ist gerade eine Riesenbatterie für solche Zwecke in Betrieb gegangen.
Wir hatten hier ja in letzter Zeit häufiger über aufsehenerregende Forschungsergebnisse berichtet, über Batterien aus Beton und Ruß zum Beispiel oder solche auf der Basis von Natrium-Ionen – und dagegen ist die aktuelle Meldung auf den ersten Blick nicht so spektakulär. Aber wenn man genauer hinsieht, dann könnte man auf den Gedanken kommen, dass gerade einem der letzten verbliebenen Argumente der Fossil-Lobby das … na ja, sagen wir mal: das Öl abgegraben wird. Denn immer, wenn die Fakten allzu deutlich werden – nämlich, dass die Zukunft der Energiegewinnung in den Erneuerbaren liegt –, dann rufen die Mahner der Petro-Industrie laut: »Dunkelflaute! Energiesicherheit! Stromausfall! Zusammenbruch!« Und da ist natürlich eine enorme Batterie, die von Wind- und Solarenergie gespeist wird und über mehrere Stunden ganze Gemeinden mit Strom versorgen kann, ein echter Störenfried.
Für alle anderen, deren Lebensunterhalt nicht am Erdöl hängt, ist es eine erfreuliche und mutmachende Nachricht, dass gerade im schleswig-holsteinischen Bollingstedt eine weitere Riesenbatterie den Betrieb aufgenommen hat. Der SPIEGEL berichtete vor ein paar Tagen und schrieb: Rechnerisch soll der Speicher bis zu 170.000 Mehrpersonenhaushalte für zwei Stunden mit Ökostrom versorgen können. Die Anlage hat eine Leistung von 103,5 Megawatt sowie eine Speicherkapazität von 238 Megawattstunden, so die Betreiber.
Schon im vergangenen November hatte das Unternehmen ECO STOR das Projekt in einer Pressemitteilung vorgestellt und schrieb damals, Netzschwankungen erforderten gezielte Maßnahmen zur Stabilisierung. Der Batteriespeicher spielt hier eine zentrale Rolle, indem er Elektrizität in Zeiten hoher Wind- und PV-Produktion zwischenspeichert und bei hoher Nachfrage gezielt wieder einspeist.
Das ist, siehe die Einleitung dieser News, vor allem deswegen wichtig, weil bisher bei Schwankungen im Strombedarf immer die Photovoltaik- und Windenergie-Anlagen abgeregelt werden. Aus dem einfachen Grund, dass sie flexibler sind als die konventionellen, wie die Next Kraftwerke GmbH auf ihrer Website schreibt: Einer der Hauptgründe liegt vor allem in der fehlenden Flexibilität der konventionellen Kraftwerke. Sie können nicht schnell genug hoch- oder heruntergefahren werden, um auf die schwankende Verfügbarkeit erneuerbarer Energien wie in diesem Fall Solarkraft zu reagieren. Daher müssen flexible Anlagen, wie eben PV-Anlagen, abgeregelt werden, um eine Überlastung des Netzes zu verhindern.
Und: Ein weiterer Grund für die Abregelung von Solarenergie liegt in der Tatsache, dass an sehr sonnigen Tagen die installierten Anlagen teilweise ihre maximale Leistung erreichen. Dies führt zu einer Überkapazität an erzeugter Energie, die wir bislang noch nicht nutzen und auch nicht speichern können.
Geschrieben wurde das im Mai 2024, und in dem einen Jahr ist die Branche offensichtlich einen großen Schritt weitergekommen. Denn es wird nicht bei dem Werk in Bollingstedt bleiben: Weitere Großspeicher sind schon in Planung.
Der SPIEGEL zitiert den Geschäftsführer von ECO STOR, Georg Gallmetzer, mit den Worten: Wir haben jetzt die Technologie, um wertvollen Sonnenstrom in die Abendstunden zu verschieben, Preise zu dämpfen und Strom aus Gas und Kohle weiter zu reduzieren.
Was im vergangenen November auch den Professor für Digitale Kommunikation, Autor des Buches »Männer, die die Welt verbrennen« und SPIEGEL-Kolumnisten Christian Stöcker zu einem Artikel mit der Überschrift Ein Batterie-Tsunami rollt heran
inspirierte: Dieser Boom wird weitergehen, denn die Preise für Speicher und Photovoltaik sind weiterhin im freien Fall.
Stöcker betont darin auch die Option für Privatleute, sich ein eigenes kleines Solarkraftwerk inklusive Speicher zu installieren: Man kann sich im Moment ein Balkonkraftwerk samt Wechselrichter für weniger als 200 Euro zulegen. Eine Heimbatterie mit gut 10 Kilowattstunden Speicherkapazität gibt es mittlerweile ab 1500 Euro, mancherorts für noch weniger. Wer es richtig anstellt und die baulichen Möglichkeiten hat, kann auch hierzulande von Mai bis September schon jetzt seine laufenden Stromkosten auf nahe null senken, nur mit Solarstrom und Speicher.
Im Großen wie im Kleinen sind das gute Nachrichten für alle, denen daran gelegen ist, endlich von Erdöl, Gas und Kohle loszukommen.